Hohenlimburg. Jennifer Schulte leitet zwei Kindertagesstätten in Hohenlimburg. Sie gibt Einblicke in den Alltag – und stellt fest: Wir brauchen mehr Personal.
Jubiläum im Weinhof: Seit 25 Jahren arbeitet Jennifer Schulte als Erzieherin in Kindertageseinrichtungen, seit fünf Jahren leitet sie die Kita „Arche Noah“ und den Kindergarten St. Bonifatius. Anlass für einen Blick hinter die Kulissen des Kita-Alltags im Weinhof.
Langweilig werde es ihr bei der Arbeit nie, sagt Jennifer Schulte. „Im Kindergarten gibt es zum Glück keine Routinen“, so Schulte mit Blick auf immer neue Konzepte und Neuerungen in Pädagogik und Kita-System. Seit sie vor 25 Jahren in den Beruf gestartet ist, habe sich viel verändert. Aus den klassischen Kindergärten von einst sind mittlerweile professionelle Bildungseinrichtungen geworden. „Wir wollen die Kinder heute nicht mehr nur ,verwahren’ wie früher, sondern sie bilden und Persönlichkeiten aus ihnen machen.“ Aktueller pädagogischer Ansatz, der diesem Ziel in ihren Kitas „Arche Noah“ und St. Bonifatius zugrunde liegt: das “teiloffene Konzept“. Heißt: Jedes Kind wird dort abgeholt, „wo es steht“.
Zwar gebe es weiterhin Stammgruppe, jedoch könne das Kind darüber hinaus auch Aktivitäten in anderen Gruppen besuchen. Eine große Tafel im Flur zeigt an, was wo passiert. „Wenn die Kinder zum Beispiel sehen, dass in einer Gruppe gerade gebacken oder in der anderen gebastelt wird, können sie dazukommen, wenn sie möchten und noch ein Platz frei ist“, sagt Schulte. Dazu gebe es innerhalb der Kitas verschiedene feste Räume, etwa einen Raum zum Bauen und eine Bibliothek. Mehr als früher entscheiden die Kinder also selbst, worauf sie gerade Lust haben und was sie machen wollen.
Ganz ohne Leitlinien? Jennifer Schulte schüttelt den Kopf. „Das Konzept ist mit vielen Regeln verknüpft – allein schon, weil hier 65 Kinder in einer Einrichtung sind.“ So könnten etwa nicht alle Kinder gleichzeitig auf den Spielplatz und müssten sich jedes Mal abmelden, wenn sie eine andere Gruppe besuchen wollen.
Hohe Anforderungen
Was in der Theorie erst einmal gut klingt, bedeutet in der Praxis aber auch höhere Anforderungen an die Erzieherinnen. Wo früher eine große Gruppe bei gemeinsamen Tätigkeiten beaufsichtigt wurde, müssen heute die vielen kleinen Einzelinteressen der Kinder berücksichtigt werden. Hinzu kommt, dass gesetzlichen Rahmenbedingungen die Zeit der Kräfte vor Ort zunehmend beanspruchen, wie Schulte erklärt. So müsse etwa die Temperatur des angelieferten Essens und des Kühlschranks kontrolliert werden, ebenso wie die Spielplätze vor dem Betreten. „Wir müssen deutlich mehr dokumentieren als früher. Das dient natürlich dem Kindeswohl, nimmt aber auch mehr Zeit in Anspruch.“ Ausreichend Personal habe sie dafür nicht, sagt die Kita-Leiterin. „Wir brauchen mehr Hauswirtschaftskräfte, die uns in der Küche unterstützen“, so Schulte. Auch deshalb war sie, gemeinsam mit rund 12.000 Menschen, im Mai vor dem Landtag in Düsseldorf demonstrieren. Anlass ist die geplante Reform des Kinderbildungsgesetztes („Kibiz“). „Es zeichnet sich ab, dass es hinsichtlich der Forderungen kaum Veränderungen gibt. Der Personalschlüssel ist nicht ausreichend, um qualitative Bildungsarbeit zu leisten.“ Sie wolle sich weiter politisch einbringen, um die Reform mitzugestalten.
Wichtige politische Debatten, die aber die vielen Kinder um sie herum nicht interessieren müssen. „In den 25 Jahren im Beruf blieben die Kinder trotz aller Umstände immer Kinder – und das ist das Schöne daran.“