Vorhalle. Das Vorhaller Forum ist Geschichte. Jetzt geht die Gruppe „Lebendiges Vorhalle“ an den Start. Es geht um Stadtteilentwicklung im Kleinen.

Genau 10.251 Menschen leben in Vorhalle, einem Stadtteil der in den Gefühlen seiner Einwohner oft ein Dörfchen-Dasein zwischen Hagen und Wetter fristet. Das fängt für viele schon damit an, dass nach dem Vorhaller Kreisel ein riesiges Auf-Wiedersehen-Schild, die Menschen aus Hagen verabschiedet. Dabei fängt genau da Vorhalle an. Nachdem unsere Zeitung in den vergangenen Jahren oft über den Zerfall von Infrastruktur, über verpasste Chancen, Leerstände und das Gefühl des Abgehängt-Seins berichtet hat, gibt es in diesen Tagen auch ganz andere Töne aus dem Nordwesten der Stadt zu hören. Von Zusammenhalt und einem zukunftsgerichteten Blick.

Am Ehrenmal wurden Spender für Hundekot-Beutel aufgestellt.
Am Ehrenmal wurden Spender für Hundekot-Beutel aufgestellt. © Mike Fiebig

Sybille Klos-Eckermann und Marianne Kerpal haben, ohne viel Pathos, in Vorhalle eine Ära der Bürgerbeteiligung geprägt. 24 Jahre lang gehörten sie zu den Gesichtern des Vorhaller Forums, das es jetzt nicht mehr geben wird. Das Forum wurde 1996 mit dem Ziel gegründet, Transparenz über die Entwicklungen im Stadtteil herzustellen und Verbänden und Institutionen, aber auch engagierten Bürgern in Vorhalle die Möglichkeit zu geben, sich aktiv in Prozesse einzubringen. Es war unpolitisch und keiner Partei zugewandt. Keimzelle des Forums war das Programm „Stadtteil mit besonderem Erneuerungsbedarf“, das heute unter dem Titel „Soziale Stadt“ bekannt ist.

Ortskern hat sich gewandelt

Wer behauptet, dass in diesen 24 Jahren in Vorhalle nichts geschehen sei, liegt falsch. Gerade der Umbau des Ortskerns mit Europaplatz, Stadtteilhaus und dem Park rund um das Ehrenmal hat die Aufenthaltsqualität im Stadtteil, der durch seine lange Eisenbahner-Tradition bis heute geprägt ist, extrem erhöht. Wohn-Leerstand erlebt der Stadtteil kaum, wenn es denn hier an etwas mangelt, ist es Bauland, um Nachfolge-Generationen die Möglichkeit zu bieten, in Vorhalle zu bleiben. Nachverdichtungen sind aber kaum möglich.

21 Prozent der Vorhaller Bevölkerung besteht zudem aus Ausländern. Viele von ihnen beispielsweise Türken in bereits dritter Generation. Die Verbundenheit zu Vorhalle ist hier hoch. Das prägt das Stadtteilbild bis heute. Integration gehört in Vorhalle nicht zu den großen Problemen.

Pflanzkübel für „Urban Gardening“ sind ein erstes sichtbares Ergebnis der Gruppe „Lebendiges Vorhalle“
Pflanzkübel für „Urban Gardening“ sind ein erstes sichtbares Ergebnis der Gruppe „Lebendiges Vorhalle“ © Mike Fiebig

Tina Kramps benutzt zwei starke Wörter, wenn sie über Vorhalle spricht: lebenswert und lebendig. An einem sonnigen Tag steht sie mit Mitstreiterin Joana Seyffert und Sybille Klos-Eckermann und Marianne Kerpal vor einem Pflanzkübel am Vorhaller Ehrenmal. Wenige Meter weiter hängt ein Hundekotbeutel-Spender. In einem alten auf der Seite liegenden Treckerreifen wurden Blümchen gesetzt und der neue Betreiber vom Büdchen am Europaplatz hat sich der Pflanz-Aktion gleich angeschlossen. Unter dem Titel „Lebendiges Vorhalle“ hat sich eine Gruppe von engagierten Bürgern um Tina Kramps zusammengefunden, die den Stadtteil Vorhalle neu beleben möchte. Das Motto: „Machen statt meckern“.

Das erwähnte „Urban Gardening“ am Ehrenmal und die Beutel-Spender sind ein erstes Ergebnis davon. Ein öffentlicher Bücherschrank soll das nächste sein. „Weitere Ideen sind in Planung“, sagt Tina Kramps. 30 Leute haben sich der Gruppe bereits angeschlossen. Tendenz: wachsend. Ziel sind keine Ortsumgehung, Bauflächen oder Einkaufszentren, sondern punktuelle Verbesserungen, Verschönerungen und Impulse für noch mehr Wohlfühl-Gefühl.

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Große Themen drücken seit Jahren und sind ungelöst

Das ist bestes bürgerschaftliches Engagement vor der eigenen Haustür, aber auch im Schatten großer Themen, die Vorhalle seit Jahren bewegen und die niemand in den vergangenen 15 Jahren zielführend gelöst hat. Eines davon ist das Thema Lärm durch Züge und durch die Autobahn 1, die den Stadtteil durchfährt. Protest-Bewegungen gibt es seit Jahren, lokalpolitische Unterstützer auch immer wieder. Aber die großen Würfe auf landes- oder Bundesebene gelingen nicht. Auch ein Problem der fehlenden Quartierslobby innerhalb der eigenen Stadt? Es gibt nicht wenige in Vorhalle, die das behaupten. Im 62 Köpfe großen Hagener Rat sitzen mit Martin Stange (SPD) und Stefan Ciupka (CDU) nur zwei Mitglieder, die aus Vorhalle stammen.

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Klare Botschaft: Es macht Spaß in Vorhalle zu leben

Marianne Kerpal und Sybille-Klo-Eckermann geben den Staffelstab weiter. „Wir stehen ja für eine andere Zeit, das wissen wir auch“, sagt Kerpal. Man habe sich zuletzt auch immer ein bisschen um sich selbst gedreht und letztlich könnten 70-Jährige auch nicht mehr viel über die Befindlichkeiten von 40- oder 50-Jährigen sagen. „Das ist doch auch ganz normal. Es sind jetzt neue Zeiten. Wir haben versucht, Vorhalle etwas zu geben und jetzt müssen neue Generationen ihren Weg gehen.“ Tina Kramps und ihre Mitstreiter nehmen das gerne an. „Ich will neben allen Projekten und Ideen auch einfach mal die Botschaft senden, dass es schön ist in Vorhalle. Und das es viel Spaß macht, hier zu leben“, sagt Kramps.