Hagen/Berlin. Die Hagener Bundestagsabgeordneten reagieren auf das Urteil zur Sterbehilfe aus Karlsruhe. Die Meinungen gehen dabei auseinander.

Hagens Bundestagsabgeordnete René Röspel (SPD) und Katrin Helling Plahr (FDP) reagieren auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das am Mittwochmorgen erklärte, dass das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gegen das Grundgesetz verstoße. Die Richter in Karlsruhe erklärten damit den 2015 eingeführten Paragraf 217 im Strafgesetzbuch für nichtig. Der Bundestag hatte mit dieser rechtlichen Neuregelung bei der Suizid-Beihilfe nach langer intensiver Diskussion entschieden, dass die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden kann.

SPD-Bundestagsabgeordneter René Röspel
SPD-Bundestagsabgeordneter René Röspel © Michael Kleinrensing

René Röspel hält gekippten Gesetzesentwurf weiterhin für richtig

„Ich hatte diesen Gesetzentwurf, der nach langer und intensiver gesellschaftlicher und parlamentarischer Debatte angenommen wurde, mit erarbeitet und halte ihn auch heute noch für richtig“, sagt René Röspel „Das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist aus meiner Sicht eine falsche und problematische Entscheidung, die mich enttäuscht. Das Gesetz zum Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe war und ist ein Beschluss der Mitte, bei dem zahlreiche Experten und Betroffene beteiligt waren.“ In Deutschland gelte das Selbstbestimmungsrecht auch am Ende des Lebens. Jeder könne selbst und frei entscheiden, sich das Leben zu nehmen – Suizid und auch Beihilfe zum Suizid seien nicht strafbar. Röspel: „Richtigerweise aber ist in Deutschland aktive Sterbehilfe verboten: Niemand darf einem Anderen aktiv das Leben nehmen beispielsweise durch das Setzen einer Giftspritze. Die bisherige Regelung in Paragraf 217 des Strafgesetzbuches verhindert richtigerweise das Handeln von Vereinen oder Personen, die sich die Selbsttötung von Menschen zum „Geschäft“ gemacht haben.“

Vereine, die Selbsttötung zum Geschäft machen, würden Gesellschaft verbessern

Ausdrücklich nicht betroffen von dieser Regelung seien zum Beispiel Ärzte, die ihren Patienten Suizidbeihilfe geben würden, weil sie das für das richtige oder letzte Mittel halten würden. „Paragraf 217 Strafgesetzbuch stellte es aber unter Strafe, absichtlich und auf Wiederholung angelegt die Selbsttötung Anderer zu fördern. Kurz gesagt bleibt der Arzt straffrei, der bei einem seiner Patienten die Selbsttötung unterstützt, auch wenn das im Laufe seiner Praxis mehrmals vorkommt. Wer es sich aber zum Geschäft gemacht hat, Menschen zu suchen, nur um ihre Selbsttötung zu fördern, sollte von dieser Regelung betroffen sein. Ich halte eine solche Regelung nach wie vor für richtig: Vereine oder Menschen, die sich die Selbsttötung Anderer zum Geschäft machen und möglicherweise sogar noch Geld damit verdienen, werden unsere Gesellschaft nicht freier und besser machen, sondern eher ärmer und gleichgültiger“, so Röspel.

Katrin Helling-Plahr sitzt für die FDP im Bundestag
Katrin Helling-Plahr sitzt für die FDP im Bundestag © Plahr

Helling-Plahr fordert liberales Sterbehilfe-Gesetz

FDP-Politikerin Helling-Plahr fordert ein liberales Sterbehilfegesetz. Dafür schlägt sie eine fraktionsübergreifende Initiative vor.„Dass sich das Gericht in seinem Urteil eindeutig zur Selbstbestimmung am Lebensende bekannt hat, ist ein gutes Zeichen. Im Ergebnis ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts richtig, aber nicht ausreichend. Wir brauchen ein Sterbehilfegesetz mit klaren Regeln, unter welchen Voraussetzungen Hilfe zur Selbsttötung in Anspruch genommen oder geleistet werden darf. Ich werde daher meine Kollegen im Deutschen Bundestag einladen, einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag zu entwickeln.“ Es sei wichtig, dass eine solche Initiative aus der Mitte des Parlamentes heraus komme.“ Ein liberales Sterbehilfegesetz solle garantieren, dass eine suizidwillige Person, deren Wunsch frei, eigenverantwortlich und im Vollbesitz der eigenen geistigen Kräfte gebildet worden sei, auch Hilfe in Anspruch nehmen könne. Die Kontrolle der freiverantwortlichen Willensbildung könnte durch ein mehrstufiges Verfahren sichergestellt werden. Ein ärztliches Beratungsgespräch über Behandlungsoptionen und etwaige Alternativen sei obligatorisch. Hierbei müsse sich der Arzt auch von der Einwilligungsfähigkeit und Freiverantwortlichkeit des Sterbewunsches überzeugen. Weiterhin solle der Betroffene durch eine unabhängige Beratungsstelle unterstützt werden, deren Beratung analog zur Schwangerschaftskonfliktberatung ausgestaltet werden könnte.

Dr. Ute Queckenstedt ist Geschäftsführerin des Palliativmedizinischen Konsiliardienstes.
Dr. Ute Queckenstedt ist Geschäftsführerin des Palliativmedizinischen Konsiliardienstes. © Michael Kleinrensing

Palliativmedizinischer Dienst begrüßt die Entscheidung

„Die bisherige Regelung hat viele Mediziner, die in diesem Bereich tätig sind, verunsichert“, sagt Ute Queckenstedt, Geschäftsführerin des Palliativmedizinischen Konsiliardienstes Hagen, Herdecke und Wetter. Ein besonders sensibler Bereich sei beispielsweise das Überlassen von Medikamenten an sterbenskranke Patienten, die diese selber einnehmen und im Missbrauchsfall überdosieren könnten.

„Wenn man das als Mediziner mehr als einmal, also wiederholt tut, könnte es schon als gewerbliche Sterbehilfe interpretiert werden. Das ist bislang eine Rechtsunsicherheit. Deshalb begrüße ich, was das Verfassungsgericht in dieser Hinsicht entschieden hat“, so Ute Queckenstedt. Die bisherige Regelung aus dem Jahr 2015 stellt die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ unter Strafe. Dies setzt dabei kein kommerzielles Interesse voraus, sondern umfasst auch wiederholte Hilfen. Ohnehin geht es in der Palliativmedizin darum, Schmerzen und Krankheitsbeschwerden im Rahmen fortgeschrittener und nicht mehr behandelbarer Krankheiten zu lindern. Den Tod aktiv herbeizuführen, ist nicht das Ziel der Palliativmedizin. Aber sie nimmt eine verkürzte Lebenszeit in Kauf, um Leiden zu lindern.