Hohenlimburg. Ein Vierjähriger hat Christa Fielitz mit seinem Tret-Fahrrad angefahren und am Bein verletzt – aber die Versicherung muss nicht zahlen
Wie lange darf ein vierjähriges Kind ohne Aufsicht bleiben? Dass viel von dieser Frage abhängen kann, musste Christa Fielitz schmerzhaft erfahren. Denn wenige Sekunden im Sommer genügten, um ihr Bein schwer zu verletzen. Und die Folgen spürt sie bis heute.
Unfall auf dem Campingplatz
Rückblick: Im Juli dieses Jahres war die Hohenlimburgerin mit ihrem Mann, beide leidenschaftliche Camper, unterwegs mit dem Wohnmobil auf einem Campingplatz im Münsterland. Wenige Kilometer entfernt lag ein zweiter Campingplatz, den die beiden als mögliches Urlaubsziel künftiger Reisen erkunden wollten.
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Vor Ort angekommen, gingen sie über den Weg, als ein vierjähriger Junge mit seinem Tret-Fahrrad aus der Kurve angerauscht kam. „Das ging so schnell, ich habe ihn nicht kommen sehen“, sagt die 73-Jährige. Es kam zum Zusammenstoß.
Das Schutzblech schnitt eine Wunde in ihr rechtes Bein, quer über rund 20 Zentimeter. Auch das Kind stürzte, rappelte sich aber schnell wieder auf, erinnert sich Fielitz zurück. Die Eltern habe sie vor dem Unfall nicht gesehen. „Sie kamen aber später dazu.“
Der Rettungswagen brachte Christa Fielitz ins Krankenhaus. Die Wunde wurde mit 20 Stichen genäht, nach vier Stunden verließ sie das Krankenhaus mit Krücken, ihr verletztes Bein steif verbunden. „Ich durfte es nicht bewegen, damit die Wunde heilen kann.“
Folgen bis heute spürbar
Dass Christa Fielitz nun nicht mit dem Finger auf ein vierjähriges Kind zeigt und ihm Vorwürfe macht, ist selbstverständlich. „Dumm gelaufen“, sagt Fielitz. Es handelt sich um einen sehr unglücklichen Unfall. Dass dieser Unfall aber bis heute Behandlungen nach sich zieht und Kosten verursacht, die sie komplett selbst tragen muss, ist ein Problem – denn die Haftpflicht-Versicherung greift in ihrem Fall nicht.
Rechtliche Grauzone
Rechtlich befindet sich ihr Fall nämlich in einer Grauzone. Zwar haften die Eltern über die Aufsichtspflicht. Aber: Wie diese auszulegen ist, dazu gibt es keine gesetzliche Regelung. „Dies bleibt der Rechtsprechung überlassen, die wiederum nur Einzelfallentscheidungen trifft“, erklärt Rechtsanwalt Kai-Uwe Müller, der den Fall betreut. Für seine Mandantin bestehe daher weitgehende Unsicherheit.
Genauso im übrigen wie für Eltern allgemein. Denn wie lange ein Kind etwa allein zuhause bleiben darf, das gelte es je nach Risikobereitschaft und Gefahrenbewusstsein immer neu zu entscheiden.
Ob eine Klage wegen unterlassener Aufsichtspflicht Erfolg hat, ist schwer abzusehen und kommt auf die Einschätzung des Richters an. Christa Fielitz überlegt noch, ob sie das Risiko eingehen soll, auch weil sie keine Rechtsschutzversicherung hat und droht, auf den Kosten des Verfahrens sitzen zu bleiben. „Ich hatte Glück im Unglück, dass es nur eine Fleischwunde war“, so Fielitz. „Wäre die Knochenhaut betroffen, hätte ich vielleicht ein steifes Knie behalten.“
Verschiedene Urteile
In mehreren Fällen urteilten Amtsgerichte, dass ein sechsjähriges Kind auf einem Fahrrad nur dann ordnungsgemäß beaufsichtigt ist, wenn der Aufsichtspflichtige eingreifen kann.
Demgegenüber urteilte etwa das Oberlandesgericht Hamm, dass eine starre Altersgrenze nicht anzunehmen sei und entschied etwa bei einem sechsjährigen Kind gegen die ständige Aufsichtspflicht.