Eppenhausen. Auch im Fachgeschäft von Fleischermeister Jörg Wittenstein in Hagen-Eppenhausen ist der Tönnies-Skandal ein Thema bei Mitarbeitern und Kunden.

Das Thema Corona-Massenausbruch im Fleischbetrieb Tönnies im ostwestfälischen Rheda-Wiedenbrück beschäftigt auch Jörg Wittenstein, seine Mitarbeiter wie auch seine Kunden täglich. „Über den unwürdigen Umgang mit Beschäftigten­, aber auch über die Haltung von Tieren und die Qualität beziehungsweise Minderwertigkeit von Fleisch wird derzeit vor und hinter der Theke viel gesprochen“, sagt der Fleischermeister. Qualität – ein Lieblingsbegriff von Jörg Wittenstein. Er hat das 1954 in Haspe gegründete Geschäft Wittenstein, das seit 1967 an der Eppenhauser Straße 84 ansässig ist, vor fast 30 Jahren von seinem Vater übernommen.

Kleinbetriebe keine Chance

Die Zustände bei Fleischverarbeiter Tönnies verärgern Jörg Wittenstein zwar, er wundert sich darüber aber nicht: „Kleinbetriebe haben einfach keine Chance mehr, nur Großbetriebe können heute noch überleben, alles wird zentralisiert“, kritisiert der 55-Jährige die Entwicklung in der Fleischbranche. Deshalb hätte­ auch vor Jahren der Hagener Schlachthof mit seinen einzelnen kleinen Betrieben dicht gemacht. „Die Verbraucher kaufen immer mehr und leider meist billiges Fleisch bei Discountern, dabei wäre es sinnvoller und gesünder, statt auf Quantität auf Qualität zu setzen.“

Aber Qualität hat ihren Preis. „Natürlich, muss sie auch haben, weil Fleisch von artgerecht gehaltenen Tieren einfach teuer ist. Ein gutes­, zerlegtes Rind kostet über 2000 Euro. Wenn die Leute einfach weniger, dafür aber besseres Fleisch kaufen würden, würde Fleisch mehr Wertschätzung erfahren und es würde weniger weggeworfen.“

Medikamentenfreies Fleisch

Ein Kilo Oberschale vom Bio-Rind – davon können zum Beispiel Rouladen hergestellt werden – kostet­ bei Wittenstein 27,90 Euro. „Und der Preis ist gerechtfertigt, da das Fleisch medikamentenfrei, das Rind nicht in Massenhaltung aufgezogen und der Kunde auf Wunsch gut rückverfolgen kann, wo das Tier gehalten worden ist“, unterstreicht Jörg Wittenstein. Außerdem würde das Fleisch, da es langsam gewachsen sei, in der Pfanne weit weniger schrumpfen als Fleisch von hormonbehandelten Tieren. Der vermeintlich hohe Kilopreis sei also relativ zu sehen.

In der modern ausgestatteten Wurstküche stellt Jörg Wittenstein auch Leberkäse selbst her.
In der modern ausgestatteten Wurstküche stellt Jörg Wittenstein auch Leberkäse selbst her. © WP | Kleinrensing

Sein Bio-Rindfleisch erhält der Metzgermeister von Biofleisch-NRW. „Einmal pro Jahr werden in Betrieben wie wir, die das Bio-Zertifikat tragen dürfen, spezielle Kontrollen­ durchgeführt. Eine Kontrolle kostet fast 500 Euro, das darf man als Fleischer auch nicht vergessen und unterschätzen“, so der 55-Jährige. Als Geschäftsmann verlasse er sich nicht rein auf Bio-Ware, sondern auch auf Fleisch aus der Region.

Schweinefleisch bezieht Jörg Wittenstein­ von Bauer Korte in Menden, „dort werden die Tiere sehr gut gehalten, bekommen Lavendelduschen und es riecht auf dem Gelände wie in einem Kräutergarten“, schwärmt der Fleischermeister. Geschlachtet und ausgeliefert werden die Schweine vom Betrieb Jedowski.

Medikamentenfreies Geflügel wie Maishähnchen bezieht Wittenstein bei Kikok, „Hähnchenbrustfilets laufen bei uns am besten“, sagt der Chef. Freiluftputen kauft er bei Meierhof in Rassfeld ein, „aus dem festen Putenfleisch kann man gut einen Braten machen, aus dem weicheren Hähnchenfleisch eher Schnitzel.“

Verkauf über die Ladentheke läuft in Corona-Zeiten gut

Die Corona-Zeit hat zwar das Catering­-Geschäft bei Jörg Wittenstein zum Erliegen gebracht, doch der Verkauf über die Ladentheke hat das Minus mehr als ausgeglichen, „viele Leute, die im Homeoffice waren, hatten einfach mehr Zeit und die haben sie zum Kochen oder Grillen genutzt.“ Und einige, die sonst mittags in einer Kantine essen würden, hätten sich von ihm Eintöpfe wie Chili con Carne oder Grünkohl nach Hause geholt.

Hundefutter oft teurer als Fleisch, das auf den Teller kommt

Ludgerus Niklas ist Geschäftsführer der Fleischer-Innung Westfalen-Mitte, die zur Kreishandwerkerschaft Dortmund zählt und Betriebe aus Hagen und Dortmund betreut. Auch Niklas bedauert die niedrige Wertschätzung von Fleisch: „Für Hundefutter zahlen viele Menschen mehr als für ihr eigenes Fleisch auf dem Teller.“

Vier Hagener Fleischereien sind Innungsmitglieder: Schnettler, Regenbogen, Wittenstein und Flügge. In Dortmund sind elf Betriebe der Innung angeschlossen.

Was Jörg Wittenstein wichtig ist? „Dass meine Kunden wissen, dass bei uns auch nur gutes Fleisch in der von uns selbst hergestellten Wurst, in Frikadellen oder im Leberkäse landet. Und dass wir so kalkulieren, dass wir kaum etwas wegwerfen.“