Hagen. Zum 100. Geburtstag erinnert die Künstlervereinigung Hagenring an die Malerin Ruth Eckstein. Sie gehört zu den starken Kunstfrauen Südwestfalens

Die Hagener Malerin Ruth Eckstein (10. 1. 1920 - 13. 8. 1997) gehört zu den faszinierenden Künstlerinnen Westfalens. Zum 100. Geburtstag ehrt der Hagenring sie mit einer spannenden Retrospektive in seiner Galerie. 42 Exponate geben Aufschluss, wie die Meisterschülerin Willi Baumeisters ab den 1950er Jahren zu einer eigenständigen Abstraktion findet. Die Ausstellung wird am Sonntag, 12. Januar, um 11 Uhr eröffnet.

Bei Ruth Eckstein durchläuft das Figürliche einen Verwandlungsprozess, der sich in Experimenten mit organisierter Farbmalerei äußert, deren Flächen sich teilweise an der Grenze zum Mosaik bewegen. An Paul Klee erinnern diese Werke mit ihren umrisshaft durchschimmernden Köpfen, aber auch an August Macke. Denn Ruth Eckstein reduziert Stadtansichten auf Bögen und Quadrate, aus denen neue Landschaften wie Farbfelder wachsen.

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Mehr noch als Willi Baumeister ist dessen Lehrer Adolf Hölzel zu ihrem Vorbild geworden, einer der großen Wegbereiter der Moderne. „Sie hat auch mit Collagen experimentiert, das war für eine Malerin zu der Zeit nicht selbstverständlich“, würdigt der Hagener Künstler und Hagenring-Vorstandsmitglied Karl-Friedrich Fritzsche die Malerin. „Ab den 1970er Jahren hat sie viel auf Rupfen gearbeitet, das ist eine sehr strukturierte Oberfläche. So entsteht diese erdige Tonigkeit in den Farbklängen ihrer Arbeiten.“

In Theresienstadt interniert

Ruth Eckstein wächst in Hagen als Tochter des Stadtarchitekten Alfred Eckstein und seiner Frau Meta auf. 1936 wird der jüdische Vater, der Impulsgeber für den berühmten Kuppelbau der später zerbombten Hagener Stadthalle, aus politischen Gründen aus dem Dienst entlassen. Die Familie siedelt nach Stuttgart-Laudenbach über; Ruth Eckstein muss Zwangsarbeit leisten und wird 1945 im Konzentrationslager Theresienstadt interniert.

Die Nationalsozialisten und ihr Krieg rauben Eckstein und ihren Altersgenossen die Möglichkeit, sich schon in ihren jungen Jahren mit den künstlerischen Visionen der Zeit auseinanderzusetzen. Der NS-Terror hinterlässt eine Generation von traumatisierten Spätberufenen. Doch bereits 1947 nutzt die fast 30-jährige die Möglichkeit, an der Kunstakademie in Stuttgart zu studieren; 1950 kehrt sie mit ihren Eltern nach Hagen zurück, wird Mitglied im Hagenring, im Ring Bergischer Künstler in Wuppertal und gehört bis ins hohe Alter zu den aktiven und prägenden Künstlerpersönlichkeiten der Region. Ihr reiches Schaffen dokumentiert sie in vielen Einzelausstellungen und Beteiligungen in Deutschland und Europa.

Sorgfältige Werkpflege

In ihrem Testament hat die Malerin 20 referenzielle Werke dem Hagener Osthaus-Museum vermacht. Den Nachlass betreut Neffe Hans Eckstein. „Mein ganzes Leben habe ich auf Bilder von Ruth Eckstein geschaut“, sagt er, „in der Familie hängen überall Werke der Tante.“ Hans Eckstein hat das Werkverzeichnis erstellt und das Oeuvre fotografisch dokumentiert. Er lagert den Bestand im Souterrain des ehemaligen Wohnhauses von Ruth Eckstein.

Eine derart sorgfältige Werkpflege ist nicht selbstverständlich. Bei vielen bedeutenden regionalen Künstlern verschwinden das Werk und die dazugehörigen Dokumente nach ihrem Tod, weil es keine Erben gibt oder die Nachkommen sich nicht darum kümmern können, Ausstellungen zu organisieren. Für Malereien und Skulpturen gibt es oft buchstäblich keinen Platz. Im schlimmsten Fall landen sie auf dem Sperrmüll. Herwig Pütter zum Beispiel, ebenfalls 1920 geboren und zu Lebzeiten ein prägender Künstler in Südwestfalen, kennt heute niemand mehr.

Erinnerung lebendig halten

Um dem Vergessen entgegen zu wirken, versucht die traditionsreiche Künstlervereinigung Hagenring, die Erinnerung an die bedeutenden Künstler der Region lebendig zu halten. „Wenn der Nachlass nicht von den Erben verwaltet wird, ist das ein Riesenproblem“, konstatiert Karl-Josef Steden, der Vorsitzende der im Jahr 1924 gegründeten Vereinigung. „Aus der Not heraus versucht der Hagenring, sich zu kümmern und baut derzeit ein Archiv auf.“

Ruth Eckstein gehört nicht nur zu den Malern, die nach 1945 den Aufbruch in neue Bilderwelten wagen, sie ist auch Teil einer Gruppe von südwestfälischen Malerinnen, zu denen die älteren Kolleginnen Lis Goebel und Toni Farwick gehörten, im weiteren Sinne auch die befreundete Bildhauerin Eva Niestrath-Berger. Toni Farwick (1886 Warstein - 1979 Hagen) wird bereits 1917 von Karl Ernst Osthaus ausgestellt, ist Schülerin von Lovis Corinth und erlebt gerade auf dem Kunstmarkt eine kleine Wiederentdeckung. Ebenfalls bei Corinth und Käthe Kollwitz hat Lis Goebel, die „Frau mit Hut“, (1884 Hagen – 1970 Herdecke) studiert.

Ruth Eckstein mochte Menschen, sie war mit ihren Künstlerkollegen und Freunden gut vernetzt, sie liebte ihre westfälische Heimat und vor allem liebte sie ihre Berufung. Sie sagte: „Ein Leben ist zu kurz für die Kunst.“

www.hagenring.de