Hagen. Hohe Arbeitslosigkeit, überschuldete Privathaushalte und immense kommunale Schulden – Experten zählen Hagen zu den gefährdeten Regionen.

Deutschlands Metropolregionen boomen, während der ländliche Raum und der Osten darben? Dieser eher holzschnittartigen Frage ist eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Kooperation mit Wissenschaftlern vier deutscher Hochschulen nachgegangen und hat dabei weitaus differenziertere Ergebnisse ermittelt: 19 von insgesamt 96 deutschen Regionen haben erhebliche Probleme und brauchen gezielte Unterstützung, darunter auch der Raum Hagen/Bochum. Und auch die übrigen liegen längst nicht alle in Ostdeutschland oder auf dem platten Land.

In den drei Bereichen Wirtschaft, Demografie und Infrastruktur haben die Studienautoren für das Ranking insgesamt zwölf Indikatoren untersucht. Mit Blick auf die Wirtschaft liegen die Schlusslichter in Westdeutschland: Besonders düster sieht es in Duisburg/Essen, Emscher-Lippe und Bremerhaven aus. In der Region Hagen/Bochum beurteilen die Wissenschaftler vor allem die Arbeitslosenquote jenseits der 10-Prozent-Marke sowie die immense Überschuldung der privaten Haushalte kritisch. Ostdeutschland hat indes vor allem ein Demografie-Problem – das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt überproportional an, weil die jüngere Generation anderswo ihr Glück sucht.

Milliarden-Defizit

Bei der Infrastruktur gibt es derweil wieder deutschlandweit Probleme. Die drei westdeutschen Regionen Emscher-Lippe, Trier und Westpfalz plagen besonders hohe Verschuldungsquoten, aber auch die Region Hagen/Bochum (Liquiditätskredit/städtischer Dispo: -1,05 Milliarden Euro) gehört hier zur Gruppe der größten Sorgenkinder.

Mit Blick auf die Summe der Indikatoren gibt es somit in 19 Regionen, so das Ergebnis der Studie, akuten Handlungsbedarf für die Politik, damit die Gebiete nicht den Anschluss verlieren. Dazu gehören elf Regionen in den neuen Bundesländern, vier Regionen in Nordrhein-Westfalen entlang der Ruhr sowie Bremerhaven, das Saarland, Schleswig-Holstein Ost und die Westpfalz.

Schuldenerlass empfohlen

„Die betroffenen Länder sollten Schuldenerlasse für die Kommunen in Betracht ziehen, damit diese wieder handlungsfähig werden“, schlägt Michael Hüther, Direktor des IW, vor. Damit unterstreicht er eine Forderung, die nicht bloß Hagens Kämmerer Christoph Gerbersmann, sondern auch die Hagener Ratsfraktionen bereits mehrfach formuliert haben. „Eine kluge Regionalpolitik sollte den Kommunen die Möglichkeit geben, sich selbst zu helfen“, ergänzt Jens Südekum, Studienmitautor und Ökonom an der Universität Düsseldorf. „Aber auch der Bund und die Länder sind in der Verantwortung.“

Weitere Stellenschrauben sehen die Wissenschaftler darin, bürgerschaftliches Engagement besser zu unterstützen und zu vereinfachen, Bildungsangebote in den betroffenen Regionen zu verbessern und das Netz – sowohl in Form von Schienen als auch von Breitbandinternet – auszubauen. „Die Regionalpolitik muss jetzt dringend gegensteuern, sonst werden die gesellschaftlichen Spannungen zunehmen und es kann zu gefährlichen Abwärtsspiralen kommen“, warnen Hüther und Südekum.