Hagen. Jeder zweite Schulabgänger in Hagen weiß nicht, wie es ab August für ihn weitergeht. Die konzertierte Aktion „1500 Chancen“ soll helfen.

Die Lage ist brisant: Jeder zweite Schulabgänger weiß nicht, wie es ab August für ihn weitergeht. Konkret: Von den ca. 2500 Hagener Schulabgängern (ca. 5000 in der Region) hat die Hälfte keinen Ausbildungsvertrag unterschrieben, sich um keinen Studienplatz bemüht und sich auch an keinem Berufskolleg angemeldet.

Einer der Gründe liegt auf der Hand: Während der Coronazeit waren die Schulen geschlossen, die Jugendlichen also „nicht greifbar“. Von Lehrerseite konnte ihnen die Dringlichkeit, sich um ihre berufliche Zukunft zu kümmern, nicht vermittelt werden. Um die derzeit noch immer unversorgten Schulabsolventen zu erreichen, haben die Spitzen der Stadt Hagen, der Agentur für Arbeit, der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) und der Kreishandwerkerschaft die konzertierte Aktion „1500 Chancen“ auf den Weg gebracht und dazu eine gemeinsame Plattform gegründet.

1500 Ausbildungsstellen in der Region sind unbesetzt

Was sich dahinter verbirgt? In der Region sind derzeit noch 1500 Ausbildungsstellen unbesetzt. Viele Unternehmen engagieren sich trotz der Pandemie für die duale Ausbildung. Interessierte können sich mit einem Klick online auf www.1500chancen.de über freie Ausbildungsstellen informieren.

Dr. Michael Plohmann appelliert an junge Leute, jetzt aktiv zu werden: „Gerade im Handwerk gibt es noch eine Menge offener Stellen – ob bei Bäckern, Metzgern oder Dachdeckern.“ Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft spricht Tacheles: „Die jahrelange gesellschaftliche Fehlentwicklung kommt jetzt zum Tragen. Eine solide, duale Ausbildung hatten viele doch gar nicht mehr auf dem Schirm, es zählte lange Zeit bei vielen nur noch ein Studium.“

In normalen Jahren lägen der Kreishandwerkschaft im Frühsommer etwa 500 neu abgeschlossene Lehrverträge vor, in diesem Jahr sehe es düster aus: „Gerade einmal 153 unterschriebene Ausbildungsverträge sind bis jetzt bei uns eingegangen, das sind viel zu wenige.“

Hohe Ausbildungsbereitschaft der heimischen Wirtschaft

Auch Katja Heck sieht einerseits die hohe Ausbildungsbereitschaft der heimischen Wirtschaft, andererseits die große Zahl jener Jugendlicher, die in puncto Zukunft nicht versorgt sind. „Etliche junge Leute haben sonst nach der Schule ein Freiwilliges soziales Jahr angeschlossen, ein Praktikum absolviert oder ein Auslandsjahr eingelegt. Aber durch Corona fällt das alles weg, ist derzeit nicht oder nur sehr schwer durchführbar“, so die Vorsitzende der Geschäftsführung der Hagener Agentur für Arbeit.

Besonders gute Chancen für Schulabgänger sieht Katja Heck im Büro, im Gesundheitsbereich, im Handel sowie im Handwerk. Die Agentur für Arbeit bietet Schulabgängern auch einen kostenlosen Bewerbungsunterlagen-Check an.

Aufgrund der Pandemie sind die in den Vorjahren gut besuchte Ausbildungsmesse sowie der Berufsschultag abgesagt worden. Jene Jugendliche, die noch ein wenig orientierungslos sind, können persönliche Termine bei Ausbildungsberatern vereinbaren. Außerdem helfen die Berater auf Wunsch auch bei der Erstellung der Bewerbungsunterlagen und vermitteln Kontakte zu suchenden Ausbildungsbetrieben.

Jugendliche hatten in Coronazeit etliche andere Probleme

Viele Schulabsolventen hatten in der Coronazeit andere Probleme, und die Suche nach einer Ausbildungsstelle stand nicht ganz oben auf ihrer To-do-Liste.

Die Partner der Aktion „1500 Chancen“ sind darüber nicht verwundert, „denn wer denkt schon einen Schritt weiter an einen möglichen Beruf, wenn er nicht mal sicher sein kann, ob und wann Klausuren geschrieben werden können und wie der Schulabschluss überhaupt zustande kommt.

Das komplette Beratungs- und Informationsprogramm finden Interessierte online unter www.1500chancen.de

Offiziell startet das Ausbildungsjahr 2020 Anfang August, „doch es ist für junge Leute noch nicht zu spät, sich zu bewerben“, versichert SIHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Ralf Geruschkat.

Auch Erik O. Schulz unterstützt die konzertierte Aktion „1500 Chancen“. „Nach einem Bericht des regionalen Ausbildungskonsens war ich schockiert“, sagt Hagens Oberbürgermeister, „jeder zweite Schulabgänger ist für uns nicht sichtbar und somit nicht erreichbar.“

Was die Aktionspartner verbindet? Sie appellieren allesamt an Eltern, sich mit ihren die Schule verlassenden Kindern über deren berufliche Zukunft auseinanderzusetzen, „einige Kinder brauchen einfach einen kleinen Stupser.“