Hagen. Der Streit um die korrekte Tragweise zeitweise nicht benötigter Corona-Schutzmasken endete beim HEB jetzt vor dem Arbeitsgericht.
Ungewöhnlicher Prozess vor dem Arbeitsgericht: Müssen Hagens Müllmänner, wenn sie ihre Corona-Schutzmasken nicht vor Mund und Nase tragen, diese ständig einsatzbereit um den Hals baumeln lassen?
Im Eilverfahren musste jetzt die 1. Kammer unter Vorsitz von Richterin Dorothea Vincetic diese Streitfrage klären. Der Betriebsrat des HEB hatte den Erlass einer Einstweiligen Verfügung beantragt. (Az. 1 BVGa 3/20).
Ab Mittwoch geänderte Betriebsanweisung
Der Hagener Entsorgungsbetrieb (HEB) ist ein kommunales Tochterunternehmen der Stadt an zwei Standorten: dem Hauptsitz an der Fuhrparkstraße und der Müllverbrennungsanlage am Pfannenofen. Dort werden jährlich 120.000 Tonnen Abfall verbrannt. Seit Dezember ist Uwe Unterseher-Herold (55) als neuer HEB-Geschäftsführer im Amt.
Der vor dem Arbeitsgericht erzielte Vergleich ist ab sofort, aber trotzdem nur kurzzeitig gültig: Bereits am kommenden Mittwoch wollen sich die HEB-Geschäftsführung und der HEB-Betriebsrat mit dessen Vorsitzenden René Langenohl zusammensetzen, um die Betriebsanweisung nach der Kritik aus der Belegschaft entsprechend anzupassen.
Beim Hagener Entsorgungsbetrieb, kurz „HEB“ genannt, sorgt man sich in Zeiten besonderer Virusgefahr um das gesundheitliche Wohl seiner Mitarbeiter: Dort wurde am 9. April eine schriftliche Betriebsanweisung mit dem sperrigen Titel „Coronavirus SARS-CoV-2-Risikogruppe 3“ ausgehängt.
Arbeitsrechtliche Konsequenzen
Auf 39 kleingedruckten Textzeilen, die mit der eindringlichen Warnung enden „möglich sind schwere Erkrankungen oder der Tod!“, weist HEB-Geschäftsführer Uwe Unterseher-Herold die Belegschaft an, die vorgeschriebenen Corona-Hygienemaßnahmen und Verhaltensregeln zwingend einzuhalten. Bei Verstößen sei mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu rechnen.
Zudem wurden an alle 285 HEB-Mitarbeiter – in der Verwaltung, auf den Müllwagen und der Verbrennungsanlage – jeweils drei handgenähte Stoffmasken ausgegeben, die nach dem Tragen regelmäßig zu Hause ausgekocht werden sollen. In der HEB-Betriebsanweisung heißen diese Stoffmasken etwas sperrig „Behelf-Mund-Nasen-Schutz“, abgekürzt „BMNS“. Ihr Nachteil: Sie haben keine Gummilitzen, sondern Stoffbänder, die am Hinterkopf zu einer Schleife zusammengebunden werden müssen. Das macht den Hagener Müllmann zu einem echten Hingucker. Ein ausgegebenes „Informationsblatt Trageanleitung“ ist dabei zu beachten.
Die Stoffmaske, genauer der „Behelf-Mund-Nasen-Schutz“, sei immer dann zu tragen, wenn der Mindestabstand von anderthalb Metern nicht eingehalten werden könne. „Weil diese Situationen nicht vorhersehbar sind, ist der BMNS während der gesamten Arbeitszeit umgehängt bereit zu halten“, verlangt die Betriebsanweisung. Die gab der neue HEB-Geschäftsführer jedoch aus, ohne die vorherige Zustimmung des Betriebsrats einzuholen.
Gefahr von Strangulierungen
„Damit“, so der HEB-Betriebsratsanwalt Reiner Friedrichs, „ist das Gremium aber ganz und gar nicht einverstanden. In der Werkstatt, beispielsweise, könnten sich die dauerhaft um den Hals hängenden Stoffmasken in drehenden Teilen verfangen und Verletzungen, bis hin zu Strangulierungen der Arbeitnehmer verursachen.“ Auch gäbe es Arbeitsplätze bei dem Müllentsorger, an denen Schmutz und Stäube freigesetzt werden, diese setzten sich dann von innen und außen auf die am Hals baumelnden Masken ab. Friedrichs: „Und beim Aufsetzten wird das dann alles eingeatmet.“
Das Arbeitsgericht musste über den Eilantrag des Betriebsrats aber nicht entscheiden – nach ausführlicher Verhandlung kam es zu einer Einigung zwischen den Beteiligten.
„Aus der Betriebsanweisung wird ab sofort das Wort ,umgehängt’ gestrichen“, erklärt HEB-Anwalt Gerd Pfeiffer. „Dann können die Mitarbeiter ihre Stoffmasken meinetwegen auch in die Hosentaschen stecken.“