Künstler Emil Nolde inszenierte sich als Opfer der Nazis. Dieses Bild muss übermalt werden. Das Osthaus-Museum in Hagen besitzt Bilder.

1.

Die Nazis schätzen die expressionistische Malerei durchaus nicht. Sie diffamieren sie als entartet und plündern die Museen. So ist das Bild vom expressionistischen Künstler entstanden, der in der inneren oder äußeren Emigration der braunen Verfolgung trotzt. Für Emil Nolde stimmt diese Annahme nicht mehr.

Wie kürzlich publik wurde, war dieser beim Publikum so beliebte Expressionist ein glühender Hitler-Verehrer. Die Legende vom Regime-Opfer muss übermalt werden. Was bedeutet das für sein Werk? Bürgt der gute Charakter eines Künstlers für die Qualität seines Schaffens? Wird das Werk wertlos, wenn der Künstler kein Vorbild ist und sich schäbigerweise wie Nolde nach 1945 sogar opportunistisch als Regime-Kritiker inszeniert? Diese Fragen sind wichtig zu stellen, aber kaum zu beantworten.

2.

Hagen und Emil Nolde (1867-1956), das ist eine lange Geschichte. Als Karl Ernst Osthaus Nolde begegnet, verändert sich dessen Leben. Aus dem brotlosen unbekannten Künstler wird dank Osthaus‘ Protektion ein gut verdienender Maler. Osthaus erwirbt sofort ein Bild, stellt Nolde bereits 1906 im Folkwang-Museum aus und vermittelt ihm 1905/06 ein sechsmonatiges Arbeitsstipendium in Soest, zusammen mit Christian Rohlfs. Die Osthausens und die Noldes freunden sich an; es beginnt ein reger Briefwechsel, vor allem zwischen den Frauen. Ada Nolde ist Stickerin und fertigt das Kissen, das auf dem Elternbett im Hohenhof liegt. Das neue Folkwang ist weltweit das erste Museum für moderne Kunst. Nolde prägt das geflügelte Wort vom „Himmelzeichen im westlichen Deutschland“.

3.

Doch Nolde bricht das Stipendium in Soest ab, er kann nicht in Westfalen malen und auch nicht in Italien. Seine Kunst entzündet sich alleine vor der geliebten Kulisse des heimatlichen Nordens. In „Steigende Wolken“ bringt er den Aufzug eines Sturmgewitters als dramatisches Farbereignis auf die Leinwand. Zwei reetgedeckte Häuser ducken sich in der flachen Landschaft unter einem unendlichen Himmel mit gewaltigen Wolkentürmen in bedrohlich dunklen Violettnuancen. Sie verschlingen schließlich noch den letzten Schimmer des Sonnenlichts, der sich in einer hellen Wolke gefangen hat.

In der heftigen, fast brutalen Malweise, findet die alles erfassende Naturgewalt des sich anbahnenden Sturms eine geradezu materielle Entsprechung. Das Osthaus-Museum konnte das Gemälde 1950 vom Künstler selbst erwerben, für 3600 DM, das war mehr als die Hälfte des gesamten Jahresetats 1950 für Bildankäufe. Heute werden Noldes für zwei Millionen Euro versteigert.

4.

Noldes Anbiederung an die Nazis geht weit über bloße Überlebenstaktik hinaus. So denunziert er seinen Kollegen Max Pechstein bei den Behörden als Jude und bringt ihn damit in eine lebensbedrohliche Situation, wohl wissend, dass das nicht stimmt. Nach seinem Parteieintritt hört er auf, christliche Motive zu malen, weil er keine Juden malen will. Schon im Sommer 1933 entwirft er einen „Entjudungsplan“ für Adolf Hitler.

Es nutzt ihm alles nichts. Hitler kann seine Landschaften und Protagonisten nicht leiden. Nolde erhält jedoch kein Berufs- oder Ausstellungsverbot, er kann vom Verkauf seiner Werke gut leben. Nach 1945 stilisiert er sich zum Opfer des Naziregimes. So wird er auch in dem Roman „Deutschstunde“ von Siegfried Lenz dargestellt. Heute besitzt das Osthaus 16 Arbeiten von Emil Nolde, darunter vier große Gemälde.