Hagen. Ansturm auf Fahrräder,

Hochbetrieb in Läden, in denen Fahrräder angeboten werden: In der Corona-Zeit, in der viele Menschen durch Kurzarbeit oder Homeoffice mehr Zeit haben beziehungsweise sich ihren Tag freier einteilen können, gewinnt das Rad - egal, ob normal betrieben oder als E-Bike bzw. Pedelec - an Beliebtheit. Wir haben uns in Hagener Fahrradgeschäften umgeschaut.

Als „Hektik hoch drei“ bezeichnet Bernd Trimborn von Zweirad Trimborn den Zustand, der seit knapp drei Monaten bei ihm herrscht. Natürlich sei das Stöhnen auf hohem Niveau, was er mache und er wolle sich auch nicht beklagen, denn „wir haben 60 Prozent mehr Umsatz als sonst im Frühjahr, dazu kommen die ganzen Reparaturen. Ich habe schon einen zusätzlichen Mann eingestellt, trotzdem haben mein Bruder, meine Schwägerin, unser langjähriger Angestellter und ich momentan 14- bis 16-Stunden-Arbeitstage.“

Viele Leute kämen jetzt in der Corona-Zeit zu ihnen in den Laden mit einem Rad, das 20, 25 Jahre lang im Keller geschlummert habe und jetzt wieder aufgearbeitet werden solle. Die Folge: Zwei bis drei Wochen Reparaturzeit müssen die Kunden einkalkulieren.

Weil es zu den Öffnungszeiten zugeht wie im Taubenschlag, hat Trimborn derzeit dienstags und donnerstags von 9 bis 13 Uhr den Laden für Kunden geschlossen, „da wird nur repariert“.

Ein Verkaufsgespräch rund um ein Pedelec liegt bei gut eineinhalb Stunden, „Beratung kostet Zeit“.

Probleme, die derzeit Trimborn und andere Radanbieter plagen: Räder bekannter Marken sind ausverkauft, das Gleiche gilt oftmals für Zubehör wie Fahrradschlösser.

Probefahrten können Interessierte bei Trimborn kostenlos machen, die Ausleihe eines Pedeles für einen halben Tag kostet 25, für ein normales Rad 12 Euro, „das Geld verrechnen wir, wenn der Kunde ein Rad kauft.“

Was Bernd Trimborn den Kopf schütteln lässt? „Was die Politik über Jahre nicht geschafft hat, nämlich die Menschen aufs Rad zu bekommen, hat Corona geschafft.“ Viele seiner (Neu-)Kunden hätten das Rad jetzt als praktisches und umweltschonendes Verkehrsmittel auch für den Arbeitsweg entdeckt, „und ich bin mir sicher, dass wird auch nach Corona so bleiben.“

Ortswechsel - wir besuchen das Zweirad Center Dieter Klein in der Lenzmannstraße: „Einerseits haben die Leute momentan natürlich einfach mehr Zeit und einigen fällt die Decke auf den Kopf, andererseits muss man aber auch sagen, dass wir im Frühjahr immer einen Boom erleben“, sagt Martin Klein. Der Mit-Inhaber des Zweirad Centers kümmert sich gerade um einen Kunden, der vor einem Jahr ein Mountainbike bei ihm gekauft hat und ihm jetzt einen platten Hinterreifen präsentiert. „Einmal verleiht man sein Rad, und dann das...“, schüttelt der sportliche Mann genervt den Kopf. Martin Klein beruhigt den Kunden, „ich klau’ dir jetzt erstmal das Hinterrad und kümmere mich um den Platten, den Rest wie Schaltung nachstellen und so machen wir dann morgen in Ruhe.“

Ruhe - ein Wort, dass derzeit bei Anbietern von Rädern wie ein Fremdwort klingt. Meine Vermutung, dass mittlerweile zwei von drei verkauften Rädern E-Bikes sind, belächelt Martin Klein und sagt vielleicht nicht ganz ernst gemeint: „Nein, 2,8.“

Der Trend des E-Bikes beziehungsweise Pedelecs sei nicht aufzuhalten, die meisten seiner verkauften E-Bikes hätten unauffällig im Rahmen eingesetzte Intube-Akkus. „Wir sind kein E-Bike-Verleih und wir bieten auch keine E-Bike-Probewochenenden an“, unterstreicht der Geschäftsmann, „wir fahren gemeinsam mit einem Kunden, der sich für ein E-Bike interessiert, eine kurze Strecke, meist den Goldberg, hoch. Wenn ein Kunde spürt, dass er dort problemlos raufkommt, hat er Spaß.“

Und was sagt Wolfgang Henderkes, Inhaber der Fahrradmanufaktur Tolaris an der Eppenhauser Straße, zum momentanen Zweirad-Boom? „Radfahren liegt tatsächlich auch in Hagen im Trend, allerdings immer noch auf bescheidenem Niveau im Vergleich zu Städten wie Köln oder Münster. Unter den Neueinsteigern, die zu ihm in den Laden kämen, befänden sich E-Bike-Interessierte ebenso wie E-Bike-Hasser, die ein Fahrrad mit elektrischem Antrieb als ein Fortbewegungsmittel für Weicheier empfänden. Räder ausleihen für ein paar Stunden oder Tage kann man bei Tolaris nicht, „die Nachfrage war zu gering“, so Henderkes.

Ein Tipp vom Experten? „Wer nicht möchte, muss nicht gleich ein neues E-Bike kaufen. Vorhandene Fahrräder lassen sich fast immer mit einem elektrischen Antrieb nachrüsten.

Weiter geht’s zu BOC (Bike& Outdoor Company) an der Schwerter Straße in Vorhalle. Filialleiter Simon Notthoff und sein Team arbeiten derzeit auf Hochtouren. „Natürlich verzeichnen auch wir eine deutlich höhere Nachfrage als im vergangenen Frühjahr“, erklärt Notthoff , wobei bei ihnen im Geschäft nicht nur der Verkauf von E-Bikes, sondern auch von konventionellen Fahrrädern zugenommen habe. „Viele unserer Kunden berichten uns, dass sie aufgrund stornierter Sommerurlaube die Umgebung mit dem Rad erkunden möchten“, so Notthoff.

Die Nachfrage nach einem Leihrad hat bei BOC stark zugenommen. Gerade Kunden, die länger nicht mehr mit dem Rad unterwegs waren, möchten nun testen, ob ein E-Bike etwas für sie ist. Interessierte können Räder zu einem geringen Betrag, der beim Kauf eines Rades verrechnet wird, im Laden ausleihen.

Was derzeit bei Kunden besonders hoch im Kurs steht? „Trapezräder und Tiefeinsteiger mit Nabenschaltung, aber auch Montainbikes“, so der Filialleiter.