Hagen. Trotz hoher Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit findet die Personalservice-Gesellschaft Rehbach zurzeit keine Arbeitskräfte für Hunderte Jobs.

Seit über zwei Jahrzehnten vermittelt die Personalservice-Gesellschaft Rehbach vom Standort Hagen aus Arbeitskräfte an die heimische Wirtschaft. Eine Aufgabe, die trotz hoher Arbeitslosigkeit zuletzt immer schwieriger geworden ist, weil von den potenziellen Kandidaten für einen Job am Ende bloß noch ein Bruchteil bereit ist, ein Arbeitsvertragsangebot zu unterschreiben. Selbst in Zeiten der Corona-Krise, in denen Kurzarbeit grassiert und die Arbeitslosenquote in Hagen sich jenseits der 12-Prozent-Marke bewegt, gestaltet sich die Suche nach interessierten Kräften mühselig. Eine Ursachenforschung im Gespräch mit Rehbach-Prokurist Stefan König.

Frage: Was hat die Corona-Pandemie eigentlich mit der Personaldienstleister-Branche gemacht?

Stefan König: Wir haben auch so eine Art Shutdown erlebt. Erst seit einigen Wochen verspüren wir wieder eine Marktbelebung. Natürlich haben die Firmen zunächst ihr Zeitpersonal abgemeldet, dass sie ja auch nur temporär geordert haben. Dadurch entstand eine erdrutschartige Bewegung, wie wir sie bereits in den Jahren 2008 bis 2010 während der Finanzkrise erlebt hatten. Unser zentrales Bewerbermanagement in Schwelm ist inzwischen wieder auf allen Kanälen, so auch in den Sozialen Medien, unterwegs, um Leute für verschiedene Tätigkeiten zu finden. Vor allem die Logistik ist zurzeit stark gefragt, weil seit Corona die Online-Dienste boomen.

Welche Ansprüche haben Sie an diese Leute?

Steckbrief Stefan König

Stefan König ist 52 Jahre alt und Familienvater. Er stammt ursprünglich aus dem Sauerland, hat dann in Hagen die Schule besucht, um im Anschluss eine kaufmännische Ausbildung zu machen.

Er ist inzwischen seit mehr als zwei Jahrzehnten beruflich in der Verleiharbeitsbranche unterwegs und seit 20 Jahren bei der Rehbach-Personalservice GmbH tätig.

Als Prokurist am Standort Hagen ist König für den Raum Südwestfalen verantwortlich zu dem unter anderem die Städte Hagen, Dortmund, Bochum, Lüdenscheid, Plettenberg und Gummersbach zählen.

Da werden einfachste Qualifikationen gesucht - es geht um das Verpacken von Teilen, Etikettierung, Versand –, also Anlerntätigkeiten, für die man nicht einmal eine abgeschlossene Ausbildung braucht. Diese Stellen sind interessant für Leute aus dem Einzelhandel, die schon einmal Waren verräumt haben, Lieferscheine lesen und kommissionieren können – also alles kein Hexenwerk. Da machen wir große Castings, kontaktieren 50 Arbeitssuchende und Bewerber, aber auch Interessenten von diversen Internetplattformen. Doch zu einem konkreten Gespräch erscheinen bei uns dann höchstens 15, obwohl ursprünglich viel mehr zugesagt haben.

Woran liegt das?

Wir haben manchmal schon das Gefühl, dass immer mehr Arbeitskräfte eine solche Bewerbung nur als Alibi nutzen, um ihrer Bewerbungspflicht, auferlegt durch Ämter etc., nachzukommen und ein Interesse an einer Arbeit nicht wirklich besteht.

Aber das Drittel, das dann tatsächlich erscheint, hat dann auch echtes Interesse?

Das ist sehr unterschiedlich. Oft passt es auch aus verschiedensten Gründen nicht: Sprachkompetenz, körperliche Gebrechen, manchmal scheitern sie auch an unserem relativ simplen, vorgeschalteten Eignungstest. Erst im Anschluss fahren wir mit den Bewerbern zu der potenziellen Stelle, um die Tätigkeit vor Ort zu präsentieren. Die Firmen nehmen sich für diesen Prozess inzwischen viel mehr Zeit und Muße. Nach unserem Test reduziert sich das Drittel noch einmal erheblich. Zur eigentlichen Vorstellung in dem Betrieb kommen dann maximal noch acht Interessenten mit. Davon werden sieben genommen, doch am nächsten Montag starten letztlich nur sechs, weil einer von irgendeinem Kumpel über das Wochenende gehört hat, dass die Firma doch nicht so klasse sei. Dann doch lieber nicht arbeiten. Leider zeigt unsere Statistik, dass von den sechs Leuten nach etwa zehn Tagen noch einmal ein Drittel abspringt, so dass am Ende von 50 gecasteten, damit geeigneten und eingeladenen Kandidaten nur vier tatsächlich arbeiten gehen.

Warum? Woran scheitert es in dieser finalen und somit so konkreten Phase noch?

Auch wir können leider auch bloß vor die Köpfe der Leute gucken: „Das ist nichts für mich, das habe ich mir ganz anders vorgestellt, die Schicht ist mir zu früh“, heißt es dann.

Geld spielt sicherlich auch eine Rolle, oder?

Wir lehnen uns an den IGZ-Tarifvertrag für Zeitarbeitsfirmen an. Wir starten in der untersten Gruppe bei 10,15 Euro pro Stunde. Hinzu kommen natürlich Schichtzulagen, Wochenend- und Nachtzuschläge oder Leistungsprämien, so dass in der Regel hier niemand unter 12,50 Euro nach Hause geht - ungelernt und ohne Schulabschluss. Das ist gerade auch für Zuwanderer attraktiv. Da kommt noch ganz normal Urlaubs- und Weihnachtsgeld dazu, es gibt Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die Chance auf eine Festübernahme. Die finanziellen Rahmenbedingungen sind also durchaus attraktiv.

Ist das nicht auch was für das riesige Heer an Langzeitarbeitslosen in Hagen?

Dortmund oder Schalke?

Dortmund oder Schalke?

Ich habe überhaupt keine Ahnung von Fußball. Ich gucke mir lieber Eishockey und Basketball an.

Cabrio oder Kombi?

Eindeutig der Kombi, beziehungsweise in meinem Fall der Pick-up, weil meine besondere Passion die Jagd und die Natur sind.

Strand oder Berge?

Berge, weil ich auch sehr gerne segele. Allerdings gucke ich als Naturfreund nicht so gerne vom Strand auf ein unendliches Meer, sondern bevorzuge den Blick von einem kurzen Ufer über einen See hinweg auf die Berge.

Schwer einzuschätzen, wir versuchen die Hürden schon so flach wie möglich zu halten. Beispielsweise gehen wir mit den Kandidaten sämtliche geforderten Arbeitsvertragsunterlagen mit dem Allgemeinem Gleichstellungsgesetz, der Gender-Thematik, Verhaltensregeln am Arbeitsplatz, Datenschutzgrundverordnung, genossenschaftliche Grundunterweisung etc. – insgesamt 27 Seiten – gemeinsam durch.

Diese Vorarbeit macht es ja auch für die Betriebe sehr komfortabel...

Für die Firmen ist unsere Branche ein Rekrutierungsinstrument. Wir übernehmen das Unternehmerrisiko einer Direkteinstellung, denn der Beschäftigte bekommt natürlich von uns seine Abrechnung, wir regeln die Urlaube und zahlen im Krankheitsfall. Ein Rundum-Sorglos-Paket mit allen Sozialversicherungsbeiträgen, das je nach Auftragslage innerhalb weniger Tage auch wieder abgemeldet werden kann. Natürlich ist da im Stundenlohn für uns auch eine Marge eingebaut, aber die ist in den vergangenen Jahren immer kleiner geworden.

Betrifft Ihre verzweifelte Suche nach Arbeitskräften denn nur den Raum Hagen?

Nein, diese gelebte Realität greift deutlich weiter, wenn ich auf die Liste unserer Kunden blicke. Das gilt auch für Ennepetal, Gevelsberg, Breckerfeld, das Volmetal hinauf bis nach Lüdenscheid. Wir sind da nicht nur ein Brückenbauer, sondern auch ein Indikator für den Arbeitsmarkt. Wir merken, dass es jetzt wieder hoch geht für unsere temporären Arbeitskräfte, nachdem viele Firmen in Lockdown-Zeiten ihre befristeten Verträge haben auslaufen lassen und aus Sorge vor einer zweiten Welle zurzeit auch nicht wieder einstellen. Sie nutzen in dieser Phase der Unsicherheit lieber die Pufferfunktion eines Personaldienstleisters.

Welche Leute könnten Sie denn nun konkret sofort gebrauchen?

Wir suchen Leute in vielen Bereichen – aktuell und händeringend: Produktionshelfer, Lagerhelfer, Staplerfahrer, Portionierer, Maschinenbediener, Zerspanungsmechaniker, Schweißer, Anlagenmechaniker sowie Maler und Lackierer. Es ist schon erstaunlich, dass sich hier bei der Arbeitsmarktlage nichts finden lässt.

Funktioniert da sie Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur und dem Jobcenter nicht?

Wir arbeiten grundsätzlich mit denen gut zusammen, aber in Corona-Zeiten leiden diese Behörden natürlich auch unter einer gewissen Unterbesetzung. Zudem fehlt den Sacharbeitern der persönliche Kontakt mit ihren Kunden, dadurch ist die konkrete Begleitung und das Vermittlungsgeschäft zurzeit ein wenig eingeschlafen. Die Mitarbeiter dort machen grundsätzlich schon einen guten Job, aber sie sind mit stumpfen Schwertern unterwegs und können kaum noch jemanden sanktionieren - schon gar nicht in Corona-Zeiten. Ich kann unter dem Strich für unsere Firma bloß feststellen: Wir können Hunderte von Stellen nicht besetzen – warum auch immer.

Scheitert es auch an der Haltung der potenziellen Kandidaten?

Genau.

Stimmt am Ende die uralte Stammtischthese: Die wollen gar nicht arbeiten?

Das sind Leute, die haben sich aus eigener Initiative bei uns beworben. Aber wenn es dann ernst wird, bröckelt der Elan. Es häufen sich die Fälle, dass Arbeitsverträge unterschrieben und mitgenommen werden, wir aber den „neuen Mitarbeiter“ nie wieder sehen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt. Letztlich will ich aber auch niemanden hier bezichtigen. Mit geht es letztlich bloß darum, das Phänomen zu beschreiben, dass es selbst vor dem Corona-Hintergrund reichlich offene Stelle zu besetzen gibt, wir aber einfach kaum noch Personal finden.