Hagen. Die Stadt nimmt zehn Millionen Euro in die Hand. Doch die geforderten Versorgungsquoten wird sie weiter nicht erreichen.
Was die Stadt Hagen mit ihrem „Aktionsplan Kindertagesbetreuung“ auch versucht – es wird nicht reichen, um die vom Rat beschlossene Versorgungsquote für den Unter-3- und Über-3-Bereich zu erreichen. Um den Effekten aus der gestiegenen Geburtenrate – in Hagen vor allem bedingt durch den starken Zustrom von Flüchtlingen und Zuwanderer-Familien – entgegenzutreten, nimmt die klamme Stadt zehn Millionen Euro für acht neue Kitas in die Hand. Doch sie wird darüber hinaus weiter auf Investoren angewiesen sein, die Kitas bauen und an die Stadt vermieten.
Die ursprüngliche Lage
Der Beschluss des Rates stammt von 1996 und hält fest: Die Versorgungsquote für Kinder ab dem dritten Lebensjahr soll bei 98 Prozent liegen. 2012 beschloss der Rat dann, dass in der Unter-3-Betreuung eine Versorgungsquote von 38 Prozent her soll. Die Prognose damals lautete: Die Kinderzahlen gehen zurück und durch Neu- und Umbaumaßnahmen wird bis 2015 eine Bedarfsdeckung erreicht sein.
Die negative Überraschung
Doch es kam alles anders. 2014 wurde die volle EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien ausgeweitet. Ende 2014 kamen viele Flüchtlinge, vor allem aus Syrien, nach Hagen. Die Kinderzahlen sanken fortan nicht mehr, sie stiegen rasant an. Von 2014 bis heute sind 2693 Kinder in Hagen dazugekommen (1596 davon U3). Unter Berücksichtigung der Versorgungsquote bleibt ein U 3-Bedarf von 606 Plätzen und ein Ü 3-Bedarf von 1097 Plätzen. Die Zahl der Zuwanderer-Kinder im Ü 3-Bereich steigt immer weiter.
Die Anstrengungen der Stadt
Die Stadt steuerte dagegen und schuf seit 2014 868 neue Plätze. Dazu zehn Großtagespflegestellen mit 90 Plätzen und 50 zusätzliche Plätze Kindertagespflege. Doch die Prognose bringt neuen Bau-Druck. Zusätzlich zum jetzigen Bedarf kommen zwischen 2018 und 2022 weitere 1500 Kinder unter sechs Jahren hinzu. Die Stadt – so klamm sie im Nothaushalt auch ist – muss bauen und investieren.
Die Bauprojekte
Zwischen 2020 und 2022 werden in Hagen acht neue Kitas fertiggestellt sein. Die Projekte: Umzug der Kita Sudentenstraße in einen Neubau, ein Neubau am Jungfernbruch, Ausbau Franzstraße, Neubau Block I, Neubau Gerhart-Hauptmann-Straße, Neubau Markanaplatz und weitere Neubauten an der Eppenhauser Straße und in Eilpe. Es entstehen 150 neue U3- und 410 neue Ü3-Plätze. Die Versorgungsquoten erreicht die Stadt damit aber nicht. Sie ist daneben angewiesen auf weitere Modelle, bei denen Investoren Kindertagesstätten bauen und langfristig an die Stadt vermieten. „In Hagen geht das noch ganz gut, weil hier die Grundstückspreise vergleichsweise niedrig sind“, sagt Jugendamtsleiter Reinhard Goldbach.
Die weiteren Probleme
Während die Stadt bei ihrem Aktionsplan vor allem auf Zuwanderer- und Flüchtlingskinder abzielt, gibt es im Bereich nach der Kindertagesbetreuung in dieser Bevölkerungsschicht hohe Zahlen von Schulabstinenzlern. „Für eine chancengleiche Entwicklung dieser Kinder ist die frühzeitige Integration in das deutsche Bildungssystem vor dem Hintergrund der Sprachproblematik von wesentlicher Bedeutung“, sagt Sozialdezernentin Margarita Kaufmann. „Wem es gelingt, sich bereits ans Kita-System zu gewöhnen, der hat gute Integrationschancen.“
Hinzu kommt, dass die Stadt schmerzhaft zu spüren bekommt, dass sich immer weniger junge Leute dafür entscheiden, eine Ausbildung zum Erzieher zu machen. Der Fachkräftemangel in diesem Bereich sei alarmierend.
Die Perspektive der Gebäude
Die Stadt wurde 2014 von einer Umkehr der demografischen Entwicklung überrascht. Was passiert, wenn das in fünf, sechs Jahren wieder der Fall ist? Stehen in Hagen dann zu viele leere Kitas? „Auf diesen Fall wären wir vorbereitet“, sagt Reinhard Goldbach. Zum einen könnten in möglicherweise leerstehenden, aber neueren Gebäuden Großtagespflegestellen realisiert werden.
„Es gibt aber in Hagen auch viele in die Jahre gekommene Kitas, die dann in solche Gebäude umziehen könnten. Im Augenblick überreden wir erstmal jeden, seine in die Jahre gekommene Kita vor diesem Hintergrund nicht zu sanieren“, sagt Jugendamts-Chef Reinhard Goldbach. Die Stadt stemmt sich weiter gegen den Betreuungsdruck.