Hagen. Er ist ein Mann der ersten Stunde: WBH-Projektleiter Matthias Hegerding hat die Entstehung der Bahnhofshinterfahrung von Beginn an begleitet.

Aus dem Mund eines Straßenbauingenieurs klingt diese Erkenntnis eher banal: „Es ist schon schön, wenn das gelingt, was auf Papier geplant wurde“, blickt Matthias Hegerding nach acht Jahren Bauzeit mit zufriedener Gelassenheit auf die Realisierung der Bahnhofshinterfahrung zurück.

„Es ist schon ein Erfolgserlebnis, so etwas beharrlich mit allen Tücken und Fallstricken umzusetzen“, bilanziert der Projektleiter des Wirtschaftsbetriebs Hagen (WBH). Er ist der einzige, der das größte kommunale Straßenbauprojekt in Nordrhein-Westfalen von den ersten Planungsaktivitäten im Jahr 2000 bis zur Fertigstellung im März 2020 durchgängig begleitet hat.

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Eine Aufgabe, die sich als die längste, größte und auch herausforderndste seiner Karriere entpuppte. Inzwischen kann der 62-Jährige sich gelassen zurücklehnen. Ende März wird er in die Passivphase seiner Altersteilzeit eintreten und mit der Fertigstellung des 1,6 km langen Straßenabschnitt sich mit einem gewaltigen Rucksack voller Resturlaub in den Ruhestand verabschieden. Und dies mit durchaus positiven Gefühlen: „Die Bahnhofshinterfahrung ist schließlich mehr als eine bloße Umgehungsstraße“, bilanziert Hegerding. „Sie hat auch eine wesentliche umweltpolitische Komponente, denn es wird uns ja immerhin gelingen, durch den Bau die Feinstaub und Stickstoffdioxid Hotspots am Hauptbahnhof sowie am Bodelschwinghplatz zu entschärfen.“

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Renaturierung des Flusslaufes

Zudem sei auf den letzten Metern der Ennepe eine umfassende Renaturierung des Gewässers gelungen, bevor der Fluss am Fuße der Philippshöhe in die Volme mündet. Weiterer wesentlicher Randaspekt des Straßenprojektes: Es ist eine umfangreiche Flächensanierung an der Westside neben dem Hauptbahnhof sowie eine Reaktivierung der Varta-Industrieflächen in Wehringhausen gelungen. Damit stehen der Stadt Hagen etwa 13,5 weitere Hektar an Gewerbeflächen zur Verfügung. Zudem ist in Wehringhausen mit der Bohne eine attraktive Freizeitfläche entstanden.

Die Zeit der bunten Planskizzen ist jetzt endgültig vorbei: Nach acht Jahren Bauzeit kann das Straßenbauprojekt in der Realität bestaunt werden.
Die Zeit der bunten Planskizzen ist jetzt endgültig vorbei: Nach acht Jahren Bauzeit kann das Straßenbauprojekt in der Realität bestaunt werden. © WP | gkasnakidou

Manche Leute behaupten, die ersten Ideen für die Bahnhofshinterfahrung stammten bereits aus den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. „Die konkreten Planungen sind allerdings erst im Jahr 2000 aufgesetzt worden“, erinnert sich der WBH-Projektleiter. Bereits vier Jahre später habe es eine erste Kostenschätzung gegeben, aus der hervorgeht, dass der Bau nicht unter 65 Millionen Euro zu haben sei. Letztlich wurden sogar 67,2 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt. Inzwischen wurde bekannt, dass das Projekt sogar 7,5 Millionen Euro günstiger realisiert werden konnte.

„Der Erfolg der Bahnhofshinterfahrung liegt darin begründet, dass wir sämtliche Fachplanungen gemacht haben, bevor der Bebauungsplan erstellt worden ist“, betont Hegerding. „Somit brauchten wir nicht mehr viel zu modifizieren, weil von vorneherein alles klar war. Das Risiko, im Verfahren zu scheitern, war damit relativ gering.“ Zwar wurde während des Verfahrens noch die ursprüngliche Idee verworfen, auf der Eckeseyer Seite mit dem Bau zu beginnen. Doch diese Umplanung, die vom Düsseldorfer Fördergeber suggeriert wurde, entpuppte sich im Nachhinein als Glücksfall. Denn somit konnte frühzeitig die Ortsumgehung in Wehringhausen als erster Bauabschnitt geschaffen und dort die Umgestaltung des Quartiers begonnen werden.

Die Probleme im Hintergrund

Doch Matthias Hegerding erinnert sich auch an Phasen, die ihn reichlich Nerven gekostet haben. „Natürlich habe ich auch schlaflose Nächte gehabt“, räumt der 62-Jährige ein. „Aber diese habe ich von der Familie immer ferngehalten – das ist einfach typbedingt.“ Selbstverständlich habe es reichlich Probleme in der Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn AG und den übrigen Firmen gegeben. „Da wird gepokert und gezockt, aber das kann ich durchaus nachvollziehen, schließlich hat man ganz unterschiedliche Perspektiven“, gibt sich Hegerding in der Nachbetrachtung durchaus altersmilde. Vor allem mit der Firma Hawker habe es zähe Grunderwerbsverhandlungen gegeben: „Die haben sich ihre Flächen vergolden lassen, aber gleichzeitig die größten Sauereien hinterlassen.“

Vielmehr ärgern ihn die internen Reibungen im Konzern Stadt: „Diese sind absolut überflüssig“, erinnert er sich an manches internes Ringen im Rahmen des komplizierten planungsrechtlichen Verfahrens. Aber auch finanziell blieb die Bahnhofshinterfahrung stets ein zäher Jonglage-Akt. Mit Blick auf die Förderkulisse des Landes, das sich allein mit 39 Millionen Euro einbrachte, musste die Maßnahme über acht Jahre gestreckt werden: „Wir sind damals förderungstechnisch auf den allerletzten Zug aufgesprungen“, erinnert sich Hegerding. „Fünf Jahre durften wir kein weiteres Investitionsprojekt in Hagen angehen – da hat die Stadt einen hohen Preis bezahlt.“

Umso erfreulicher, dass am Ende der Kostenrahmen unterboten werden konnte. „Dies ist vor allem gelungen, weil wir fast nichts an Bodenmaterial abgefahren haben. In Abstimmung mit den Umweltbehörden ist alles innerhalb des Projekts verbaut worden“, beschreibt der Projektleiter das Geheimnis des Kostenerfolges. Zudem seien die Ausschreibungen für die einzelnen Bauabschnitte noch vor der aktuellen Hochpreisphase erfolgt. „Damals gab es noch keine Kampfpreise“, ist Hegerding erleichtert, dass die spätere Kostenexplosion an dem Straßenprojekt vorbeigegangen ist.

Zeit für Reiter-Hobby

Mit der Eröffnung am Freitag, 13. März, schließt sich für den 62-Jährigen auch sein beruflicher Kreis. Zukünftig wird sich der Pferdehalter, der fünf Tiere in seinen Stallungen im Dortmunder Süden sein Eigen nennt, dafür regelmäßiger seinem Springreiter-Hobby widmen können – ganz abseits irgendwelcher Hinterfahrungen.