Halden. Nach dem Corona-Schock setzt das Tagungshotel „Arcadeon“ auf den Neustart – noch liegt das Seminargeschäft komplett am Boden.
Früher Nachmittag mitten in der Woche vor dem Arcadeon: Normalerweise ist um diese Tageszeit vor dem renommierten Hagener Tagungshotel kein Parkplatz zu bekommen. Doch heute finden sich reichlich Stellplätze sogar direkt vor der Eingangspforte. Ein Alarmsignal: In Corona-Zeiten haben Gastronomie- und Hotelbetriebe vor allem eines – Kapazitäten frei.
Bereits wenige Tage nach dem Lockdown hat die Stadtredaktion Hagen versucht, den Kontakt zu Jörg Bachmann aufzunehmen, um sich nach der Situation des Hauses zu erkundigen. Der Geschäftsführer des Arcadeons hatte Mitte März allerdings keine Zeit für ein Interview – und vermutlich auch nicht den Nerv. Gemeinsam mit seinem Team musste er die Katastrophe managen: „Wir befanden uns damals im freien Fall. Für uns war der 16. März quasi ein Berufsverbot. Wir sind in die Trümmer gestürzt, die diese Pandemie uns beschert hat. Sich nur einmal zu schütteln, reichte damals nicht aus. Aber heute bin ich gelassener“, versichert der 55-Jährige. „Denn ich kann ja nichts dafür. Ich kann bloß versuchen, das Beste daraus zu machen und pointiert zu handeln.“
Kontakt zum Team wird gehalten
Seit Wochenbeginn darf das Haus in Halden wieder öffnen. Mit einer Rumpftruppe versucht Bachmann, ein Stück Normalität zurückzuholen. 47 Mitarbeiter hat er im März in die Kurzarbeit Null geschickt. „Seitdem versuchen wir, den Kontakt zum Team konsequent mit Videos, E-Mails, WhatsApps und Telefonaten zu halten. Unsere Angestellten sind immer auf dem Laufenden, was sich im Haus tut. So erfahren sie auch schon mal, wenn überraschend ein Stammkunde vorbeischaut und zum Trost einen Kuchen mitbringt. Es ist ganz wichtig, dass unsere Leute den Anschluss zum Haus behalten“, pflegt Bachmann diesen Kontakt ganz bewusst.
Die aktuellen Lockerungen machen es möglich, den Betrieb wieder aufzunehmen. „Aber es gibt keine Buchungslage“, beschreibt der Herr des Hauses die deprimierende Situation. Die Geschäftsreisenden, die spontan für eine Übernachtung einen Zwischenstopp einlegen, lassen sich an einer Hand abzählen. „Nachdem zu Beginn der Krise die Stornierungen wie ein Trommelfeuer in den Buchungscomputer hagelten, laufen die Absagen inzwischen wochenweise. Gerade werden die Termine Ende Juni alle abgesagt“, erzählt Bachmann.
Corona platzt in die Hochsaison
„Bis Oktober haben wir keine neuen Anfragen – das sind Umsätze, die man auch nicht mehr nachholen kann. Für uns kam Corona mitten in die Hochsaison. Die Wochen zwischen Rosenmontag und der Karwoche sind für uns der Siedepunkt des Jahres. Dann läuft das Seminar- und Tagungsgeschäft, das etwa 75 Prozent des Umsatzes ausmacht, auf Hochtouren. Und es gibt obendrein schon die ersten Familienfeiern.“ Doch der Arcadeon-Chef weiß, dass diese Zeiten so schnell nicht zurückkehren. Sein Haus schlittert vom Lockdown der Corona-Krise direkt in die Sommerpause, da das touristische Geschäft mit klassischen Urlaubern im Lennetal üblicherweise nur eine nachgeordnete Rolle spielt.
Wie es im Herbst weitergehen kann, vermag Bachmann nicht zu überblicken. „Natürlich hoffen wir darauf, dass es nach der Ferienzeit in den Unternehmen eventuell eine Neuorientierung gibt. Dann wäre natürlich eine leichte Herbstbelebung möglich“, bleibt er optimistisch, dann zumindest keine weiteren Verluste mehr einzufahren. Im Jahr 2019 hatte das Arcadeon noch das beste Ergebnis aller Zeiten erwirtschaftet: „Wir haben einen sehr schönen sechsstelligen Betrag verdient.“ Doch schon heute ist absehbar, dass es in diesem Jahr Verluste in hoher sechsstelliger Höhe geben wird.
Waren aus Kühlhäusern verschenkt
Direkt nach dem Lockdown hat Bachmann einen Liquiditätsplan für das Jahr 2020 aufgestellt, sich auf den Weg zur Bank gemacht und dort ungeschminkt die Situation dargelegt. „Es nützt ja nichts, wenn man sich in dieser Situation etwas vormacht. Noch am gleichen Tag hat die Küche ihre vier großen Kühlhäuser, die in der Hochsaison naturgemäß bis zum Anschlag voll waren, leergeräumt und den Inhalt zum Warenkorb der Caritas gebracht.“
Seit dieser Woche hat das Restaurant des Tagungshotels wieder geöffnet. Doch bislang kleckern die Besucher nur sporadisch durch die Tür. Von den 194 Plätzen sind durch die Corona-Auflagen gerade noch 48 verblieben. Dabei kann Bachmann durchaus nachvollziehen, dass die Leidenschaft der Gäste begrenzt ist, wenn man schon mit einem Mundschutz zum Tisch geführt wird. Per QR-Code lässt sich mit dem Smartphone völlig kontaktfrei die Speisenkarte herunterladen – schöne neue Welt.
Marktbereinigung erwartet
„Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass kulinarische Abwechslung in den nächsten Wochen und Monaten auch immer etwas mit Hygieneregeln zu tun hat.“ Dabei ist Bachmann durchaus überzeugt, dass diese Restriktionen richtig sind. „Eine zweite Runde eines Lockdowns darf es nicht geben, wir dürfen das nicht noch einmal erleben“, geht Bachmann heute schon davon aus, dass es im Segment der Tagungshotels eine Reihe von Insolvenzen und somit eine Marktbereinigung geben wird. Dabei macht er sich um sein eigenes Haus weniger Sorgen: „Wir haben eine super Reputation und eine große Stammkundschaft.“
Doch in diesen Tagen zählen zunächst einmal die kleinen Schritte. Die großen Online-Buchungsportale der Hotelbranche erwarten, dass die Übernachtungspreise zunächst einmal sinken, weil die Häuser um Gäste buhlen. Bachmann rätselt noch, wie das möglich sein soll. Allein die Tatsache, dass im Restaurant keine Buffets mehr erlaubt sind, sondern sämtliche Gerichte am Tisch serviert werden müssen, erhöht den Personalaufwand und somit die Kosten. Hinzu kommt, dass weniger Plätze angeboten werden können und Mehrkosten für Hygienemaßnahmen anfallen. Wie die gesamte Gastronomiebranche muss auch das Arcadeon sich in Corona-Zeiten an der Quadratur des Kreises versuchen. Eine Herkulesaufgabe, die noch längst keine schwarzen Zahlen am Horizont erkennen lässt.
Durchstarten ins digitale Seminarzeitalter
Jörg Bachmann nutzt die aktuelle Flaute in der Branche, um sich konzeptionell auf die Nach-Corona-Ära vorzubereiten. Nachdem sich das Haus zuletzt bereits gehäutet und neu erfunden hat, machte es für den Arcadeon-Geschäftsführer überhaupt keinen Sinn, erneut ans Ausmisten oder an einen neuen Anstrich zu denken, um die Krisen-Wochen sinnvoll zu überbrücken.
Mit seinen „Transforming Rooms“ und den geschaffenen Emotionswelten im Haus hatte Bachmann zuletzt bundesweit Aufsehen erregt und Preise abgeräumt und somit in der Branche auch eine anerkannte Spitzenposition erobert.
Diese will er jetzt untermauern, indem er die Digitalisierung offensiv als weiteres Standbein seines Hauses ausbaut. „Das wird ein Ergebnis dieser Krise sein – die Unternehmen werden alle erkennen, dass sie die Digitalisierung vorantreiben müssen, um zukunftsfähig zu sein.“ Diese Erkenntnis werde sich auch im Tagungs- und Seminar-Segment durchsetzen, ist Bachmann überzeugt.
Zusammen mit einem Technik-Partner setzt er auf die Karte, dass Seminarleiter, Coaches und Trainer in Zukunft ihre Module konsequent auf das Digitalgeschäft umswitchen werden. „Wir wollen als Partner für diese digitalen Lehrmethoden den Anbietern zur Seite stehen.“
So geht Bachmann davon aus, dass Trainer künftig bundesweit auf digitalen Wegen ihre Lerngruppen mit Input füttern werden. „Der Frontalunterricht ist ja schon heute nicht mehr angesagt“, weiß Bachmann, „die Gruppenarbeit wird längst vom digitalen Austausch mitbestimmt.“ Jüngere Trainer-Generationen drängen nach und setzen als Seminarleiter schon voll auf das Digitalgeschäft.
Sorge, damit sich selbst als Tagungshotel abzuschaffen, hat Bachmann nicht. „Lerngruppen werden auch in Zukunft an angenehm gestalteten Orten zusammenkommen, um sich auszutauschen, und es wird auch weiterhin den Business-Transfer Face-to-Face geben. Dies alles wird sich durch das digitale Tagungs- und Seminargeschäft nicht erledigt haben. Wichtig wird aber, dass Häuser beides anbieten können – analog und digital“, ist Bachmann überzeugt.