Hagen. Kanadagänse und Nilgänse sorgen in vielen Städten für Ärger. Ein Blick mit Experten von der Biologischen Station auf die Lage in Hagen.

In zahlreichen Großstädten gelten Nil- und Kanadagänse als regelrechte „Plage“. Mehrere Kommunen in NRW beklagen, dass die Tiere viel Kot hinterlassen, der die Gewässer ökologisch beeinträchtigt, andere Arten verdrängen oder sogar den Verkehr behindern. Große Probleme verursachten die Tiere bislang in Hagen nicht, auch wenn die Population wächst, sagt Martin Schultz, Artenschutzbeauftragter für die Stadt Hagen bei der Biologischen Station.

Maßnahmen seien derzeit deswegen nicht geplant „und auch nicht notwendig“, betont er. Obwohl die Entwicklung der Population aufmerksam beobachtet werden sollte. „Wenn sie exponentiell wächst, dann müsste man gegebenenfalls irgendwann regulierend eingreifen.“

Kot beeinträchtigt Gewässer

Neue Stelle bei Stadt

Um die nachhaltige Umsetzung von Artenschutz kümmern sich in Hagen die beiden neuen Artenschutzbeauftragen Fabian Gärtner und Martin Schultz.

Mit der neu geschaffenen Stelle möchte die Stadt Hagen dem Artensterben entgegenwirken.

Die erste Aufgabe der neuen Mitarbeiter ist die Erstellung eines Geoinformationssystems, in dem aktuelle und historische Kartierungen von Flora und Fauna in Hagen erfasst werden.

Dabei greifen die Artenschutz-Experten auf digitale Erfassungssysteme diverser Fachkreise zurück, werten aber auch Gutachten und Kartierungen aus der Vergangenheit aus.

So erhalten sie einen Überblick darüber, welche Arten im Hagener Stadtgebiet wann und wo vorkamen beziehungsweise aktuell vorkommen.

Das Informationssystem liefert wichtige Grundlagen für städtische Planungen.

Als Problemgänse gelten die Tiere vor allem deshalb, weil sie ursprünglich keine heimischen Vögel sind. Nilgänse stammen aus einem Gebiet südlich der Sahara, Kanadagänse aus Nordamerika. „Erste Sichtungen in NRW gab es jeweils in den 80er- beziehungsweise 50er-Jahren“, erklärt Schultz. Hintergrund für die Ausbreitung sei wahrscheinlich, dass die Tiere früher beispielsweise in Teilen Mitteleuropas als Zuchtgeflügel gehalten wurden. Danach hätten die Vögel sich immer weiter ausgebreitet.„Beide Arten haben vergleichbare Habitat-Ansprüche“, erklärt Schultz das erhöhte Aufkommen in NRW.

Besonders wohl fühlten sich die Tiere auf parkähnlichen Flächen in Gewässernähe oder auf „Offenland“, die Rhein-Region und die Parkanlagen des Ruhrgebietes seien daher prädestiniert. Eine verlässliche Zählung für Hagen gebe es nur aus dem Jahr 2004: „Diese ist veraltet“, sagt Schultz offen. Bei der Kanadagans seien damals acht Brutpaare gezählt worden, von der Nilgans habe es damals zwei bis fünf Paare hier gegeben. „Der Bestand ist seitdem sicherlich etwas gewachsen.“

Hochzeit für umherziehende Tiere

Dass die Bürger immer größere Gruppen beobachten, liege vor allem auch an umherziehenden Rasttieren. Gerade im August und September sei Hochzeit dafür, da die Tiere nicht mehr mit der Brut beschäftigt sind und sich dann vorzugsweise in Gruppen versammeln. Im Frühjahr verteile sich das Vorkommen der Tiere dann wieder in der Fläche und Sichtungen großer Gruppen nähmen ab.

Über einige Vorwürfe ärgert sich der Artenschutz-Experte dennoch: „Es gibt bisher keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür, dass diese Wildvögel andere Vogelarten verdrängen.“ Zwar habe die Nilgans ein ausgeprägtes Revierverhalten, durch welches es zu einer Brutplatzkonkurrenz mit anderen Vögeln kommen könne, „aber eine Verdrängung anderer Arten ist nicht nachgewiesen.“ Die Kot-Thematik sei jedoch in der Tat ein Problem. Nicht nur, weil es etwa optisch unschön und ärgerlich für Parkbesucher ist. „Er kann auch zu ökologischen Problemen in den Gewässern wie Algenblüte führen.“

Kein Verständnis für Fütterung

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Für den Fall, dass sich die Wildgänse irgendwann zu einem „Problem“ entwickeln – dies sei der Fall, wenn enorme Fraßschäden in Uferbereichen oder eine extreme Verkotung auftrete – gebe es mehrere Alternativen.

Eine Bejagung befürworte Schultz derzeit nicht: „Das sollte der allerletzte Ausweg sein.“ Vielmehr gelte es, Flächen für die Tiere unattraktiv zu machen oder geschützte Ersatzflächen zu schaffen. In erster Linie aber sei das Problem „menschengemacht“.

„Ich habe für die Fütterung von Enten und anderen Wasservögeln kein Verständnis“, betont er in diesem Zusammenhang. „Zum einen werden dadurch beispielsweise diese Vögel angelockt. Zum anderen ist es nicht gesund – für keine der Vogelarten und die Brotreste sorgen für ökologische Probleme in den Gewässern.“