Hohenlimburg. Die 17-Jährige Gwana kam vor Jahren mit ihrer Familie von Syrien nach Hohenlimburg. Ausgegrenzt zu werden kennt sie seit ihrer Kindheit

Dass Rassismus nicht nur ein Thema in Amerika ist, sondern bis nach Hohenlimburg reichen kann, davon erzählen Menschen wie Gwana Hasso. Sie ist Schülerin, lebt in Hohenlimburg und hat zeitlebens nicht nur hier immer wieder Fremdenfeindlichkeit am eigenen Leib erfahren.

Die Anfänge in Syrien

Vor sechs Jahren floh die heute 17-Jährige mit der Familie aus ihrem Heimatland Syrien. Schon zuvor hat sie erste Erfahrungen mit Fremdenfeindlichkeit gemacht. ,,Meine Familie ist kurdisch, und Kurden werden von den Arabern in Syrien aufgrund der politischen Vorgeschichte stark benachteiligt. Man darf als Kurde zum Beispiel nicht alles studieren, und die kurdische Sprache ist an öffentlichen Orten verboten.“

Weil Gwanas Eltern politisch aktiv waren – ihre Mutter setzte sich stark für Frauenrechte ein – und der Zugang zu Bildung für kurdische Kinder in Syrien kaum noch gegeben war, hat die Familie nach einigen Jahren entschieden, zu einem Verwandten nach Deutschland zu flüchten. Bis dahin war es ihr kurdischer Ursprung, der den Rassismus begünstigt hat. Hier ist sie oft nur ,,eine Ausländerin“.

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Die Flucht nach Deutschland

Anfangs war die Schülerin selbst unsicher, konnte kaum Deutsch sprechen und fand nur schwer Anschluss zu den anderen Schülern an der Schule, an der sie zu Beginn in einer internationalen Förderklasse unterrichtet wurde. Später wechselte sie in eine Regelklasse auf das Gymnasium, wo sie in zwei Jahren ihr Abitur machen will.

„Es war seltsam, nicht mehr ,das Mädchen aus der internationalen Förderklasse’ zu sein und gemeinsam mit anderen Deutsch zu lernen. Die Kinder aus meiner neuen Klasse haben versucht, auf mich zuzugehen, aber ich habe damals noch nicht alles verstanden und hatte Angst, ausgelacht zu werden“, erzählt die Schülerin. Mittlerweile spricht sie sehr gut Deutsch, engagiert sich in der Schülervertretung und bei der Schülerzeitung des Gymnasiums. Doch Rassismus begleitet sie weiter.

Der Alltag als Fremde

,,Einmal stand ich an der Bushaltestelle, und eine ältere Dame hat mich von oben bis unten gemustert“, so die 17-Jährige. „Erst dachte ich, ich hätte etwas an meinen Klamotten, aber dann hat sie sich zu ihrem Mann umgedreht und gesagt, dass die Ausländer ihr Land zerstört hätten.“

Obwohl diese Aussage offensichtlich rassistisch ist, hat Gwana ein wenig Verständnis für diese Denkweise; denn wer selbst den Zweiten Weltkrieg miterlebt habe, fürchte sich womöglich mehr vor politischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Auch rassistisch motivierte Morde in den USA sind für die Jugendliche ein Zeichen dafür, dass es auf der Welt an Menschlichkeit fehle. ,,Fast jeder Schüler in fast jedem Land hat das Fach Geschichte in seinem Stundenplan stehen, aber kaum einer lernt daraus. Dabei zeigt uns jede einzelne Tat, dass es Rassismus gibt.“

Es seien aber nicht nur knappe Sprüche nebenher, die sich durch ihr Leben ziehen. Auch wichtige Entscheidungen wurden stark von ihrer Herkunft beeinträchtigt. So fiel es der Familie etwa lange schwer, eine eigene Wohnung in der Umgebung zu finden; deutsche Anwärter hätten einen deutlichen Vorteil gehabt.

Auch von Sexismus ist die 17-Jährige des Öfteren betroffen, etwa wenn sie davon erzählt, wie gerne sie Kraftsport macht: ,,Da kommt meist die überraschte Bemerkung, dass ich doch eine Frau sei – und auch das macht mich wütend.“ Die genaue Ursache von rassistischem und sexistischem Gedankengut kenne sie zwar nicht, Egoismus spiele ihrer Meinung nach aber eine große Rolle, denn ,,das Fremde“ erscheine erst einmal als schlecht.

Außerdem vermisst Gwana Hasso drei grundlegende Dinge: Liebe, Verständnis und Menschlichkeit. „Wenn die Menschen – egal, wer und wo – sich häufiger in die Lage anderer hineinversetzen würden, dann wäre die Welt ganz anders. Ich glaube, sie wäre um einiges besser.“

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Die öffentliche Debatte

Deshalb begrüßt sie die öffentliche Debatte, die der Tod des farbigen George Floyd durch Polizisten in Amerika angestoßen hat. Sich zu informieren, ehrlich über eigene Vorurteile und Gefühle nachzudenken und daran zu arbeiten, sei der erste Schritt in die richtige Richtung und hin zu wirklicher Veränderung. Auf diese bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus sollten allerdings auch Taten folgen, meint die 17-Jährige. ,,Die Proteste in den USA sind ein erstes Zeichen für einen aktiven Kampf gegen Rassismus und die Bereitschaft, etwas an sich selbst zu verändern. Ich hoffe sehr, dass dieser Lernprozess nicht in ein paar Monaten endet und die Lektionen, die wir daraus jetzt lernen, nicht einfach vergessen werden.“

Der Wunsch für die Zukunft

Unabhängig, ob es sich um Rassismus, Sexismus oder andere Formen von Feindlichkeit handelt: Ein Wunsch der Schülerin ist es, dass alle Menschen häufiger füreinander einstehen und sich gegenseitig verteidigen, wenn sie – verbal oder körperlich – angegriffen werden. ,,Man sollte keine Angst davor haben, dass man Opfer von Vorurteilen oder sogar körperlicher Gewalt wird, wenn man sich für andere einsetzt, denn davor ist niemand wirklich sicher. Oft reicht es schon, eine Frage zu stellen und dadurch zum Nachdenken anzuregen oder die Menschen zu ein wenig mehr Empathie und Menschlichkeit aufzurufen.“