Tücking. War es derselbe Hund, der am Römershof und nahe des Ruheforstes zwei Ricken gehetzt und gerissen hat? Beide Tiere hatten Kitze im Bauch.
Der Anblick war so fürchterlich, dass selbst so gestandene Jäger wie Matthias Blankenagel und Peter Ferdin vor Entsetzen zurück taumelten. Im Bauch des fürchterlich zugerichteten Rehs befanden sich zwei ungeborene Kitze – tot wie ihre Mutter. Mit den Zwillingen im Bauch hatte die schwerfällige Ricke keine Chance, dem Hund, der ihr an die Kehle gesprungen sein muss, zu entkommen. „Das war absolut grenzwertig, ich konnte mir das kaum angucken“, sagt Jagdaufseher Ferdin.
Dass es ein großer Hund gewesen sein muss, der das trächtige Reh anfiel und zerriss, daran hegt auch Revierinhaber Blankenagel keinen Zweifel. Wölfe und Luchse gibt es nicht in Hagen, Füchse sind zu klein und schwach, um ein ausgewachsenes Reh zu erlegen. Außerdem wurde den beiden Jägern nur elf Tage später erneut ein totes, übel zugerichtetes Reh gemeldet.
Und tatsächlich fanden sie unweit der Grenze zum Ruheforst erneut den angefressenen Kadaver einer Ricke. Wieder mit dickem Bauch und angeschwollenem Gesäuge. Wieder mit einem Kitz im Leib. „Das hat unsere Jägerseele überkochen lassen“, sagt Blankenagel. Diesmal ließen sie den Bauch ungeöffnet, ein zweites Mal wollten sie sich den Anblick ersparen.
Wildernde Hunde in den Wäldern haben zuletzt immer wieder für Aufregung gesorgt. Im Frühjahr werden tragende Muttertiere leicht zur Beute, da sie auf Grund ihrer Körperfülle in ihrer Beweglichkeit und Ausdauer eingeschränkt sind. Zwar gibt es keine Statistik darüber, wie viele Rehe und anderes Wild gerissen werden, doch der Jagdbeirat der Stadt schlug bereits 2016 Alarm und appelliert in schöner Regelmäßigkeit an alle Hundebesitzer, die Regeln für das Führen von Hunden in Wald und Feld zu beachten.
So müssen Hunde außerhalb von Wegen angeleint sein und derart beaufsichtigt werden, dass von ihnen keine Gefahr für Leben oder Gesundheit der Wildtiere ausgeht. Doch Matthias Blankenagel und Peter Ferdin haben genau den gegenteiligen Eindruck. „Viele Menschen verhalten sich der Natur gegenüber vollkommen ignorant, das Wild wird dauernd beunruhigt und kann sich gar nicht mehr zurückziehen.“ Die Wälder auf dem Tücking kennen beide seit ihrer Kindheit; wildernde Hunde habe es immer mal gegeben, doch das Problem habe sich in den letzten Jahren verschärft. Aber dass innerhalb von elf Tagen zwei trächtige Rehe gerissen werden, das sei denn doch noch nie da gewesen.
Botschaft an die Bevölkerung
Den beiden Jägern ist daran gelegen, die Bevölkerung zu sensibilisieren. „Es geht nicht um die Jagd, es geht um den Tierschutz“, betont Blankenagel. Wer im Wald unterwegs sei, solle die Wege nicht verlassen, Hundebesitzer müssten unbedingt darauf achten, dass sie ihre Vierbeiner unter Kontrolle behielten. Obwohl sie das Recht hätten, wildernde Hunde zu erlegen, distanzieren sich Blankenagel und Ferdin ganz bewusst davon: „Wir schießen ganz sicher keinen Hund ab“, sagt Ferdin: „Er gehört vielleicht zu einer Familie mit Kindern. Nein, was man damit anrichten könnte. . .“