Hagen. Corona reißt ein gewaltiges Loch in den Hagener Etat. Wie das aufgefangen werden soll, ist längst nicht abschließend geklärt. Hier die Details.

Die Liste mit den einzelnen Posten der Einnahmeverluste und Mehrausgaben ist lang – ebenso die Zahlenreihen vor dem Komma. „Eigentlich hatten wir mit einem guten Haushaltsjahr gerechnet“, blickt Kämmerer Christoph Gerbersmann mit ein wenig Wehmut auf seine ursprüngliche Etatplanung 2020, „doch Corona zieht uns jetzt die Füße weg“.

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Wie schmerzhaft der Sturz auf den harten Boden der Realität ausfällt, liegt für den Hagener Finanzdezernenten noch ein wenig im Nebel der finanzpolitischen Versprechungen von Bund und Land. „Wir können nur darauf hoffen, dass die Finanzlücke am Ende nicht in zweistelliger Millionen-Höhe ausfällt“, mahnt der Hüter der Hagener Kommunalfinanzen für diesen Fall schon heute weitere Hilfspakete an.

Dramatische Verluste zeichnen sich vor allem bei der Gewerbesteuer ab. Nach dem Einnahmerekord im Jahr 2019 hatte Gerbersmann für dieses Jahr bereits mit gebremster Euphorie lediglich noch mit 100 Millionen Euro aus den Kassen der ortsansässigen Betriebe gerechnet. Das war vor Corona. Aktuell stehen lediglich noch gut 60 Millionen Euro in Aussicht, und der Tiefpunkt ist noch nicht abzusehen. „Da die Auguren bei ihrer Aussage bleiben, dass der Corona-Einbruch noch gravierender ausfällt als bei der Finanzkrise, gehe ich lediglich von Gewerbesteuereinnahmen von 50 Millionen Euro aus – also Verluste von 50 Prozent.“ Hinzu kommt absehbar noch einmal ein Minus von sieben bis acht Prozent beim Einkommensteueranteil aus Landes- und Bundesmitteln, was für Hagen Verluste von weiteren 9,6 Millionen Euro bedeutet.

Minus von 72 Millionen Euro erwartet

Nicht bloß bei den Desinfektionsmitteln kostet die Corona-Pandemie die Stadt Millionen. Wie das alles aufgefangen werden soll ist längst noch nicht abschließend geklärt.
Nicht bloß bei den Desinfektionsmitteln kostet die Corona-Pandemie die Stadt Millionen. Wie das alles aufgefangen werden soll ist längst noch nicht abschließend geklärt. © WP | Michael Kleinrensing

Als weitere bittere Wahrheiten addieren sich: coronabedingte Mehrausgaben (1,2 Mio.), Vergnügungssteuerverluste (0,9 Mio.), Einbrüche bei den Kita-Einnahmen (0,8 Mio.), ein Anstieg bei den Sozialausgaben (1 Mio.), Minus bei den Gewerbesteuererstattungszinsen (0,7 Mio.), Einnahmeverluste beim Rettungsdienst (0,7 Mio.), Mehrausgaben bei den Kosten der Unterkunft (0,6 Mio./Tendenz steigend) sowie spürbare Einnahmeverluste bei Verkehrsbußgeldern (0,6 Mio.), im OGS-Bereich (0,5 Mio.), bei Kunst- und Kultur-Erlösen (0,3 Mio.) und Parkgebühren (0,2 Mio.).

Unter dem Strich erwartet der Hagener Kämmerer ein Minus von 72 Millionen Euro dem lediglich Einnahmeverbesserungen in ganz unterschiedlichen Bereichen von 28 Millionen Euro gegenüberstehen. Wesentlicher Posten dabei ist eine Sonderzuweisung aus dem mit 342 Millionen Euro gefüllten Stärkungspaktfonds des Landes, aus dem einmalig etwa 16,3 Millionen Euro nach Hagen fließen sollen. Für einen warmen Geldsegen dürfte zudem die Zusage des Bundes sorgen, künftig 75 Prozent (vorher 50 %) der Kosten der Unterkunft für Bezieher von Sozialleistungen zu übernehmen. Hier steht sogar eine strukturelle Entlastung von etwa 14 Millionen Euro im Raum.

„Es müssen aber dringend noch Modelle gefunden werden, wie die echten, coronabedingten Gewerbesteuerausfälle aufgefangen werden“, erwartet Gerbersmann hier eine faire Lösung für die von Bund und Land angekündigte Ausfallhilfe. „Und über die Einkommenssteuerausfälle redet überhaupt noch keiner. Da muss genau geguckt werden, wie die Kommunen am Ende dastehen. Wenn dort signifikante Lücken bleiben, muss das Land hier auch Antworten finden.“

Kämmerer will Bürger nicht belasten

Ebenso bei den alljährlichen Schlüsselzuweisungen des Landes für die Kommunen – hier dürften die Töpfe für 2021 nach dem Corona-Jahr auch nicht mehr allzu prall gefüllt sein: „Aber es darf auch nicht passieren, dass uns hier gleich wieder zweistellige Verluste drohen“, möchte der Finanzdezernent gar nicht erst in die Notlage geraten, durch Steuererhöhungen und weitere Spareinschnitte auf kommunaler Ebene die Bürger für die Folgen der Pandemie finanziell bluten zu lassen. Immerhin sei es Hagen zuletzt aus eigener Kraft gelungen, die Kassenkredite (städtischer Dispo) um etwa 200 Millionen Euro abzubauen und somit mit dem Minus unter die Milliardenschwelle zu rutschen.

Gleichzeitig betont Gerbersmann, dass die dringend überfällige Lösung der Altschuldensituation in den Nothaushaltskommunen die aktuellen Corona-Probleme hätte entschärfen können: „Wenn uns dieses Problem nicht weiterhin belasten würde, könnten wir auch einmal drei schlechtere Jahre abfedern. Aber diesen Spielraum haben wir jetzt leider nicht.“ Hier sieht der Kämmerer weiterhin die Düsseldorfer Landesregierung in der Pflicht.