Hagen. Trotz der Coronakrise scheint es bislang nicht mehr Gewalt in den Familien zu geben. Die Stadt Hagen beobachtet ein geändertes Meldeverhalten.

In Hagen hat es „glücklicherweise“, so Jugendamtsleiter Reinhard Goldbach, seit Start der Coronakrise keinen Anstieg der Fallzahlen im Bereich häuslicher Gewalt gegeben. „Es gibt keine belastbaren Zahlen, die auf eine verschärfte Situation hindeuten.“ Zwar gebe es durch die Schließungen der Schulen oder Kitas ein geändertes Meldeverhalten - „uns erreichen mehr private Meldungen aus dem häuslichen Umfeld, also von Nachbarn, Familienmitgliedern oder Bekannten, als zuvor.“

Ob es aber eine hohe Dunkelziffer gibt, weil die Erzieher und Betreuer in der Coronazeit als Ansprechpartner wegfielen, könne man derzeit nicht sagen. „Wir wissen es nicht.“ Bislang gehe man also davon aus, dass sich die Situation nicht, wie zunächst angenommen, drastisch verschlechtert habe. „Wir sind aber auch vorbereitet für den Fall, dass mit der normalen Öffnung der Einrichtungen die Meldungen wieder stark steigen sollten.“

312 Meldungen in diesem Jahr

Für das Jahr 2020 gibt es in Hagen bislang 312 Meldungen von Kindeswohlgefährdungen (Stichtag 22. April). Seit dem 16. März zählte die Stadt 83 Meldungen. Der statistische Mittelwert zeige in diesem Zeitraum keinen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings sei ein minimaler Anstieg von 3,2 Prozent (10 Fälle), für den Zeitraum von Januar bis April zu verzeichnen. „Aus fachlicher Einschätzung kann diese minimale Steigung mit den natürlichen Wellenbewegungen im Meldebereich erklärt werden“, so die Stadt.

Wichtig ist Jugendamtsleiter Goldbach, „dass wir die Hilfsangebote trotz der Krise nicht verringert haben.“ Die Mitarbeiter hätten, unter Beachtung der Hygiene- und Schutzmaßnahmen, „die Beratung und Hilfe im Bereich des Kindsschutzes weiter gewährleistet.“ Ambulante Hagener Träger konnten in ihrer Arbeit mit Familien, Kindern und Jugendlichen arbeitsfähig bleiben, „da eine Weiterfinanzierung ermöglicht wurde.“ Ferner sei die Online-Beratung ausgebaut worden.

Flucht von Frauen häufig anonym

Aus fachlicher Einschätzung sei das Hagener Helfersystem effizient ausgestattet, um Gewalttaten vorzubeugen. „Hier kann auf die frühen Hilfen, die Familienberatungszentren, die Schulsozialarbeit, dem Fachdienst für Prävention und Sozialraummanagement, welcher ebenfalls an Grundschulen beratend tätig ist, sowie allen Angeboten der erzieherischen Hilfen, im Besonderen Jugendhilfe an Schulen, verwiesen werden.“

Hinsichtlich der Anzahl von Gewalttätigkeit, die zur Flucht von Frauen mit Kindern in das Frauenhaus führen, könne derzeit „keine qualifizierte Stellungnahme abgegeben werden“. Zum einen bleibt die Flucht von Frauen mit Kindern häufig anonym „und wird somit auch nicht statistisch erfasst.“ Bedeutsamer sei allerdings, dass Frauen mit Kindern in der Regel nicht in ein Frauenhaus im direkten Umfeld flüchten und somit „bei einer Anfrage im Hagener Frauenhaus aller Wahrscheinlichkeit nach ein sehr geringer Anteil an Hagener Frauen mit Kindern festgestellt werden würde.“