Hagen. Über zwei Stunden bietet die Wahlarena 2020 die Chance, sich ein Bild von den OB-Kandidaten zu machen. Hier die wesentlichen Standpunkte.

Gibt es tatsächlich eine Qual der Wahl? In einer Demokratie ist es eher ein Luxusproblem, wenn sich viele Bewerber für ein Spitzenamt berufen fühlen.

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    In Hagen möchten gleich sieben Männer und eine Frau künftig am Schreibtisch des Oberbürgermeisters Platz nehmen – die sechs Vertreter der im Rat bereits vertretenen Parteien stellten sich im direkten Duell der Wahlarena am Donnerstagabend dem konkreten Vergleich. Jetzt kann der Bürger aus einer breiten Vielfalt entscheiden: Erik O. Schulz (parteilos/55), Wolfgang Jörg (SPD/57), Josef Bücker (Hagen Aktiv/59), Michael Eiche (AfD/56), Ingo Hentschel (Linke/57) und Thorsten Kiszkenow (Piraten/47). Hinzu kommen noch Laura Knüppel (Die PARTEI) und Franco Flebus (Rep).

    Die Sicherheit

    Die Wahlversprechen

    „Die versprechen doch ohnehin bloß Dinge, die sie niemals halten werden“, ist die Skepsis bei den Wählern traditionell hoch, wenn vor dem Urnengang persönliche Ziele formuliert werden. Dennoch räumten die Moderatoren des von WESTFALENPOST, SIHK und Wirtschaftsjunioren organisierten Abends Ralf Geruschkat (SIHK) und Jens Stubbe (WP) den Protagonisten die Chance ein, ihre Wahlversprechen zu formulieren.

    So möchte Hagen-Aktiv-Bewerber Josef Bücker die Hagener enger an den politischen Entscheidungsfindungsprozessen beteiligen, Mitmachmöglichkeiten schaffen und somit die Zugehörigkeit der Bürger stärken.

    Den Fokus auf eine Stärkung der Wirtschaft, Entschuldung sowie die Themen Sicherheit und Sauberkeit möchte AfD-Kandidat Michael Eiche richten.

    Linken-Bewerber Ingo Hentschel gab sich wiederum leidenschaftlich: „Ich bin bereit, alles zu geben, damit Hagen wieder nach vorne kommt.“

    „Hagen verliert permanent an Boden im Vergleich zu anderen Städten – hier müssen wir das Steuer herumreißen und nicht nur moderieren, sondern klare Ziele formulieren“, steckte Wolfgang Jörg (SPD) seine Prioritäten ab.

    Piraten-Bewerber Thorsten Kiszkenow wiederum sagte zu, das Fördermittelmanagement auf eigene Beine zu stellen, um hier mehr Schlagkraft zu gewinnen.

    Und Amtsinhaber Erik O. Schulz versicherte, die vielen Projekte, die unter seiner Ägide auf den Weg gebracht worden seien, mit Herzblut gerne weiterführen zu wollen, um die Kontinuität zu wahren.

    Auch wenn die Zahlen das Gegenteil belegen – das Sicherheitsgefühl der Hagener ist nicht nur rund um den Hauptbahnhof nicht sonderlich ausgeprägt. Entsprechend erwartet AfD-Kandidat Eiche hier deutlich konsequentere Kontrolle, damit endlich „echte Zahlen“ auf den Tisch kommen. Beim Thema Sicherheit „die Kirche im Dorf“ zu lassen, appelliert Jörg (SPD) und setzt vielmehr darauf, die Kommunikation zwischen Polizei, Ordnungsbehörden und Bürgern deutlich zu verbessern. Ein Ziel, das auch OB Schulz in einer „vergleichsweise sicheren Großstadt“ verfolgen möchte, während Hagen-Aktiv -Chef Bücker davor warnt, gefühlte Sicherheitsmängel nur durch die Verdrängung bestimmter Gruppen lösen zu wollen.

    Die Gewerbeflächen

    Über zwei Stunden tauschen sich die Bewerber um den OB-Posten im Rahmen der Wahlarena übe ihren politischen Ziele aus.
    Über zwei Stunden tauschen sich die Bewerber um den OB-Posten im Rahmen der Wahlarena übe ihren politischen Ziele aus. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

    Während Linken-Bewerber Hentschel hier Fehler bei der perspektivischen Planung identifiziert, kritisiert Jörg hausgemachte Probleme wie ein „fehlendes professionelles Brachflächenmanagement“. Gegen eine Umwandlung des Böhfeldes in ein Gewerbegebiet spricht sich Piraten-Kandidat Kiszkenow aus und setzt wie auch Josef Bücker auf eine konsequente Brachflächenreaktivierung. OB Schulz geht derweil davon aus, dass die Gründung der Hagener Industrie- und Gewerbeflächen GmbH sowie eine Neujustierung der Wirtschaftsförderung die notwendige Dynamik in die Gewerbeflächen-Entwicklung bringe.

    Die Integration

    Angesichts der anhaltenden Zuwanderung – zuletzt vorzugsweise aus Südosteuropa – sprechen sich alle OB-Kandidaten dafür aus, dem Thema Integration eine zentrale Bedeutung beizumessen. „Diese Menschen werden bleiben, daher müssen wir sie gut ausbilden, denn sie sind der Schlüssel für unseren bleibenden Wohlstand und unsere Zukunft“, formuliert Wolfgang Jörg. Entsprechend plädieren alle Bewerber für Sprachförderung, aktive Quartiersarbeit, Bildungsangebote, Vereinsförderung, aber auch klare Wertevermittlung. AfD-Vertreter Eiche definiert: „Integration ist eine Bringschuld. Dafür muss die Stadt auch Angebote machen, Regeln aufstellen und diese auch ahnden.“

    Die Schulden

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    Lokale Ratlosigkeit dominiert über alle Parteigrenzen hinweg den Kampf gegen den Hagener Schuldenberg in Höhe von einer Milliarde Euro, der angesichts der Corona-Folgen nach einer Phase der Entschuldung wieder anwachsen dürfte. Unisono fordern die OB-Kandidaten einen Schuldenschnitt und sehen hier neben dem Bund jetzt vor allem die Landesregierung in der Pflicht. Linken-Vertreter Hentschel fordert, angesichts der anhaltend niedrigen Zinsen dennoch in die Zukunft der Stadt zu investieren und nicht nur den Blick auf das Minus zu richten.

    Der Verkehr

    „Es macht keinen Sinn, mit 1,5 Tonnen Stahl um sich herum in die Stadt zu fahren, um dort acht Stunden zu arbeiten“, proklamiert OB Schulz die Mobilitätswende hin zu Bus- und Radverkehr. Dazu müssten jedoch auch finanzielle Anreize geschaffen werden, fordern Hentschel und Eiche in seltener Einigkeit, die ÖPNV-Preise deutlich zu senken. Kiszkenow könnte sich als Pirat sogar den fahrscheinlosen Nahverkehr vorstellen.

    Die Einkaufsmöglichkeiten

    Dass die Hagener Fußgängerzone arg in die Jahre gekommen ist, wird von niemandem bestritten. „Die Aufenthaltsqualität muss angenehmer werden, um dem Internethandel trotzen zu können“, fordert Linken-Kandidat Hentschel eine engere Verzahnung des Hagener Handels. OB Schulz setzt ebenfalls auf eine attraktive City, ohne die Nebenzentren aus dem Blick verlieren zu wollen. Doch für deren Facelifting, so hat das Rathaus zuletzt eingeräumt, fehlt zurzeit das Personal, um überhaupt Konzepte entwickeln zu können.

    Die Stadtsauberkeit

    Trotz der Etablierung der Waste-Watcher – beim Thema Stadtsauberkeit gibt es in Hagen weiterhin reichlich Luft nach oben. „Wir müssen dranbleiben“, verspricht OB Schulz für die Zukunft und verweist auf weitere Maßnahmen wie die Unterflurbehälter und eine Verschärfung des Bußgeldkataloges. Für eine zumindest testweise Einführung der kostenlosen Sperrgut-Abfuhr sprechen sich Hentschel und Kiszkenow aus, Bücker plädiert für eine flächendeckende Versorgung der Bushaltestellen mit Müllbehältern sowie eine Straßenreinigung aus einer Hand. Ebenso Jörg: „Wir müssen die Verantwortlichkeiten klarer definieren“, fordert er zudem – wie auch Eiche – konsequente Repressionen.

    Die Kita-Gebühren

    Kaum Dissens zwischen den Kandidaten gibt es beim Thema Kindertagesstätten: Alle Protagonisten sind sich darüber im Klaren, dass die Zahl der Plätze weiterhin nicht ausreicht, obwohl 15 neue Kitas in der jüngsten Wahlperiode neu entstanden sind. Zudem ertönt unisono die Forderung, die Gebühren deutlich zu senken oder gar ganz abzuschaffen. Ein Themenfeld, an dem sich auch der künftige Rat intensiv abarbeiten muss.

    Die Windkraft

    „Wir brauchen eine klare gesetzliche Regelung“ – mit dieser Forderung sprach OB Schulz auch den Rivalen um seinen Job aus der Seele. Allerdings plädierte Josef Bücker dafür, keine Windräder in die Wälder zu setzen und lieber auf Photovoltaik zu setzen. Auch Thorsten Kiszkenow sieht „Hagen als Stadt der Photovoltaik“, während Wolfgang Jörg für mehr Akzeptanz der Windenergie als notwendiger Teil der Energiewende in der Bevölkerung wirbt: „Einzelfallentscheidungen vor Gericht sind keine Lösung.“