Hagen. Tausende Tote, die Innenstadt in Trümmern. Vor 80 Jahren brach der Zweite Weltkrieg aus. Mit katastrophalen Folgen für die Stadt Hagen.
Der Anfang ist der Anfang vom Ende. Und dieses Ende ist nur wenige Jahre vom Anfang entfernt. Es ist ein Ende, das eine tiefe Zäsur in der Stadtgeschichte bedeutet. Am 1. September zementiert Adolf Hitlers Erklärung im Reichstag („Seit 5.45 Uhr wird zurückgeschossen“) den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Fünfeinhalb Jahre später liegen weite Teile der Stadt Hagen in Trümmern. 1000 Hagener sind bei Bombenangriffen und als Soldaten an der Front gestorben.
Dabei verändert der Ausbruch des Krieges den Alltag in der Stadt Hagen vom ersten Augenblick an – auch wenn die Front zunächst noch hunderte Kilometer entfernt ist. „Kurz nach dem Beginn des deutschen Überfalls auf Polen erhielt der Bereitschaftsoffizier der Luftschutzleitung Hagen vom Befehlshaber des Ordnungsdienstes ein Telegramm“, sagt der Historiker Dr. Ralf Blank, Leiter des Fachdienstes Museen, Wissenschaft und Archive bei der Stadt Hagen. „Die Anweisung lautete kurz und knapp: Ab sofort ziviler Luftschutz.“ Die Luftschutzleitung war im früheren Amtsgericht an der Prentzelstraße untergebracht.
Wenige Tage nach Kriegsausbruch heulen Sirenen zum ersten Mal
Nur einen Tag dauerte es, bis zum ersten Mal „Luftgefahr“ für Hagen ausgerufen wurde. „Allerdings handelte es sich um deutsche Flugzeuge, die in einigem Abstand an Hagen vorbeiflogen“, so Blank weiter. Zwei Tage später, am 4. September 1939, heulten zum ersten Mal die Sirenen über den Dächern der Stadt. „Um 2.04 wurde der erste ernste Fliegeralarm ausgelöst“, so Blank, der Dozent an der Ruhruniversität in Bochum ist, „am Vortag hatten Großbritannien und Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg erklärt. Damit wuchs sich der deutsche Überfall zu einem Gesamteuropäischen Konflikt aus.“
In den frühen Morgenstunden dieses Tages überflogen einzelne britische Maschinen des Typs „Whitley“ in großer Höhe den Luftraum über Hagen. Ihre Fracht waren noch keine todbringenden Bomben. „Sie hatten den Auftrag, Flugblätter über dem rheinisch-westfälischen Industriegebiet abzuwerfen“, erklärt Blank, der seit Jahren einen seiner Forschungsschwerpunkte auf den Zweiten Weltkrieg und seine Auswirkungen auf das Ruhrgebiet gelegt hat. „Darauf wurde das völkerrechtswidrige Verhalten der nationalsozialistischen Regierung angeprangert.“
Langer Alarm stört Abhörgeräte
Über diesen ersten Alarm vermerkte der diensthabende Luftschutzoffizier im Kriegstagebuch: „Die Straßen waren von der Bevölkerung schnell geräumt. Hagen wurde mehrmals durch Feindflugzeuge überflogen, Angriffe fanden nicht statt. Die Feindflugzeuge dienten zur Aufklärung über dem Reichsgebiet. Die Alarmierung zog sich zu sehr in die Länge, dadurch wurde die Flak in ihrer Horchtätigkeit erheblich behindert.“
Dieser erste Alarm war aber nur der Auftakt einer ganzen Serie. „In den folgenden Wochen und Monaten wurde immer wieder Fliegeralarm ausgelöst“, sagt Ralf Blank, „auf dem Stadtgebiet und in der Umgebung wurden Flugabwehr-Batterien stationiert. Flaksoldaten gehörten bis Kriegsende zum Alltagsbild in der Stadt.“
Versorgung über Lebensmittelkarten rationiert
Gleichwohl war für viele Hagener der Krieg in den ersten Tagen und Monaten noch weit weg. „Bis ins Frühjahr 1940 hinein herrschten nahezu friedensmäßige Bedingungen“, so Ralf Blank. „Allerdings gab es erste Einschränkungen. Die Versorgung wurde durch Lebensmittelkarten rationiert. In der Villa Altenloh an der Elberfelder Straße wurde das Warnkommando Hagen eingerichtet. Es war für die Auslösung von Fliegeralarm in Hagen zuständig.“
Schwärzester Tag für Hagen am Ende des Kriegs
267 Maschinen waren beim dritten Angriff am 15. März 1945 für den Flächenangriff auf Hageneingeteilt. Sie waren ab 16.20 Uhrin Ostengland gestartet. Die ersten Bomben wurden um 20.29 Uhr über Hagen abgeworfen. 16 Minuten später war der erste Angriff an diesem Abend beendet. Eine zweite Welle traf Hagen zwischen 22.01 und 22.10 Uhr.
Diesen schwärzesten Tag der Stadtgeschichte wollen Dr. Ralf Blank und Stadtarchivar Andreas Korthals in einem Buch minuziös und aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.
Bei der größten Bunkerkatastrophe im Zweiten Weltkrieg starben im Hochbunker an der Körnerstraße mehr als 400 Menschen.
Unmittelbar nach Kriegsbeginn verschlechterte sich für die in Hagen lebenden Juden die Situation dramatisch. „Für viele war plötzlich nichts mehr so, wie es war“, sagt Ralf Blank, „in Zusammenarbeit von Geheimer Staatspolizei und Stadtverwaltung wurden sie in Judenhäusern wie in Ghettos zusammengefasst.“
Am 16. Mai 1940 fallen die ersten Bomben auf Hagen
Für den Rest der Bevölkerung änderte sich am 16. Mai 1940 der Alltag radikal. Es war der Tag, an dem zum ersten Mal Bomben auf Hagen abgeworfen wurden. „Es gab Tote, Verletzte und Schäden“, sagt Ralf Blank. Der Krieg war den Hagenern über Nacht ganz nah gekommen. „Am Ende des Kriegs lag Hagen in Trümmern. Drei britische Flächenangriffe, drei US-Angriff auf Bahnanlagen sowie zahlreiche kleinere Luftangriffe hatten eine Ruinenstadt hinterlassen. Als Hagen am 15. April 1945 besetzt wurde, gab es in der Innenstadt kaum ein unbeschädigtes Gebäude.“