Hagen. Corona hat auch die Osterurlaubspläne von OB Schulz über den Haufen geworfen. Daher hat er die Zeit für ein Interview zur Situation in Hagen.
Die Corona-Pandemie wirbelt den Alltag aller Hagener durcheinander. Der berufliche Rhythmus hat sich verändert, Urlaubspläne mussten verworfen werden und auch das tägliche Miteinander unter Nachbarn, Familien und Freunden hat sich grundlegend verändert. Die Stadtredaktion Hagen hat mit Oberbürgermeister Erik O. Schulz darüber gesprochen, wie er diese ungewöhnlichen Zeiten erlebt.
Wie fühlt man sich, wenn statt der geplanten Osterreise plötzlich das heimische Sofa zum Urlaubsziel wird?
Erik O. Schulz: Da gibt es im Moment sicherlich für viele Menschen in unserer Stadt Schlimmeres zu verkraften. Natürlich haben wir uns auf ein paar entspannte Tage an der Nordsee gefreut, aber wir nehmen es, wie es ist. Meine Frau und ich unternehmen jetzt jeden Tag eine große Wanderung in den Hagener Wäldern - und dabei gibt es immer noch unbekannte Ecken zu entdecken.
Sind Sie mit der Corona-Disziplin der Hagener bislang zufrieden? Welchen Eindruck spiegeln Ihnen die Mitarbeiter des Ordnungsamtes wider?
Am Anfang war es für niemanden leicht, sich mit den ganzen Einschränkungen zurecht zu finden. Aber mittlerweile haben die Hagener verstanden, wie wichtig es ist, klare Regeln einzuhalten. Denn nur so kann sich die Ausbreitung des Virus verlangsamen. Ich bin sehr dankbar, dass sich die Hagenerinnen und Hagener – bis auf wenige Ausnahmen – so diszipliniert verhalten.
Erneut nominiert
Oberbürgermeister Erik O. Schulz (54) übernahm den Posten des Verwaltungschefs vor knapp sechs Jahren von seinem Amtsvorgänger Jörg Dehm.
Als Kandidat einer Ratsallianz aus CDU, Grünen und FDP tritt er auch im September diesen Jahres erneut für den Posten an.
Die drei Parteien haben ihn bereits zu ihrem Kandidaten nominiert.
Das städtische Gesundheitsamt agiert an der Belastungsgrenze. Ein Zustand, der sicherlich noch über Monate andauern wird. Lässt sich das alles durch organisatorische Maßnahmen auffangen?
In der Tat müssen die Kolleginnen und Kollegen dort aktuell einen extrem belastenden Dienst leisten – wie auch an anderer Stelle in unserer Verwaltung im Moment eine Menge zusätzlicher Aufgaben zu bewältigen sind. Wir sind in einem konstanten Austausch mit der Leitung des Gesundheitsamtes und unterstützen zum Beispiel die Besetzung der Corona-Hotline und der Kolleginnen und Kollegen in der Kontaktverfolgung möglicher Infektionsketten durch eine Vielzahl freiwilliger Helfer aus allen Teilen der Verwaltung. Dies gelingt aktuell sehr gut und mit einer hohen Motivation aller eingesetzten Kräfte.
„Krise wird ein Vermögen kosten“
Die Corona-Krise hat auch eine kaum zu überblickende finanzielle Dimension. Der Stadt brechen immense Gewerbesteuereinnahmen weg, und mit steigender Arbeitslosigkeit werden auch die Soziallasten größer. Wie kann Hagen das stemmen? Drohen neue Sparpakete?
Jetzt ist bestimmt nicht die Zeit, um über Sparpakete nachzudenken. Ja, diese Krise wird ein Vermögen kosten. Und ja, nachdem wir als Stadt zweimal unter großen Anstrengungen den Haushaltsausgleich geschafft haben, werden wir vor enormen, noch gar nicht absehbaren, neuen finanziellen Herausforderungen stehen. Wir haben klare Erwartungen an Land und Bund, dass uns, dass den Kommunen insgesamt, in dieser Situation eine weitreichende Unterstützung zuteil wird. Wichtig ist zum Beispiel, dass alle coronabedingten Lasten künftig in einer Art Sondervermögen im Haushalt klar isoliert dargestellt werden. Die Signale aus Düsseldorf - nicht nur in dieser Hinsicht - zeigen uns, dass die Planungen der Landesregierung diesbezüglich auf einem gutem Weg sind.
Wird Kämmerer Christoph Gerbersmann (54), der im Herbst 2021 zur Wiederwahl ansteht, während seiner beruflichen Laufbahn noch einmal einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren können?
Das wäre Kaffeesatzleserei. An derartigen Überlegungen kann und wird sich daher aktuell niemand seriös beteiligen. Fest steht: der Konsolidierungskurs, den die Verwaltung und die Mehrheit der Politik über Jahre gehalten hat, war richtig. Er hilft uns bei der Bewältigung der aktuellen Belastungen und er wird uns mit Blick auf die zukünftigen Herausforderungen helfen. Aber – und da wiederhole ich mich ganz bewusst noch einmal: Ohne weitreichende Unterstützungen von Land und Bund werden wir es aus eigener Kraft sicherlich nicht schaffen!
Auch die Stadt Hagen läuft in diesen Tagen in vielen Abteilungen durch den Lockdown nur im Sparbetrieb. Prüfen Sie in manchen Bereichen auch Kurzarbeit?
Eine Kurzarbeit in den Kernbereichen der Verwaltung einzuführen, ist nicht möglich. Dazu liegen aktuell auch die tarifrechtlichen Voraussetzungen nicht vor. In meinen Augen wären wir als Verwaltung auch nicht gut beraten, würden wir mit als erste darauf schielen, Kurzarbeitergeld abzuschöpfen. Die bereitgestellten Mittel sollten zuallererst dazu genutzt werden, um die Auswirkungen der Corona-Krise in den Unternehmen abzufedern.
Die Politik kritisiert immer wieder die hohe Zahl der Überstunden und Resturlaube bei der Verwaltung. Eröffnet die Corona-Krise hier die Chance, Arbeitszeitkonten systematisch zu reduzieren und somit für finanzielle Entlastung zu sorgen?
Natürlich haben wir dieses Thema intensiv im Blick und wir arbeiten daran. Ein entsprechender Appell in die Mitarbeiterschaft ist bereits ergangen, wobei hier insbesondere die Führungskräfte in unserem Hause gefragt sind. Und zwar nicht nur selbst mit gutem Beispiel voranzugehen, sondern auch sehr genau den momentanen Arbeitsanfall in den jeweiligen Bereichen im Auge zu behalten. Sollten danach Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeitlich nicht voll ausgelastet sein, wäre das in der Tat die beste Gelegenheit, jetzt ein mögliches Plus auf den Arbeitszeitkonten abzubauen.
„Über Ausweitung der Briefwahlmöglichkeiten nachdenken“
Gehen Sie momentan davon aus, dass die für den 13. September terminierte Kommunalwahl angesichts der Corona-Rahmenbedingungen überhaupt und in welcher Form stattfinden kann?
Aktuell gehe ich davon aus, ja. Wir besprechen das Thema sehr intensiv mit dem Land. Gegebenenfalls müssen besondere Modalitäten bei der Durchführung der Wahl gefunden werden, etwa um größere Menschenansammlungen in Wahllokalen zu verhindern. In diesem Zusammenhang wird man dann unter Umständen auch über die Ausweitung von Briefwahlmöglichkeiten nachdenken müssen. Auch mit Blick auf die Wahl gilt: Vieles bleibt der weiteren Entwicklung in den nächsten Wochen und Monaten abzuwarten.
Den Bürgern wird zurzeit stets der Eindruck vermittelt, Hagen sei auch für höhere Infektionszahlen gut gerüstet. Gibt es Pläne für weitere Krisen-Zentren - zum Beispiel auf dem ehemaligen Max-Bahr-Areal in Eckesey -, falls die Krankenhaus-Kapazitäten im Mai/Juni nicht mehr ausreichen sollten?
Konkrete Pläne gibt es noch nicht, aber natürlich treffen wir Vorsorge. Will heißen: wir beschäftigen uns mit unterschiedlichen Szenarien und daraus gegebenenfalls erwachsenden Anforderungen. Und, ja, in derlei Überlegungen beziehen wir auch möglicherweise zu nutzende Objekte mit ein.
Haben Sie persönlich eine Vorstellung, wann und wie der Alltag in unsere Leben zurückkehrt? Wann werden Kitas und Schulen wieder geöffnet? Wann werden Friseure, Restaurants, stationärer Einzelhandel oder auch Schausteller in welcher Form wieder starten können?
Um ehrlich zu sein: das ist im Moment wirklich schwer zu sagen. Ich denke, es ist verfrüht, jetzt irgendwelche Hoffnungen zu wecken, geschweige denn konkrete Daten zu nennen, wann was wieder geöffnet haben könnte. Selbst Virologen oder andere Fachleute können und wollen sich diesbezüglich nicht festlegen. Aber: ich bin fest davon überzeugt, dass wir frühzeitig einen strukturierten Weg beschreiben müssen, wie die Rückkehr in die Normalität auszusehen hat. Dabei gilt es sehr genau die Risiken abzuwägen, wie es gelingen kann, das öffentliche und wirtschaftliche Leben wieder in Gang zu bringen, ohne Gefahr zu laufen, dass die Zahl von Neuinfektionen abermals anzieht.
„Hagen ist eine tolle Stadt mit tollen Menschen“
Haben Sie in den vergangenen Tagen Erlebnisse gehabt oder Eindrücke gesammelt, die Ihnen auch Mut machen? Was kann Hagen aus der Krise bislang für die Zukunft lernen?
Die Hagenerinnen und Hagener stehen eng zusammen in diesen schwierigen Tagen. Das Wir-Gefühl wächst zusehends. Es gibt so viele Zeichen der Solidarität und der Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren. Gerade auch von denen, die selbst von dieser Krise betroffen sind wie die Schausteller, die nun ihre Hilfsdienste anbieten, oder jenen, die nun Masken nähen oder für die Nachbarn einkaufen gehen. Und es wurden von Beginn an gute Ideen entwickelt wie „Hagen liefert“, um Restaurants und Geschäfte zu unterstützen, oder die Plattformen für Unternehmen und Selbstständige, um sich zu vernetzen und auszutauschen. Und immer wieder gibt es kleine Gesten der Ermunterung, die mich auch selbst erreichen: Nachrichten, Anrufe oder Briefe von Bürgerinnen und Bürgern mit ein paar anerkennenden Worten oder einem positiven Feedback, und sogar ein Blumenstrauß wurde zu uns nach Hause geschickt. Das tut der Seele schon gut. Und es zeigt mir einmal mehr: Hagen ist eine tolle Stadt mit tollen Menschen.
Ostern ist nicht nur ein bedeutendes christliches Fest, sondern auch eine Zeit für familiäre Begegnungen. Gottesdienste und Besuche werden jedoch in diesem Jahr nicht möglich sein. Wie gestalten Sie die Feiertage?
Wir machen das beste draus. Es gibt eine Menge Freunde, die in meinem Alltag eher zu kurz kommen. Also einfach mal anrufen oder mit vier befreundeten Ehepaaren via Videochat einen netten Abend „fast gemeinsam“ verbringen. Aber klar ist doch auch: Natürlich fehlt uns die Familie, das an Ostern gewohnte Zusammensein mit den Eltern und den Kindern. Doch Ausnahmen gibt es nicht; als Oberbürgermeister heißt es Vorbild sein – also halte ich mich an die Regeln...