Hagen. Dr. Claudia Sommer, Leiterin des Hagener Gesundheitsamtes, blickt auf die ersten Wochen im Kampf gegen die Corona-Pandemie.

Hagen steckt inzwischen in der siebten Woche, in der die Corona-Pandemie den Alltag der Menschen weitgehend auf den Kopf stellt, Sozialkontakte auf ein absolutes Minimum reduziert und in vielen Bereichen des täglichen Lebens disziplinierten Verzicht einfordert. Im Zentrum der Krise steht neben den Krankenhäusern und Medizinern sowie den Ordnungsbehörden natürlich auch das Hagener Gesundheitsamt, das in enger Abstimmung mit dem Hagener Krisenstab die Maßnahmen koordiniert und federführend die Verfügungen von Bund und Land vor Ort in praktisches Handeln umsetzen muss.

Die Leiterin Dr. Claudia Sommer spricht im Interview über die aktuelle Lage in der Stadt.

Wie beurteilen Sie bislang die Situation in Hagen? Hätten Sie sich die Ausbreitung des Virus noch dramatischer vorgestellt?

Claudia Sommer Die Situation der Positivenrate in Hagen ist moderat. Die Zahlen sind vergleichbar mit denen einiger anderer Ruhrgebietsstädte. Wir reagieren schnell auf jeden einzelnen Fall. Somit versuchen wir sehr konsequent, alle Fälle einzudämmen, Kontaktpersonen zu ermitteln und die Weiterverbreitung zu stoppen. Meine Mitarbeiter und ich arbeiten an sieben Tagen die Woche, fast rund um die Uhr. Damit sind wir schon seit Wochen an einer Belastungsgrenze. Aber der Fachbereich Personal und Organisation hat uns unterstützt, unsere Mitarbeiterzahl kurzfristig aufzustocken. Zudem haben wir zwei neue ärztliche Mitarbeiter bekommen, was äußerst hilfreich ist. Viele Situationen sind problemlos beherrschbar. Schwierig sind Ausbruchssituationen in Pflegeheimen, einige private Ausbrüche und Ausbrüche bei Menschen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen.

Hoffen auf einen Impfstoff

In Zeiten der Corona-Krise wünscht sich Dr. Claudia Sommer, Leiterin des Hagener Gesundheitsamtes, vor allem, dass von der Wissenschaft schnell ein wirksamer Impfstoff gefunden wird, und auch ein wirksames Medikament.

„Auch wünsche ich mir, dass die Menschen sich so lange es nötig ist an die Verhaltensweisen des Kontaktverbotes halten, damit Übertragungen des Virus reduziert werden. Damit wäre die Krise schneller beherrschbar und wir könnten wieder ein wenig aufatmen.“

Nur in Kombination dieser beiden Schritte werde es gelingen, die Zahl der Neuinfektionen zu senken und das Virus bald zu besiegen.

Wie belastet sind bislang die Hagener Krankenhäuser? Können inzwischen Kapazitäten wieder für andere Erkrankungen freigegeben werden?

Die Hagener Krankenhäuser sind belastet. Sie haben alle ihre geplanten Aufnahmen auf etwa 50 Prozent gesenkt und können nur langsam wieder hochfahren. Dabei ist aber zu sagen, dass in allen Häusern immer alle notwendigen Aufnahmen mit anderen Diagnosen weiter möglich sind und immer möglich waren. Die Krankenhäuser haben somit alle die Situation gut im Griff. Wir tauschen uns zweimal wöchentlich in einer Telefonkonferenz mit allen Krankenhäusern, der Feuerwehr und dem Sprecher der Hagener Hausärzte, Herrn Dr. Kinzius, aus. Das ist eine sehr sinnvolle, vertrauensbildende Maßnahme, bei der wir auch über Probleme sprechen können und diese gemeinsam zu lösen versuchen. Hier ein dickes Lob an alle Hagener Krankenhäuser, Herrn Dr. Kinzius und die anderen Hausärzte, die alle sehr kooperativ sind und gemeinsam alles versuchen, die Krise zu meistern.

Täglich geben Sie die Infektions- und Genesenenzahlen in Hagen bekannt. In den Nachbarkreisen wird auch darüber informiert, wie viele Infizierte sich im Krankenhaus befinden, wie viele auf Intensivstationen versorgt werden und wie viele davon beatmet werden. Warum wird diese Transparenz, die ja auch etwas über die Belastung des Gesundheitssystems aussagt, den Hagenern vorenthalten?

Ich halte es bei den insgesamt niedrigen Zahlen in Hagen aus Gründen der ärztlichen Schweigepflicht nicht für vertretbar, so genau ins Detail zu gehen. Dabei sind Rückschlüsse auf Patienten möglich, die ich nicht verantworten kann. Wir sagen immer wieder, dass das Hagener Gesundheitssystem bisher die Krise perfekt meistert und die Kapazitäten bisher nie an der Grenze waren. Die Gesamtzahl an freien Intensivbetten sagt dem einzelnen Bürger nichts aus über sein persönliches Risiko. Auch kann sich eine Zahl in dem Moment ändern, wo sie geschrieben wird. Alle Krankenhäuser haben eine Corona-Station und eine separate Corona-Intensivstation eingerichtet. Für den Hagener Bürger stehen zurzeit und standen bisher genügend freie Behandlungskapazitäten zur Verfügung – auch genügend Beatmungskapazitäten.

Zu Beginn wurde das städtische Bürgertelefon mit Anfragen besorgter Menschen überflutet. Wie sieht die Situation heute aus? Was interessiert die Menschen noch?

Das Bürgertelefon ist noch am Start, wird aber erheblich weniger frequentiert als am Anfang. Die Fragen sind sehr unterschiedlich. Viele fragen nach einem Testtermin oder ob in ihrer Lage überhaupt ein Test indiziert ist. Seit kurzem werden viele Fragen zur Maskenpflicht gestellt.

Wie gestaltet sich die Versorgung mit Schutzausrüstungen? Sind die Krankenhäuser, Arztpraxen, Einsatzkräfte, Alten- und Pflegeeinrichtungen und auch Ihre Behörde ausreichend ausgestattet?

In den letzten Wochen sind viele Materiallieferungen über das Gesundheitsministerium gekommen und verteilt worden an Krankenhäuser, Pflegeheime, Pflegedienste, Drive-In-Zentrum, Behandlungszentrum oder auch die Feuerwehr. Der Bereich der niedergelassenen Ärzte allerdings soll direkt über die Kassenärztliche Vereinigung versorgt werden. Es entsteht – auch nach Rücksprache mit den Krankenhäusern – hier der Eindruck einer gewissen Entspannung. Wir hoffen, dass sich diese Entspannung fortsetzt.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Hausärzten und dem Zentrum der Kassenärztlichen Vereinigung in der Selbecke? Haben sich die Abläufe bewährt und werden von der Bürgerschaft auch entsprechend angenommen?

Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Dieses Behandlungs­zentrum ist wichtig, um Covid-19-Erkrankte von Praxen und Ambulanzen fern zu halten. Es wird von den betroffenen Bürgern gut angenommen.

Erhöht sich mit der schleichenden Öffnung der Shutdown-Regeln in Ihren Augen das Infektionsrisiko? Erwarten Sie eine zweite Corona-Welle in Hagen?

Das ist eine wichtige Frage, die ich aber so einfach nicht beantworten kann. Das Verhalten der Bürger spielt da eine wesentliche Rolle: Bitte­ den geforderten Abstand halten! Bitte tragen Sie eine Atemschutzmaske! Bitte halten Sie sich auch weiter an das Kontaktverbot! Bitte lassen Sie einen Test machen, wenn Sie irgendwelche „Erkältungssymptome“ haben, damit eine Corona-Infektion ausgeschlossen oder bestätigt werden kann! Mein Eindruck ist, dass viele Menschen diese Regeln nicht mehr so leben, wie es sein sollte und leichtsinnig werden. Ja, wenn die Menschen sich nicht an die Regeln halten, bin ich skeptisch mit der Lockerung der Gebote.