Berlin wird Schmelztiegel der Kulturen. Max Pechstein sucht hier exotische Milieus. Das Bild „Akrobaten“ gehört heute dem Osthaus-Museum in Hagen.

1.

Nicht nur Landschaften und einfache Fischer oder Bauern werden zu bevorzugten Themen der Expressionisten, sondern auch die Milieus und die Reibungshitze in den explodierenden Großstädten nach der Jahrhundertwende. Prostituierte, Jockeys, Akrobaten und Straßenszenen kommen nun zu Ehren. Maler wie Max Pechstein (1881-1955) ermöglichen damit einen Blick in geschlossene, geheimnisvolle Welten, zum Beispiel des Varietés.

2.

Die Metropole Berlin liefert die weite Welt gleichsam frei Haus. Fasziniert besucht Pechstein nach seinem Umzug von Zwickau nach Berlin Zirkusse, Varietés und die „Hagenbeckschen Völkerschauen“. Dort kann man Menschen aus fernen Ländern bestaunen. Der Reiz des Exotischen treibt den Maler 1913 zu einer Südseereise und führt ihn immer wieder zu den kosmopolitischen Attraktionen der großen Stadt.

In den Artisten sucht er das Ursprüngliche und Unverfälschte, das er sich auch von fernen Kulturen und einfachen Landleuten verspricht. Entsprechend malt Pechstein 1918/1919 das Hagener Bild „Akrobaten“. Der eigentliche Star des heiteren Gemäldes ist nicht das Artistenpaar, sondern der kleine Hund im Hintergrund, der ebenfalls ein rotes Kostüm trägt und in seiner Haltung eine Show-Pose korrespondierend zum männlichen Akrobaten einnimmt. Der fesselt sein Publikum mit einem Handstand, seine Frau beobachtet die Szene vor einem geblümten Vorhang.

In leuchtenden, heiteren Farben bannt Pechstein optimistische Nachkriegsstimmung auf die Leinwand. Wer den Ersten Weltkrieg überstanden hat, feiert jetzt das Leben und hofft auf eine gute Zukunft.

3.

Pechstein ist vielleicht der ruhigste und am wenigsten aneckende der großen Brücke-Künstler und auch der einzige, der eine akademische Malausbildung absolviert hat. Mit Beginn der Nazizeit verhält er sich politisch abwartend, obwohl er schon 1933 seiner Professur enthoben wird.

Geradezu lebensgefährlich erweist sich für ihn und seine Familie, dass Emil Nolde ihn gegenüber den Behörden als Jude denunziert. Daraufhin will Pechstein verzweifelt seine arische Abstammung mit Dokumenten beweisen. Obwohl er später versucht, in NS-Organisationen Fuß zu fassen, um weiter ausstellen und verkaufen zu können, werden 326 seiner Werke bei der großen Plünderung der deutschen Museen während der Aktion Entartete Kunst beschlagnahmt. 1944 verbrennt ein großer Teil seines Schaffens durch Kriegseinwirkungen.

4.

Karl Ernst Osthaus ist von Pechsteins Malerei nicht so überzeugt wie von den Werken der anderen Expressionisten. Der Künstler ist jedoch mit einem Bild in der Hagener Ausstellung von 1907 vertreten und mit vier Bildern in der Ausstellung von 1910. Im Mai 1920 wird sogar eine Solo-Ausstellung von Pechstein im Museum Folkwang gezeigt. Trotz Osthaus’ Bedenken finden sich im Folkwang-Sammlungskatalog 1912 vier druckgrafische Arbeiten des Künstlers. Heute besitzt das Osthaus-Museum 13 Pechsteins, zwei Gemälde und 11 Arbeiten auf Papier.