Hagen. Der Hagener Rat fordert die Landesregierung auf, sich endlich der Altschuldenproblematik anzunehmen – auch ohne Beteiligung des Bundes.
Beim Thema Altschulden spricht die Hagener Politik mit einer Stimme und lässt mit ihren bohrenden Appellen nicht locker: In einer einstimmig verabschiedeten Resolution hat der Rat die NRW-Landesregierung von Ministerpräsident Armin Laschet erneut aufgefordert, mit der Stadt, aber auch den anderen Kommunen „in einen konstruktiven Dialog einzutreten und gemeinsam mit dem Bund weiterhin nach einer Lösung zu suchen“.
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Ohne eine finanzielle Unterstützung von Bund und Land bleibe der Abbau der Altschulden unmöglich, heißt es unter dem Eindruck der Corona-Pandemie in dem gemeinsamen Papier der Politik: „Eine weitere und damit noch höhere Verschuldung unserer Stadt wird die Ungleichheit zwischen verschuldeten und damit finanzschwachen und finanziell gut gestellten Kommunen noch mehr vertiefen. Das macht es Kommunalpolitik und Verwaltung noch schwerer, die verfassungsgemäße kommunale Selbstverwaltung in vollem Umfang wahrzunehmen und aus eigener Kraft notwendige Zukunftsinvestitionen zu tägigen.“ Hagens Chancen, den Standort attraktiver zu gestalten und den Strukturwandel angemessen zu bewältigen, würden damit zunehmend geschmälert.
Milliarden-Minus wächst wieder an
Dabei würdigt die Politik durchaus, dass der Bund angesichts der Corona-Situation und der Verabschiedung der Konjunkturpakete auch den Kommunen – beispielsweise durch einen Ausgleich der Gewerbesteuerausfälle – unter die Arme greife. Allerdings löse diese Unterstützung keineswegs die drückende Altschuldenproblematik. Immerhin steht Kämmerer Christoph Gerbersmann bei den Liquiditätskrediten (städtischer Dispo) trotz aller Sparbemühungen und der anhaltenden Niedrigzinsphase weiterhin mit etwa einer Milliarde Euro in der Kreide. Diese Situation dürfte sich trotz der Konsolidierungserfolge in der jüngsten Vergangenheit wieder drastisch verschärfen, da vermutlich nicht nur in diesem Jahr die so wichtigen Gewerbesteuereinnahmen in zweistelliger Millionenhöhe einbrechen.
Millionen-Entlastung bei Sozialleistungen
Die Stadt Hagen wird künftig um einen Millionen-Betrag entlastet: Im jüngsten Konjunkturpaket der CDU/SPD-Bundesregierung wurde vereinbart, dass Berlin dauerhaft 75 Prozent der Kosten der Unterkunft für Bezieher von Sozialleistungen übernimmt.
Jetzt kann konkret eingeschätzt werden, was das für die heimische Region bedeutet, betont der Hagener SPD-Bundestagsabgeordnete René Röspel: „Bisher hat sich der Bund mit knapp 50 Prozent beteiligt. Die Erhöhung des Bundesanteils um die Hälfte bedeutet für Hagen einen Entlastungseffekt von rund 13,9 Millionen Euro. Geld, das jetzt in andere wichtige Projekte für die Stadt investiert werden kann.“
Die SPD habe seit langem eine Entlastung der Kommunen von den Sozialausgaben gefordert, das sei aber bislang am Widerstand von CDU/CSU gescheitert.
„Eigentlich wollten wir auch, dass der Bund die Hälfte der Altschulden von den Kommunen übernimmt“, erinnert Röspel, „aber das war mit CDU und CSU bislang nicht machbar.“ Die Forderung sei damit aber „nicht erledigt, sondern nur zurückgestellt“, verspricht der Sozialdemokrat.
Bereits im Februar dieses Jahres hatte der Hagener Rat mit durchaus berechtigtem Optimismus mit einer Resolution die Bundes- und Landesregierung aufgefordert, angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen die historische Chance für einen kommunalen Schuldenschnitt zu ergreifen. Diese Zuversicht fußte seinerzeit auf Äußerungen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der entsprechende Mittel den Kommunen in Aussicht stellte. Parallel hatten auch die NRW-Koalitionäre aus dem CDU/FDP-Lager eine Lösung der Altschuldenproblematik versprochen. Laschet hatte gegenüber dem Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ sogar schriftlich signalisiert, dass sich das Land am Abbau der Kommunalschulden beteiligen werde.
Hagen nimmt NRW in die Pflicht
Obwohl sich zwischenzeitlich Bund und Länder nicht auf eine Entschuldungsperspektive für die notleidenden Kommunen verständigen konnten, möchten die Hagener Ratsparteien den Düsseldorfer Regierungschef gerne bei seinem Wort nehmen. Zumal auch seine Kommunalministerin Ina Scharrenbach die Bereitschaft der NRW-Landesregierung betont hatte, „einen substanziellen Beitrag zur Lösung der Altschuldenproblematik“ leisten zu wollen. Schließlich, so die Hagener Resolution, hätten Untersuchungen über die unterschiedlichen Lebensverhältnisse in Deutschland belegt, dass dafür die Schuldenlast der Kommunen ausschlaggebend sei.
Daher bleibe das Land aufgefordert, einen Altschuldenfonds aus NRW-Eigenmitteln aufzulegen, auch wenn ein bundesweiter Konsens nicht absehbar sei. „Nur so lassen sich die Lebensverhältnisse und -perspektiven in unserer Stadt gegenüber anderen nicht betroffenen Kommunen in Land und Bund dem Grundgesetz entsprechend wieder angleichen“, machen Sprecher aller Fraktionen deutlich, dass sie keinen anderen Ausweg mehr aus der Schuldenfalle sehen.