Hagen. Olaf Heinrich, Geschäftsführer am Evangelischen Krankenhaus Haspe, beschreibt die Lage am Mops vor dem großen Corona-Ansturm.

Die Corona-Krise hat den Alltag in den Hagener Krankenhäusern komplett umgekrempelt. Allerorten wird versucht, durch Umstrukturierungen sich auf eine Flut an Infizierten vorzubereiten. Das ist nicht bloß herausfordernd für sämtliche Mitarbeiter, sondern legt auch ungeschminkt offen, wo noch Defizite bestehen. Die Stadtredaktion Hagen hat sich mit Olaf Heinrich, Geschäftsführer am Evangelischen Krankenhaus Haspe, über die aktuelle Situation am Mops unterhalten.

Frage: Sie haben sich jüngst wiederholt auf Facebook kritisch zur aktuellen Entwicklung an den Krankenhäusern geäußert. Stehen sie mit Ihren Einschätzungen allein?
Olaf Heinrich: Keineswegs. Ich habe mich mit mehreren Kollegen an anderen Häusern ausgetauscht, die meine Einschätzungen teilen. Vor allem haben wir – neben zahlreichen Finanzierungsfragen – derzeit die Sorge, dass wir nicht genügend Schutzmasken bekommen. So hatten wir Masken von einem Lieferanten im Zulauf – die Ware war bereits auf dem Weg. Plötzlich wurde die Sendung abgebogen und wir erhielten den Hinweis, dass die Schutzkleidung nicht mehr ausgeliefert werden dürfe, weil die Bundesregierung sie angefordert habe. Was passiert denn da? Wir haben bis heute nichts.

Zur Person

Olaf Heinrich, Verwaltungsleiter des Evangelischen Krankenhauses Haspe, ist 51 Jahre alt und in seiner heutigen Arbeitsstätte auch geboren worden.

Der gelernte Kfz-Elektriker hat über seinen Zivildienst den Weg in die Gesundheitsbranche gefunden. Er hat lange Jahre im Heilig-Geist-Hospital Haspe gearbeitet und dort sämtliche administrative Abteilungen durchlebt.

Nebenher studierte er Betriebswirtschaft und fand nach der Schließung des katholischen Krankenhauses den Weg zum Mops. Dort ist er seit 2007 der Geschäftsführer.

Über welche Mengen reden wir denn da, welche Volumina ordern Sie denn?
Tausende, in diesem Fall waren es beispielsweise 22.000 Masken. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn der größte Hamsterkäufer ist. Es wird immer nur erzählt, die Sachen seien im Zulauf, bei uns ist bis heute nichts angekommen. Ähnliches wurde zuletzt auch im Kreis der Hagener Krankenhaus-Konferenz berichtet – auch in den anderen Hagener Häusern ist nichts angekommen. Lediglich in Ambrock hat es eine ganz kleine Lieferung gegeben.

Wie knapp sind Sie denn aktuell?
Noch haben wir keinen stationären Corona-Patienten in Haspe. Wir haben immer wieder mal Verdachtsfälle, aber es ist natürlich nur eine Frage der Zeit, bis wir den ersten Infizierten haben, der isoliert werden muss. Für die Anfangsphase sind wir sicherlich noch ausreichend ausgestattet, aber dann müssen schon Lieferungen kommen. Im Moment ist der Normalbetrieb runtergefahren. Wir machen nur noch die Dinge, die unter medizinischen Aspekten unbedingt notwendig sind. Da wird natürlich auch noch operiert und Schutzkleidung verwendet. Ich möchte mir aber nicht ausmalen, was passiert, wenn wir in den nächsten zwei bis drei Wochen mit Corona-Patienten überrannt werden. Wir würden mit Sicherheit jede Menge an Schutzmasken nehmen, wenn wir sie den kriegen könnten. Wir bekommen aber nichts. Schon gar nicht zu normalen Preisen.

Olaf Heinrich ahnt, dass auf die gesamte Belegschaft seines Hasper Hauses extrem fordernde Wochen zukommen.
Olaf Heinrich ahnt, dass auf die gesamte Belegschaft seines Hasper Hauses extrem fordernde Wochen zukommen. © WP | Michael Kleinrensing

Wie würden Sie die aktuelle Situation in Ihrem Haus beschreiben?
Wir haben noch eine etwa 50-prozentige Belegung, weil wir alles, was nicht unbedingt notwendig ist, runtergefahren haben. Und das unter mehreren Aspekten: Es geht um Kontaktvermeidung und natürlich darum, alle Kapazitäten und Ressourcen für den Fall der Fälle zur Verfügung stellen zu können. Dazu gehört auch, dass wir die Leute, die wir im Moment nicht brauchen, wenn möglich ins Frei schicken, damit sie fit und ausgeruht sind, wenn wir sie dann in den Bereichen benötigen. Um dieses weitsichtige Personalmanagement kümmert sich unsere Pflegedienstleitung. Es ist die Ruhe vor dem Sturm, wobei noch niemand weiß, was für ein Sturm dies sein wird und wie lange er wütet.

Welche Erfahrungen machen Sie bislang mit dem Besucher-Stopp?
Das bereitet uns durchaus Probleme. Es gibt immer wieder Leute, die versuchen, sogar durch Nebeneingänge sich ins Haus zu schleichen und schieben dann irgendwelche Gründe vor, warum sie ausgerechnet jetzt ihre Verwandten und Freunde besuchen müssten. Lediglich bei Schwerstkranken oder sterbenden Patienten finden wir da eine individuelle Lösung. Ansonsten gilt ein definitiver Besucher-Stopp.

Inwiefern haben sie inzwischen das Haus auch organisatorisch umstrukturiert?
Zunächst einmal haben wir in dem zurzeit runtergefahrenen Zustand Stationen zusammengelegt. Es macht ja keinen Sinn, Stationen, die nur zur Hälfte belegt sind, einzeln zu betreiben. Dadurch ist eine Station mit etwa 13 Betten frei geworden, die wir für Corona-Patienten nutzen können, die noch nicht beatmungspflichtig sind. Und dann haben wir durch unsere aktuelle Umbauphase noch eine Station, die wir eigentlich als Regelleistungsstation nutzen wollten. Die haben wir jetzt erst einmal umgeswitcht beispielsweise mit ableitfähigen Fußböden und einem speziellen IT-Netz, das man zur Betreibung von Beatmungs- und Überwachungsplätzen braucht. Dadurch kann dort eine Art Intensivstation entstehen. Allerdings fehlt uns dort noch das notwendige Equipment und Personal. Mit einigen Beatmungsgeräten können wir uns noch aus Nachbarkliniken der Stiftung Volmarstein behelfen, so dass am Ende vermutlich zehn Geräte auf jeden Fall vorhanden sind. Ich gehe davon aus, dass die Station in diesen Tagen fertig wird, so dass wir schnell mit dem Echtbetrieb beginnen können. Das Personal suchen wir zurzeit aus unseren Schwester-Kliniken zusammen und schulen die Leute entsprechend.

Dann ist im Moment also alles vorhanden?
Im Moment würde es hart auf hart an Beatmungsgeräten fehlen. Zu einem Beatmungsplatz gehört nämlich nicht bloß ein Beatmungsgerät, sondern auch ein Monitoring, Infusomaten und Perfusoren sowie ein Absauggerät. Das ist ein komplettes Bett-Set, wobei es an Betten natürlich nicht fehlt, weil wir auf den anderen Stationen heruntergefahren haben. Dazu muss man noch wissen, dass Beatmungsgeräte nicht gerade billig sind. Die bestellt man nicht so eben, zumal wenn man hinterher nicht weiß, wozu man die Geräte noch verwenden könnte. Daher hat die Bezirksregierung auch eine Abfrage gemacht, um den Bedarf der Häuser zu ermitteln. Darauf haben wir natürlich geantwortet. Dort haben wir etwa ein Dutzend Beatmungsgeräte geordert. Was daraus jetzt wird, wissen wir nicht. Aber auch Bestellungen bei den großen Lieferanten machen im Moment keinen Sinn, weil deren Produktion im Moment offenkundig reserviert ist für die Bundesregierung.

Ein Herz für Gladbach und den Audi TT

BVB oder Schalke?
Borussia Mönchengladbach. Das rührt noch aus den 70er-Jahren, als dort Allan Simonsen spielte.

Berge oder Strand?
Strand, mit Leidenschaft. Am liebsten in Dahme an der Ostsee.

Mini oder Maybach?
Weder noch. Ich fahre einen Audi TT. Ich bin nun mal gerne sportlich und schnell unterwegs.

Wie ist denn im Moment die Stimmung unter den Mitarbeitern?
Ich würde sie als noch ruhig bezeichnen. Natürlich ist auch unsere Belegschaft ein Spiegel der Gesellschaft. Es gibt welche, die reagieren hysterisch, andere reagieren gelassen, manche sind ängstlich andere sind gleichgültig. Wenn ich einen Strich drunter mache, würde ich sagen, es herrscht eine angespannte Ruhe.

Gibt es denn auch Ex-Kollegen, die sich in Corona-Zeiten zur Verfügung stellen?
Ja, gibt es – ganz viele Sympathisanten, die signalisieren, dass sie zur Verfügung stehen, wenn es hart auf hart kommt. Dazu gehören auch Firmen aus dem Gesundheitswesen, die ihre Mitarbeiter zur Verfügung stellen, weil diese ohnehin nur im Homeoffice sitzen und der Verkauf nur schleppend läuft. Da wir ja nicht wissen, was auf uns zukommt, listen wir diese Leute selbstverständlich auf, und klären bereits die versicherungsrechtlichen Fragen.

Haben Sie im Moment irgendein Gefühl dafür, was auf sie zukommt?
Objektiv kann ich das natürlich nicht beantworten. Ich persönlich glaube, dass da noch was kommt, was auch hart wird. Ich glaube aber, dass unser Gesundheitssystem verdammt gut aufgestellt ist. Allerdings hängt dies auch von der Qualität des Rettungsschirms ab. Dabei gibt es aus dem Hause von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn im Moment keine eindeutigen Signale, ob wir nun auf die Wirtschaftlichkeit achten sollen oder im Moment tatsächlich alle finanziellen Ressourcen zur Verfügung stehen. Der Rettungsschirm ist in meinen Augen bislang lediglich ein Knirps, von dem ich im Moment noch nicht einmal weiß, ob er aufgeht. Das Signal „Koste es, was es wolle“ gibt es bisher noch nicht. Wir sind diejenigen, die in den nächsten Wochen an vorderster Front stehen und die es voll erwischt. Deshalb braucht es auch einen Rettungsschirm, der diesen Namen tatsächlich verdient hat.