Hagen-Mitte. Der Weihnachtsmarkt öffnet erstmal am Totensonntag in den Abendstunden. Und die Gassen und Buden sind unheimlich gut besucht.
Machen wir uns nichts vor. Aus Barmherzigkeit oder Lust und Laune haben die Händler gestern Abend, am Totensonntag, nicht ihre Imbiss-, Getränke- und Verkaufsstände auf dem Hagener Weihnachtsmarkt aufgemacht. Weihnachtsmärkte sind aus wirtschaftlicher Sicht ein sehr ertragreiches Saison-Geschäft, bei dem es um Hunderttausende Euro Einnahmen geht. Die Öffnung am Feiertag gestern Abend hat die Bevölkerung gespalten. Den Besucherstrom zum Weihnachtsmarkt hat das aber nicht kleiner werden lassen. Ein Markt-Rundgang am Abend des Totensonntags.
Rund um die „Öse“ am Volkspark: dichtes Geschiebe. An der Engstelle zwischen Kampstraße und Ebert-Platz: Jacke an Jacke. Dauerndes „Tschuldigung“ und „Oh, pardon“. Vor der „Feuerzangenbowle“ teilweise Bestellungen aus zweiter Reihe und am Riesenrad (Fahrt fünf Euro, für Kinder vier Euro) Anstehen bis auf den Vorplatz. Der Weihnachtsmarkt in Hagen gestern Abend: Hochbetrieb trotz Feiertag. Man hat das Gefühl, die halbe Stadt kommt zum Abendessen und mit Blick auf die Preistafeln wird jeder, der mit Kumpels was isst und trinkt 20 bis 30 Euro los. Familien noch mehr.
Besucherin Saskia Blasberg bringt es für sich pragmatisch auf den Punkt: „Ich habe Hunger, deswegen gehe ich hin.“ Sie gedenke der Toten in all ihren Gedanken. Und wenn sie später nach Hause komme, würde sie eine Kerze anzünden. Eine Verbindung zwischen Totensonntag, einem eigentlich evangelischen Gedenk- aber landesweiten Feiertag, und dem Markt-Besuch, die viele für sich herstellten. „Ich gedenke der Lebenden und Toten nicht nur an einem Tag, sondern jeden Tag. Die Weihnachtsmarkzeit ist jedoch nur einmal im Jahr und sollte somit auch ab Öffnung jeden Tag besucht werden können“, findet Christiane Bunse.
Scharfe Kritik aus der Politik
Was die Schausteller und Markthändler ja, wie berichtet, genau so sehen. Den gestrigen Totensonntag sahen die Schausteller als Test. „Nur wenn die Besucherresonanz positiv ist, werden wir auch in den kommenden Jahren öffnen“, hatte Alex Talash, Sprecher des Hagener Weihnachtsmarktes, zuvor gesagt.
Immer wieder, so hatte Veranstalter Dirk Wagner erklärt, habe er in der Vergangenheit Anfragen erhalten, ob an genau diesem Sonntag nicht ebenfalls geöffnet werden könne.
Aus mehreren Teilen der Hagener Gesellschaft hatte es für den Entschluss Kritik gegeben. Die Hagener CDU beispielsweise hatte das als „sinnschädigend“ bezeichnet und gleich angekündigt, politisch an der Satzung des Marktes rütteln zu wollen – als ablehnende Voraus-Verkündung fürs nächste Jahr.
Das sehen auch viele Bürger so. „Wir verlieren immer mehr Werte. Warum kann man nicht diese besonderen Tage respektieren? Die Adventszeit hat noch gar nicht angefangen. Es ist noch genug Zeit auf den Weihnachtsmarkt zu gehen“, meldet sich Edith Nierhoff auf der Facebook-Seite unserer Zeitung zu Wort. Und Anja Brand unterstreicht: „Für mich ist dieser Tag ein stiller Tag, ein Tag an dem wir unserer toten Familienmitglieder und Freunde gedenken. Ich finde es für mich unpassend an so einem Tag einen Weihnachtsmarkt zu besuchen.“
Auf dem Weihnachtsmarkt spielten all diese Einwände gestern Abend bis 22 Uhr keine Rolle. Die Ruhrgebietssprache hat für die Besucherfrequenz gestern Abend ein knappes Wort geprägt: rappelvoll.
Zum Hintergrund
Es gibt eine strikte Feiertagsregelung, die per Gesetz vorschreibt, dass an s tillen Feiertagen ein Auftritts- und Tanzverbot von 5 Uhr in der Früh bis 18 Uhr eingehalten werden muss. Daran haben sich die Schausteller gestern auch gehalten.
Von 18 bis maximal 22 Uhr hingegen wurden sämtliche Imbiss-, Getränke- und Verkaufsstände geöffnet.
Die Schausteller hätten, so Sprecher Alex Talash, beim städtischen Ordnungsamt einen Antrag bezüglich der Zusatz-Öffnungszeit gestellt und dieser sei genehmigt worden.