Hagen. Die absoluten Zahlen hinter den Wahlsiegern in Hagen sind klein. Die Politikverdrossenheit in Hagen wird immer stärker.
Die S ieger dieser Kommunalwahl strahlen. Dazu gehören der alte und neue Oberbürgermeister Erik O. Schulz, der 51,06 Prozent der Stimmen erreichen konnte. Dazu zählen die Grünen, die es zwar in Hagen nicht auf den Landes- und Bundestrend schafften, aber letztlich doch drittstärkste Kraft im Rat mit 13,3 Prozent geworden sind. Auch die AfD zählt sich zu den Wahlsiegern mit 9,3 Prozent im Rat und 8,5 Prozent für OB-Kandidat Eiche. Aber die vielen Prozentzahlen, die in den Grafiken und Sieger-Statements genannt werden, täuschen über etwas hinweg: Die Politikverdrossenheit in Hagen ist groß und wird immer größer. Und hinter angeblichen Mehrheiten stecken verhältnismäßig kleine Werte.
Blick auf den alten und neuen OB Erik O. Schulz, der sich logischerweise selbst feierte. Nicht nur für die Wiederwahl, sondern auch dafür, dass er trotz sieben Gegenkandidaten direkt über die 50-Prozent-Marke hüpfte, die eine Stichwahl verhindert. Bei 51,06 Prozent für Schulz sollte man meinen, dass jeder zweite Hagener Wahlberechtigte hinter ihm steht.
Tatsächlich ist sein absoluter Rückhalt kleiner. 31.085 Menschen entschieden sich für ihn. Von insgesamt 148.000 Wahlberechtigten in Hagen. Das sind 21 Prozent aller insgesamt Wahlberechtigten. So rechnet man Wahlergebnisse für gewöhnlich nicht runter. Hinterfragt man aber Legitimation, Rückendeckung und Bürgerbeteiligung, dann sprechen diese Zahlen im Hagener Fall Bände.
Und es reicht längst nicht mehr aus, zu erklären, dass diese Entwicklung ja überall im Land so verlaufe und Hagen sich da einreihe. Das ist falsch. Während die Wahlbeteiligung im Land auf 51,9 Prozent gestiegen ist, ist sie in Hagen erneut gefallen. Auf fast schon alarmierende 41,9 Prozent. Zehn Prozent weniger als im Landesschnitt.
Politikverdrossenheit nimmt zu: Note für Politiker ist schlecht
Diese Politikverdrossenheit zeigte sich bereits im großen Heimatcheck unserer Zeitung vor der Wahl. Gesamtnote für Politik und Verwaltung von den befragten Hagenern: ausreichend plus. Das schlechteste Ergebnis im gesamten südwestfälischen Raum.
Besonders unzufrieden sind die Hagener mit dem Einsatz, Handeln und der Präsenz der Gestalter und Entscheider in Altenhagen, in der City sowie im Nordwesten – also in Eckesey und Vorhalle. Bessere Akzeptanz findet sich hingegen in Boele-Kabel, Emst und Haspe. Zuletzt wurde vor allem bei Bauprojekten deutlich, dass die Anrainer von Entwicklungen überrascht werden und sich eine frühzeitigere Beteiligung gewünscht hätten, um ihre Interessen und Bedenken möglichst noch konstruktiv einbringen zu können. Als jüngste Beispiele seien hier nur die Erweiterungspläne der Firma Riepe am Loxbaum, die Hotel-Pläne an der Feithstraße oder auch die Schulentwicklung am Block-1-Areal in Wehringhausen genannt, die bislang ebenfalls vorangetrieben wird, ohne sich mit den Menschen im Quartier auszutauschen.
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Mehrheit für Fraktionen ist in absoluten Zahlen verhältnismäßig klein
Wie weit entfernt Bürger und Politik mittlerweile sind, zeigt sich nicht nur am OB-Ergebnis (der größte Herausforderer, Wolfgang Jörg von der SPD, kam stadtweit übrigens nur auf 15.547 Stimmen), sondern vor allem im Ratsergebnis. SPD und CDU stellen die größten Fraktionen und holten 25,5 und 27,5 Prozent der Stimmen. Klingt nach relativ breiter Mehrheit.
Aber hat man eine Mehrheit der Bürger hinter sich, wenn von 148.000 Wahlberechtigten lediglich 15.573 und 16.802 Menschen das Kreuzchen für einen machen? Also mit Blick auf die Gesamtzahl der Wahlberechtigten nur 10,5 und 11,4 Prozent all derer, die in Hagen eigentlich wählen dürften?
AfD profitiert vom Trend: Zweitbestes Ergebnis in ganz NRW
Profiteur dieser Entwicklung ist die AfD, die in Hagen mit 5992 Stimmen gleich fünf Ratssitze erhält und zur viertgrößten Fraktion wird. Wenn nur noch knapp 62.000 Menschen in Hagen zur Wahl gehen und die etablierten Parteien wie CDU und SPD nicht mehr an der 30-Prozent-Marke kratzen, profitieren die vermeintlichen kleineren Parteien.
49,9 Prozent im Jahr 1999, 47,8 Prozent im Jahr 2004, 45,7 Prozent im Jahr 2009 und 45,1 Prozent im Jahr 2014. Setzt der Trend sich so fort, werden in Hagen bei der nächsten Kommunalwahl nur noch knapp drei von zehn Wahlberechtigten an die Urne schreiten.