Hagen. Dechant Norbert Bathen aus Hagen legt im Interview dar, warum er sich im Lager der Konservativen sieht und was er von kirchlichen Reformen hält.

Dr. Norbert Bathen (68) ist seit 1996 Pfarrer der Gemeinde St. Marien in Hagen und seit 2014 Leiter des Pastoralen Raumes Hagen-Mitte-West sowie Dechant des Dekanates Hagen-Witten.

Sie schreiben im Gemeindebrief von der Sorge um die Kirche in Deutschland, die Sie umtreibt. Was meinen Sie damit?

Dr. Norbert Bathen: Seit meiner Jugend muss ich erleben, dass es zwei Lager in der katholischen Kirche gibt: auf der einen Seite die Reformer, auf der anderen die Bewahrer. Aber während es zu Zeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils noch möglich war, einen Konsens zu finden, habe ich mittlerweile den Eindruck, dass eine Einigung nicht mehr möglich ist. Zu tief sind die Gräben.

Sie selbst zählen sich sicher zu den Bewahrern. Sind Sie ein Erzkonservativer?

Das bin ich nicht, obwohl mir natürlich bewusst ist, dass andere das von mir behaupten. Der Grund dafür ist sicherlich, dass ich die Lehre der Kirche für richtig halte und dies auch vertrete. Ich war nie ein Reformer, aber eben auch kein Hardliner, der sich mit der modernen Welt nicht anfreunden kann. Als konservativ lasse ich mich dagegen gern bezeichnen. Das muss man als Theologe auch sein.

Wieso müssen Theologen konservativ sein?

Was das Wesen unserer Religion ausmacht, liegt 2000 Jahre zurück. Und dieser alte Glaube ist es, der bewahrt werden muss. Conservare heißt ja bewahren. Wir kreieren ja hier und heute keine neue Religion, sondern bewahren den überlieferten Glauben.

Aber die Zeiten ändern sich doch. . .

Die Zeiten vielleicht, aber nicht das Wesen des Menschen. Auch wenn wir heute, wie es so schön heißt, im Zeitalter der Digitalisierung leben mögen, sind die Eigenschaften, die den Menschen ausmachen, die gleichen wie zur Zeit Jesu geblieben, etwa Verstand, Sexualität oder bestimmte Regeln des Zusammenlebens.

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Und was folgt Ihrer Meinung nach daraus?

Nun, der Glaube ist lediglich die menschliche Antwort auf die göttliche Offenbarung. Die Inhalte des Glaubens aber haben die Menschen nicht selbst gemacht, sondern diese stammen von Gott. Sie ändern sich nicht, nur weil sich die Lebensumstände hier auf Erden ändern oder ein neues Zeitalter heranbricht.

Betrifft das auch den Zölibat?

Der Zölibat ist kein göttliches Gebot, daher kann er theoretisch aufgehoben werden. Aber es gibt durchaus theologische Gründe, um ihn zu rechtfertigen, allen voran die Tatsache, dass er die Lebensform Jesu Christi war. Und da ein Priester Jesus nacheifern soll, ist es auch für ihn die adäquate Lebensform. Das wird durch viele Bibelstellen gestützt, etwa durch die Hochschätzung der Ehelosigkeit in den Paulusbriefen oder wenn Jesus im Evangelium von der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen spricht.

Herrscht denn nicht etwa ein eklatanter Priestermangel?

In Hagen mangelt es eher an den Gläubigen. Mit dem Stab an geistlichen Mitarbeitern kommen wir derzeit bestens zurecht. Wenn die Kirchen wieder voll wären, dann würde es, davon bin ich überzeugt, auch wieder mehr Priester geben.

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Warum sind Sie Priester geworden?

Für einen Priester besitzt ja die Eucharistie eine zentrale Bedeutung. Sie zu feiern, war für mich ausschlaggebend. Und natürlich meine innere Nähe zu theologischem Denken und Fragestellungen.

Da Sie auch Philosophie studiert haben, haben Sie doch sicher atheistische Lehren kennengelernt.

Ja. Atheismus ist rational nicht vorstellbar. Atheismus heißt ja, dass es keinen Gott gibt. Und das kann man nicht beweisen. Rationell vorstellbar ist der Agnostizismus, der dahin gestellt lässt, ob es einen Gott gibt, da man ihn eh nicht erkennen kann.

Andersherum lässt sich die Existenz Gottes genau so wenig beweisen, oder?

Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts? So kann man es vielleicht prägnant formulieren, weil diese Frage zur Annahme eines Schöpfergottes führt. Aber nicht zu einem Beweis, das stimmt schon.

Auch in Hagen fordern Vertreterinnen der Bewegung Maria 2.0 die Zulassung von Frauen zu geistlichen Ämtern. Wie stehen Sie dazu?

Jesus hat nur Männer zu den zwölf Aposteln berufen. Die Bischöfe und die Priester sind die Nachfolger der Apostel. Papst Johannes Paul II. hat festgelegt, dass diese Auffassung nicht revidierbar ist. Die Kirche hat nicht die Vollmacht, an dieser Frage etwas zu ändern.

Sind denn Ihrer Meinung nach überhaupt Reformen notwendig in der Kirche?

In der Geschichte der Kirche ist es des öfteren zu Reformen gekommen, etwa wegen zu starker Verweltlichung. Auch die Reformation war ursprünglich als Reform gedacht und ist dann, so könnte man es aus katholischer Sicht formulieren, aus dem Ruder gelaufen.

Droht eine neue Reformation?

Theologie und Philosophie studiert

Norbert Bathen wurde im April 1951 als Kind gläubiger Eltern in Meschede geboren.

Nach dem Abitur am Gymnasium der Benediktiner studierte er Theologie und Philosophie in Paderborn und Fribourg/Schweiz. 1974 legte er das theologische Examen ab und wurde 1975 in Paderborn zum Priester geweiht.

Von 1976 bis 1979 war er als Vikar in Hamm-Herringen tätig, anschließend als Aushilfspfarrer in Drolshagen-Iseringhausen. 1986 erwarb er seinen Doktortitel in Philosophie.

Anschließend blieb er weitere zehn Jahre als Pfarrvikar in Iseringhausen tätig und hatte zusätzlich einen Lehrauftrag am Lehrstuhl für Philosophie der Universität Bonn.

Sein Ziel, sich zu habilitieren, gab er 1996 angesichts der Arbeitsbelastung auf. Norbert Bathen wurde noch im selben Jahr Pfarrer der St.-Marien-Kirche in Hagen.

Ich sagte ja eingangs, dass ich mir wegen der extremen Lagerbildung innerhalb der Kirche große Sorgen mache. In manchen Streitpunkten, etwa was die Frauenfrage angeht, sehe ich keine Kompromissmöglichkeiten. Wenn aber keine Brücken mehr möglich sind zwischen den Lagern, dann läuft es letztlich auf eine Spaltung hinaus. Und das wäre das Schlimmste, was der Kirche passieren könnte.