Breckerfeld. Seit zwei Jahren begleitet Pfarrerin Christin Klein die evangelischen Christen in Breckerfeld. Eine Aufgabe, die sie fordert und erfüllt.
Seit ihrer Ankunft in Breckerfeld durfte sie die Glör-Talsperre noch nie mit vollem Wasserstand erleben. Dennoch ist der künstliche Stausee wenige Kilometer südöstlich des Jakobus-Kirchturms, der mit halbem Pegelstand nur einen Bruchteil seines tatsächlichen Charmes entfaltet, schon heute ihr Lieblingsplatz. Ein Bauchgefühl, das an diesem strahlenden Sommermorgen, bei dem ein Windhauch noch für angenehme Kühle sorgt, nur allzu nachvollziehbar erscheint. Doch Christin Klein nutzt auch an trüben Herbsttagen oder bei frostigem Winterwetter den Rundweg um das idyllisch gelegene Gewässer, „um runterzukommen und abzuschalten“. Seit 2017 begleitet die 30-Jährige die evangelischen Christen in Breckerfeld als Pfarrerin. Eine Aufgabe, die sie jeden Tag fordert, die sie aber vor allem aus vollem Herzen lebt.
Abseits des Acht-Stunden-Tages
„Ich habe jeden Tag sehr intensiv mit Menschen zu tun, aber genau wegen dieser Vielfältigkeit liebe ich diesen Beruf“, weint sie der Tatsache, dass sie einst mit einem Psychologie-Studienplatz geliebäugelt hat, heute keine Träne mehr nach. „Ich finde die Menschen einfach spannend. Mich ausschließlich mit ihren Defiziten und Problemen zu beschäftigen, wäre so gar nicht das gewesen, was ich möchte.“ Stattdessen ist es das pralle Leben in all seinen Facetten, was sie täglich erwartet, oft gespickt mit Überraschungen und daher eine Aufgabe völlig abseits des klassischen Acht-Stunden-Tages: „Mal erwartet mich vormittags ein Taufgespräch, dann irgendeine langwierige Kirchensitzung und abends noch eine Familie mit einem Todesfall – das ist oft Stoff für eine Woche an nur einem Tag“, beschleicht sie manchmal das Gefühl, als regne es unaufhörlich auf ihren Schreibtisch drauf. „Da braucht es kleine Auszeiten, gerne in Form einer Runde um die Glör.“ Ein Rückzugsort vom Alltagstrubel.
Dabei empfindet sie es durchaus als Privileg, an einem Ort als Pfarrerin wirken zu können, den andere als Urlaubsziel ansteuern. Die Weichen, ob dies auch in Zukunft gilt, werden im Herbst gestellt, gibt sich Christin Klein reserviert. Sicher ist lediglich, dass Pfarrer Gunter Urban sich in den Ruhestand verabschiedet. Viel elementarer ist für die Geistliche ohnehin das Jawort für ihren Lebensgefährten, mit dem sie im November beim Standesamt einen Termin hat und im nächsten Sommer vor den Traualtar treten möchte.
Der angehende Pfarrer, den sie während der Studiums kennen- und liebengelernt hat, bringt das notwendige Verständnis für ihren so besonderen Job mit. „Dass er ebenfalls Theologe ist, war sicherlich kein Muss und auch nicht das Fundament unserer Beziehung. Aber es passt schon richtig gut, wenn man ähnliche Werte und Vorstellungen vom Leben hat“, empfindet die gebürtige Haßlinghausenerin es eher als Hilfe denn als Fluch, dass die künftigen Eheleute in der gleichen Nische des Lebens unterwegs sind. „Dieser Job braucht dieses Verständnis.“
Dennoch achtet Christin Klein darauf, abseits des seelsorgerischen Wirkens auch andere Reize in ihrem Leben zu setzen: Ein Nähkurs bei der Volkshochschule, aber auch Tanzkurse mit ihrem Partner sorgen für Abwechslung. „Wir haben als Pfarrer sehr viele Freiheiten, dafür wird von uns auch viel Bereitschaft erwartet“, betont sie. „Man muss gut auf sich achten, um nicht unter die Räder zu kommen.“ Als sie einst ihren Eltern verkündete, Theologie studieren zu wollen, prophezeiten diese ihr Jahre der Arbeitslosigkeit. Heute ist der Bedarf an Pfarrern in den Gemeinden sehr groß.
Offenheit als Türöffner
Die Breckerfelder, so empfindet es die Jung-Pfarrerin, machen es ihr bislang leicht, in dem Job Fuß zu fassen. Nach ihrem Vikariat im Dortmunder Süden beschlich sie zunächst eine gewisse Skepsis, sie können in Breckerfeld auf westfälische Verschlossenheit prallen. Zu Unrecht: „Ich wurde sehr herzlich aufgenommen und habe viel Freude verspürt, dass ich da bin.“ Ihre sympathische Offenheit dient dabei als Türöffner zu den Menschen. „Es geht zunächst ums Zuhören“, versucht die 30-Jährige die Menschen vor allem zu begleiten.
An den Menschen dran bleiben
Für die Zukunft wünscht sich Christin Klein, dass die chronisch schrumpfende Kirche sich nicht ausschließlich auf die seelsorgerische und gottesdienstliche Grundversorgung fokussiert. „Wir dürfen uns nicht kaputtschrumpfen, sondern müssen unsere Relevanz bewahren und an den Leben der Menschen dran bleiben.“
Das bedeutet für die Pfarrerin auch, dass Kirche sich prüfen und gegebenenfalls von alten Zöpfen trennen muss. Zudem sollten sich die Gemeinden für ihre Arbeit personell anders versorgen, beispielsweise durch den Einsatz von mehr Pädagogen und Verwaltungskräften.
„Ich bin überzeugt, dass es auch bei den Menschen des 21. Jahrhunderts einen Wunsch nach Spiritualität gibt. Vielleicht müssen wir uns als Kirche häufiger auf anderen Bühnen mit einer Ästhetik bewegen, die die Leute berührt.“
Dabei wird sie trotz ihrer noch relativ jungen Jahre voll akzeptiert. „Ich habe mit 21 meinen Vater verloren und somit meinen eigenen Erfahrungsschatz“, spürt sie, wie sie sich jeden Tag ein bisschen enger den Breckerfeldern verbunden fühlt. „Wir sind als Kirchengemeinde im Ort gut verankert“, erinnert sie an das traditionelle Zeltlager zum Sommerferienstart, an dem jüngst nicht bloß 120 Kinder teilnahmen, sondern sich auch 60 Ehrenamtliche engagierten. „Darunter viele Erwachsene, was die große Verbundenheit unterstreicht“, betont Christin Klein. „In einer klassischen Landgemeinde packen die Leute gerne mit an – es gibt hier eine gute Mentalität.“