Hagen. In eher beklemmender Atmosphäre traf der Rat die notwendigen Entscheidungen, um auch in Zeiten der Corona-Krise handlungsfähig zu bleiben.
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Dass er eines Tages vor dem Hagener Rat von der „größten Herausforderung seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs“ sprechen würde, hätte sich Erik O. Schulz sicherlich auch nicht träumen lassen, als er vor knapp sechs Jahren das Amt des Oberbürgermeisters übernahm. Doch als das Gremium am Donnerstagnachmittag zu einer eher beklemmend wirkenden, aber gleichzeitig als historisch zu bezeichnenden Sitzung im großen Saal der Hagener Stadthalle zusammentrat, fühlte sich der 54-Jährige genötigt, mit diesem Superlativ zu formulieren. Angesichts des grassierenden Coronavirus trafen sich die Mandatsträger – einige blieben aus Protest, andere aus Sorge um ihre Gesundheit zu Hause – diesmal in der stattlichen Weite des Hagener Glaspalastes.
Den Zugang zu der Versammlungsstätte kontrollierte nach ausdrücklicher Aufforderung zum Händedesinfizieren extra ein Sicherheitsdienst, in die Teilnehmerlisten musste sich jeder mit eigenem Kugelschreiber eintragen, um das Ansteckungsrisiko möglichst gering zu halten. Textil-Mundschutze – extra vom Werkhof genäht – lagen für sämtliche Mandatsträger, eine Handvoll Verwaltungsmitarbeiter und einen einsamen Besucher griffbereit, Wasserflaschen mit luftdichtem Schraubverschluss standen zum Mitnehmen bereit. Extra platzierte Namensschilder lotsten die Bürgervertreter auf ihre Plätze, um unnötiges Umherirren im großen, grünen Saal der Stadthalle zu vermeiden. Die Mikrofonanlagen auf den Tischen, so versicherte die Sitzungsregie, waren im Vorfeld extra desinfiziert worden. Eine beinah gespenstische Atmosphäre, die auch die hartgesottensten Gemüter eher zu Galgenhumor als zu entspannter Gelassenheit verleitete.
Viele Sorgen und Nöte
Einfühlsam griff Schulz bei seinen einleitenden Worten die aktuelle Gedankenwelt der Menschen auf, die sich nicht bloß um ihre eigene Gesundheit und die ihrer Verwandten und Freunde sorgen, sondern auch um ihre Arbeitsplätze bangen oder die finanzielle Nöte ängstigen. „Wir nehmen diese Sorgen sehr ernst.“ Dass in der Nacht zum Dienstag auch in Hagen der erste Corona-Patient verstorben sei und am gestrigen Donnerstag der zweite folgte, habe den Ernst der Krisensituation noch einmal mehr als verdeutlicht. „Es geht um Leben und Tod – so einfach ist das. Und so schlimm“, zitierte der Oberbürgermeister an dieser Stelle die drastisch-klaren Worte von Ministerpräsident Armin Laschet.
Gleichzeitig rechtfertigte er noch einmal die strengen Einschränkungen der vergangenen Tage, die das öffentliche Leben beinah zum Stillstand gebracht hätten: „Das führt viele von uns an die Grenzen des Erträglichen“, betonte der Oberbürgermeister vor allem mit Blick auf die älteren Hagener, die ihre Kinder und Enkel nicht mehr sehen können oder in Pflege- und Altenheim keinen Besuch mehr empfangen dürfen. „Das ist traurig, schwer hinnehmbar – im Augenblick aber vollkommen alternativlos.“
Im Namen des gesamten Rates nutzte der Verwaltungschef die Gelegenheit, jenen zu danken, die in Corona-Zeiten dafür sorgen, dass das geregelte öffentliche Leben nicht zum Erliegen kommt: „Ein Dankeschön an alle jene Frauen und Männer, die in den Krankenhäusern arbeiten und um die Gesundheit und das Leben ihrer Mitmenschen kämpfen. Wir danken den Mitarbeitern im Gesundheitsamt, bei der Feuerwehr, in den Hilfsorganisationen, bei der Polizei sowie denen, die ihren Dienst im Bereich Sicherheit und Ordnung leisten. Wir danken den Verkäuferinnen und Verkäufern im Supermarkt, den Angestellten in der Bank oder der Apotheke, allen, die in der Betreuung unserer Kinder und Jugendlichen arbeiten, dem Postboten, Bäcker, Metzger, Handwerker, Busfahrer, dem Müllmann und Straßenkehrer. Und wir danken außerdem allen, die sich ehrenamtlich engagieren und Hilfe und Unterstützung jenen in unserer Mitte geben, die sie im Moment so dringend benötigen. Sie alle leisten ihren unverzichtbaren Beitrag, damit unser Miteinander auch unter schwierigsten Vorzeichen weiterhin geordnet verlaufen kann.“
Die Krise zeige eindrucksvoll, wie eng die Hagener zusammenstehen und bereit seien, sich gegenseitig zu helfen und Verantwortung zu übernehmen: „Das berührt mich sehr und gibt mir zugleich die Zuversicht, dass wir die aktuellen und die vor uns liegenden Herausforderungen gemeinsam als Stadtgesellschaft meistern werden.“
Rat überträgt Rechte auf Ausschuss
Im Anschluss stellte der Rat dafür gleich die politischen Weichen. Um auch in den nächsten Wochen arbeits- und handlungsfähig zu bleiben, beschloss die Politik, zunächst bis zum 19. April die Gremientätigkeit komplett einzustellen und lediglich wirklich dringend anstehende Entscheidungen dann allein vom Rat treffen zu lassen. Gleichzeitig wurde entschieden, die Rechte des Rates direkt auf den Haupt- und Finanzausschuss zu übertragen, damit in diesem um zwei Drittel kleineren Gremium und somit bei deutlich minimiertem Ansteckungsrisiko politische Beschlüsse getroffen werden können.