Hagen. Die Hagener Osterkirmes 2020 ist abgesagt. Für die Schausteller eine existenzbedrohende Situation, zumal die Perspektiven fehlen.

„Die Titanic wusste nicht, dass sie untergeht – wir wissen das.“ Andreas Alexius ringt um Fassung angesichts der täglich strengeren Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie. Als Vorsitzender der Hagener Schausteller telefoniert er täglich mit seinen Branchenkollegen, die nackte Existenzängste um ihren Schlaf bringen. Denn nicht bloß der alljährliche Saisonstart mit der Hagener Osterkirmes vom 11. bis 19. April fällt komplett ins Wasser, sondern auch die nächsten Volksfesttermine stehen völlig in den Sternen.

Zahlreiche weitere Volksfest-Termine stehen auf der Kippe

Der Veranstaltungskalender für das Jahr 2020 der Hagener Schausteller ist noch gut gefüllt, allerdings stehen hinter so lukrativen Volksfestterminen wie „Kemnade in Flammen“ (Ende Mai), dem „Hagen blüht auf“-Wochenende (8. bis 10. Mai) oder auch der Innenstadtkirmes in Hattingen bereits mächtige Fragezeichen.

Die Mendener Pfingstkirmes ist bereits abgesagt worden, und auch der Hasper Heimat- und Brauchtum-Verein hat vorsorglich den Kirmesfestzug sowie das übrige Rahmenprogramm rund um die tollen Tage im Hasper Kreisel bereits gestrichen.

Am eigentlichen Kirmes-Spektakel im Juni in Haspe halten die Schausteller derweil weiter fest: „Wir sind voll in der Planung, wenn Berlin es nicht verbietet“, gibt sich Vorsitzender Andreas Alexius optimistisch.

Gleiches gilt für die Volksfeste in Voerde und Gevelsberg. Fraglich bleibt nur, wie viele Kollegen mit ihren Fahrgeschäften bis dahin finanziell durchhalten.

„Was ist danach, und wann ist danach? Für uns kommen die täglichen Verfügungen einem Berufsverbot gleich. Und niemand kann uns sagen, wie wir entschädigt werden“, spiegelt Alexius die Sorgen und Nöte seiner Kollegen wider, die sich oft als Randberufsgruppe ohne große Lobby fühlen. „Für uns ist die Lage existenziell bedrohlich. In unserer Branche sind die Betriebskalkulationen so gestrickt, dass wir die Wintermonate überbrücken können, aber im Frühjahr muss dann wieder frisches Geld ran. Viele von uns müssen jetzt dringend wieder Geld verdienen, sonst können sie nicht einmal mehr zum Einkaufen gehen.“

Einen zünftigen Fassanstich mit Schausteller-Chef Andreas Alexius (re.) und Oberbürgermeister Erik O. Schulz (2.v.re.) wird es in diesem Jahr definitiv nicht geben.
Einen zünftigen Fassanstich mit Schausteller-Chef Andreas Alexius (re.) und Oberbürgermeister Erik O. Schulz (2.v.re.) wird es in diesem Jahr definitiv nicht geben. © Michael Kleinrensing

Dabei ist Alexius keineswegs sauer auf die Stadt Hagen, die angesichts der Verfügungen aus Berlin und Düsseldorf gar nicht anders handeln konnte, als der Schausteller-Zunft für die traditionelle Osterkirmes, die in diesem Jahr 60-jähriges Jubiläum gefeiert hätte, direkt vor der Nase die Tür zuzuschlagen. „Wir akzeptieren, dass wir keine Kirmes machen können“, war der Hagener Schausteller-Chef mit seinen Kollegen beim Blick auf die städtische Veranstaltungscheckliste in der vergangenen Woche noch fest davon ausgegangen, dass die Veranstaltung durchaus möglich gewesen wäre. „Wir hatten uns dem Thema durchaus gestellt“, betont Alexius und erzählt von zehn Edelstahl Waschstationen und weiteren Handdesinfektionsständern, die für die Besucher des Festplatzes bereits beschafft worden seien. Als besondere Attraktion war im Jubiläumsjahr sogar erstmals eine Wildwasserbahn für den Höing engagiert worden. Um das ursprüngliche 1000-Personen-Limit für Veranstaltungen nicht zu überschreiten, hätten die Buden- und Fahrgeschäftsbetreiber auch auf die besonders publikumsträchtigen Angebote wie den Familientag und das Höhenfeuerwehr verzichtet, um den Besucherstrom in Grenzen halten zu können. Überlegungen, die heute längst Makulatur sind.

Dabei waren die gesamten Genehmigungsverfahren für das Osterspektakel 2020 bereits gelaufen, die Werbekampagnen für den Saisonstart längst eingefädelt. Dann kam das Aus. „Die Gebühren für die gesamten Genehmigungen sind bereits geflossen, mit den Erstattungen hängen wir allerdings noch in der Luft“, hoffen die Schausteller auf zügige Entscheidungswege bei der Kommune, mit der man sonst so konstruktiv zusammenarbeite. Denn für die Branche zählt aktuell jeder Euro in der Tasche. „Wir werden überall nur hingehalten“, kann sich Alexius derzeit kaum vorstellen, dass seine Kollegen sich angesichts der diffusen Perspektiven selbst noch so günstige Kredite ans Bein binden mögen.