Hagen. Wirtschaftsförderer Volker Ruff und der Hagener Unternehmerrat wollen nach vielen Strategiedebatten endlich in die Umsetzungsphase kommen.
Das unkoordinierte Herumwurschteln müsse ein Ende haben, Hagen müsse nicht ständig über Strategien diskutieren, sondern dass Erarbeitete endlich gebündelt auf die Straße bringen. Der 2016 gegründete Hagener Unternehmerrat, der aus dem Kreis der Wirtschaft der Stadt Impulse und Denkanstöße liefern möchte, hatte mit einem klar formulierten Anforderungsprofil zu seiner Jahresauftaktveranstaltung 2020 den neuen Geschäftsführer der Hagen-Agentur, Volker Ruff, zu Gast. Das Ziel: mit dem neuen Wirtschaftsförderer konkrete Hagener Zukunftsperspektiven diskutieren.
Aktuelle Zahlen wenig schmeichelhaft
„Mit einer Arbeitslosenquote von 10,9 Prozent bewegt sich die Stadt trotz einer anhaltenden konjunkturellen Hochphase inzwischen wieder auf dem Niveau des Jahres 2013“, konstatierte Unternehmerratssprecher Winfried Bahn.
„Parallel dazu ist die Zahl der Betriebe, die sich zuletzt auf dem Stand von 11.050 bewegte, über alle Branchen hinweg um fast zwei Prozent zurückgegangen“, unterfütterte er seine wenig erbauliche Bestandsaufnahme mit aktuellen Zahlen.
Von den 70.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hagen arbeiten allein 20.000 Frauen und Männer in den 30 größten Betrieben. Gleichzeitig sinke die Zahl der Einpendler kontinuierlich ab, so Bahn, was wiederum die Kaufkraft reduziere.
Vor diesem Hintergrund mahnte der Unternehmerrat, der dem parallel existierenden, aber unterhalb des Radars der öffentlichen Wahrnehmung agierenden Unternehmerverein Hagen längst den Rang abgelaufen hat, die fehlende Strategie in der Flächenpolitik an und kritisierte, dass es keine Ansiedlungspolitik für neue Gewerbetreibende gebe und auch die Innenstadt-Förderung zur Stärkung des Einzelhandels völlig fehle.
„Herr Ruff ist unser neuer Hoffnungsträger“, legte Winfried Bahn, als Sprecher des Unternehmerrates Front-Figur für mehr als 100 Unternehmen und Institutionen, die Latte augenzwinkernd gleich sehr hoch. Dass es in Hagen eine wirtschaftliche Neuausrichtung brauche, unterlegte der Gastgeber gleich mit ausgewählten Daten und Fakten, die eindrucksvoll und zugleich alarmierend verdeutlichten, dass die aktuelle wirtschaftliche Perspektive in Hagen zumindest eingetrübt sei (siehe Infobox). „Wir brauchen die Rahmenbedingungen für 500 neue Betriebe. Das würde Hagen 10 Millionen Euro mehr an Gewerbesteuer und 15 Millionen zusätzliche Einkommensteuer bringen“, rechnete Bahn die Grundlage für Investitionsspielräume gleich vor. Gleichzeitig forderte er eine bessere Finanzausstattung für die Hagener Wirtschaftsförderung die zuletzt eher stiefmütterlich behandelt worden sei.
Mangel an Start-ups
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Eine Steilvorlage, die der Gast des Abends selbstverständlich gerne aufnahm. Dabei versicherte Volker Ruff, dass er die Bestandsaufnahme Bahns weitgehend teile und er mit Blick auf den Arbeitsmarkt ebenfalls zu dem Ergebnis komme, dass es Hagen an innovativen Branchen und Start-ups fehle: „Dies ist eine sehr komplexe Konstellation, in der sich nicht eben der Schalter umlegen lässt. Hagen braucht eine neue strategische Ausrichtung – und dies schnell, beständig und belastbar, um sich für die nächsten 10 bis 15 Jahre verlässlich orientieren zu können“, forderte Ruf.
Für diese Neuausrichtung warb er um strategische Partnerschaften, unter anderem auch mit dem Unternehmerrat. „Wir brauchen ein neues Unternehmertum und neue Ideen – dafür müssen wir Strukturen schaffen, damit Start-ups nicht gleich abwandern. Wir müssen den Standort für Gründer attraktiv machen“, skizzierte der Geschäftsführer der Hagen-Agentur seine Prioritäten.
Kaum Gewerbeflächen im Angebot
Gleichzeitig machte er deutlich, dass es in der Stadt dringend eines Gewerbeflächenmanagements bedürfe. Sein Haus habe derzeit lediglich noch 18.000 Quadratmeter in Herbeck für ansiedlungswillige Unternehmen im Angebot. Allerdings gebe es Anfragen an die Hagen-Agentur sowie über die Business Metropole Ruhr für den Standort für Flächen zwischen 800 und 400.000 Quadratmeter. Insgesamt hätten sich externe Betriebe für etwa 1,3 Millionen Quadratmeter Gewerbefläche in Hagen interessiert, so die Bilanz aus 26 Anfragen aus jüngster Vergangenheit.
Ruff machte zudem deutlich, dass er das Immobilienmanagement der Stadt am Markt moderner präsentieren wolle. Ziel müsse es sein, neue Menschen in die Stadt zu holen und den Fokus auf Qualität zu legen und nicht länger auf die erstbesten Interessenten. Dazu brauche es eine Standortstrategie, die sowohl die Gewerbeflächen, den Arbeitsmarkt, die City als auch den Innovationsbereich umfasse. „Wir haben keinen Masterplan Wirtschaft“, konstatierte Ruff kritisch. Nur auf Basis dieser Grundlage ließen sich strategische Ziele ableiten und letztlich auch über Geld reden. Der Wirtschaftsförderer kündigte an, dass er mit der Hagen-Agentur internationaler auftreten wolle und mit den Marken „Hagen-Business“ und „Hagen-Marketing“ für einen moderneren Weg einstehe.
Wirtschaft setzt auf Offensive
In der sich anschließenden Diskussion, zu der sich aus dem politischen Bereich lediglich Vertreter der Liberalen ins Volmetal verirrt hatten, machten die Vertreter des Unternehmerrates deutlich, dass sie zur inhaltlichen Profilierung des Standortes Hagen in den vergangenen Jahren schon reichlich Vorarbeit geleistet hätten. Daher sei es jetzt geboten, Vorhandenes endlich zu bündeln und mit einer Wirtschaftsoffensive tatsächlich anzufangen.
Architekt Markus Meier machte zudem deutlich, dass es in der radikalen Sparphase unter Oberbürgermeister Jörg Dehm ein strategischer Fehler gewesen sei, im Bereich der Planungsverwaltung tiefe personelle Einschnitte vorzunehmen. „Man darf sich das Gehirn nicht amputieren“, zeigte sich der Bauschaffende erleichtert, dass inzwischen ein Umdenkungsprozess in Politik und Verwaltung eingesetzt habe. Allerdings habe der Standort Hagen durch diesen Irrweg viel Boden verloren.