Hagen. Schäferhündin Luna erleidet jahrelang Schmerzen – bis das Tierheim Hagen sie rettet. Jetzt ist sie in Olsberg Zuhause. Das ist ihre Geschichte.


Luna fremdelt nicht. Mit ihrer Schnauze tippt sie Besucher zur Begrüßung feucht am Knie an. Schnüffelt entspannt. Schmiegt sich an die Beine von dem 10-jährigen Jarno, der auf der Bank im Garten sitzt. Voller Vertrauen – und das, obwohl die „alte Dame“, wie Michael Szlagowski und Carolin Rudolph sie liebevoll nennen, sehr viel Leid in ihrem Leben erfahren musste. Die Schäferhündin ist vom Tierheim Hagen nach jahrelangem Martyrium aus einem verwahrlosten Haushalt gerettet worden und hat in der Olsberger Familie ein neues Zuhause gefunden.

Eigentlich immer Katzenmama gewesen – bis Luna

Die Schäferhündin Luna mit ihrer neuen Familie: Carolin Rudolph, Jarno und Michael Szlagowski.
Die Schäferhündin Luna mit ihrer neuen Familie: Carolin Rudolph, Jarno und Michael Szlagowski. © WP | Jana Naima Schopper

Carolin Rudolph ist eigentlich Katzenmama. Schon seit 16 Jahren. Sie kommt ursprünglich aus Hagen und immer wieder verirrt sie sich noch auf die Seite des Tierschutzvereins dort. Im Dezember sieht sie Luna zum ersten Mal. „Sie ist mir irgendwie ins Auge gefallen und ich hab mir gedacht – armes Mäuschen. Damals hatte sie noch beide Ohren, aber wahnsinnig lange Krallen. Ich habe aber nur ihr Gesicht gesehen und mich direkt verknallt.“ Verzückt, sagt sie. Ende Januar sieht sie Luna ein weiteres Mal im Netz – dieses Mal schon mit einem Ohr weniger. Gemeinsam entscheiden Michael Szlagowski und Carolin Rudolph, Luna zu einem Teil ihrer Familie zu machen.

Sie nehmen sich Zeit – und entscheiden im Familienrat

Erst fährt Michael Szlagowski allein nach Hagen, um Luna kennenzulernen. Zwei Tage später fährt nur Carolin Rudolph. Erst nach einem langen Gespräch mit Michael Szlagowskis Sohn Jarno nehmen sie ihn mit. „Wir haben mit Jarno darüber gesprochen, dass wir einen kranken und alten Hund aufnehmen werden – der vielleicht nicht lange bei uns sein wird. Und Jarno hat nur gesagt: Egal.“ Sie fahren zwei, dreimal zusammen nach Hagen, gehen mit Luna spazieren. „Sie war sofort zutraulich“, sagt Michael Szlagowski. Der Familienrat tagt und entscheidet, Luna aufzunehmen. „Mit unserer 19-jährigen Katze und Luna haben wir so etwas wie ein Seniorenheim aufgemacht“, sagt Carolin Rudolph und lacht.

Acht Jahre mit Schmerzen gelebt

Schon beim ersten Besuch schlendert Luna durch das Schieferhäuschen der Familie, lässt sich nach einer Runde durch alle Räume in ihr neues Körbchen fallen. Zuhause. Luna ist aus einer Hagener Wohnung gerettet worden. Lebte jahrelang in nur einem Raum. Abgemagert. Einsam. Krank. „2012 ist ein Arztbesuch dokumentiert worden – da wurde eine massive Entzündung der Gehörgänge festgestellt. Wahrscheinlich hat sie diese acht Jahre lang mit massiven Schmerzen ertragen müssen, da der Besitzer nichts dagegen unternommen hat.“ Ein Paketbote wird schließlich misstrauisch, ruft den Tierschutzverein. Meldet Gestank, vielleicht hat er das Tier aber auch gesehen - in dem kleinen Raum.

Das Außenohr kann nicht erhalten werden

Luna ist sehr krank, als sie vom Amtstierarzt geholt wird, der vom Tierheim verständigt wurde. Nicht nur die Ohren sind entzündet. An Milz und Gesäugeleiste hat sie Tumore – gutartig. Operativ werden sie entfernt. Luna geht es sehr schlecht. Sie knapst an der Operation. Doch sie rappelt sich auf. Wenig später wird das erste Ohr entfernt. „Als Einohrhund haben wir sie dann kennengelernt“, sagt Carolin Rudolph. Anfang Mai wird das zweite Ohr entfernt, da lebt Luna schon längst in Olsberg. Fünfmal am Tag musste vor der OP das Ohr saubergemacht werden. Carolin Rudolph setzt sich dann neben das Körbchen, klopft auf den Boden bis Luna angetrottet kommt. „Sie hat das tapfer mitgemacht. Wir hatten gehofft, dass das Außenohr erhalten bleiben kann. Leider war das nicht möglich.“

Leckerchen zu essen muss sie erst lernen

17 Kilo hat Luna nur gewogen, nach der ersten OP. Gesund sind 30 Kilo für einen Schäferhund. „Dazu kommt, dass sie hochgradig allergisch auf Futter reagiert“, sagt Carolin Rudolph. Michael Szlagowski ergänzt: „Wahrscheinlich aber eher, weil sie jahrelang nur so wenig bekommen hat. Leckerchen zu bekommen und diese essen zu dürfen, das musste sie erst lernen.“

Sie muss vieles erst lernen. Spielen. Stöckchen werfen. Schlafen kann die Hündin nur mit Nachtlicht. Sie liebt es jetzt, im Garten der Familie zu liegen, den Nachbarskindern dabei zuzuschauen, wie sie mit dem Bobbycar den Hang hinunterrattern. Manchmal klettert sie abends auf den Schoß von Carolin Rudolph, schmiegt sich ein. „Als würde sie nicht mal eben 27 Kilo wiegen“, lacht sie.

Hunde können Luna nicht einschätzen

Hören kann Luna kaum. „Die Nachbarskinder kann sie manchmal verstehen, wenn da mal etwas weh tut und die beiden loslegen“, grinst Michael Szlagowski. Lautes Klatschen nimmt sie auch wahr. Alles anderes muss die Familie mit Handzeichen regeln. Hand runter heißt Sitz. Heranwinken Komm. Jarno hat ihr beigebracht, zu laufen wenn er den Arm ausstreckt. „Durch das Fehlen der Ohren hat sie Probleme mit anderen Hunden. Die Tiere können ohne aufgestellte Ohren nicht deuten, wie sie empfindet. Sie hat noch nie Kontakt mit anderen Hunden gehabt - im Spiel jedenfalls nicht. Sie weiß nicht, was ein wedelnder Schwanz bedeutet. Kann Knurren nicht hören“, sagt Carolin Rudolph.

Luna ist ein lieber Hund. Das sagen sie alle drei. „Ein bisschen wie eine Kreuzung aus Schaf, Labrador und Esel“, sagt Michael Szlagowski. Manchmal spielt sie wie ein Welpe. Michael Szlagowski sagt: „Sie ist ein ganz bezauberndes Wesen und bereichert unser Leben. Man kann sagen, sie hat uns komplett gemacht.“