Hagen/Lennestadt. Tim Hüttemeister aus Lennestadt will Dirigent werden. Die Hagener Philharmoniker helfen dem 25-Jährigen, seinen Traum zu verwirklichen
Kaum ein Beruf ist derart mit Geheimnissen und Mythen aufgeladen wie der des Dirigenten. Die Ausbildung ist anstrengend, selbst mit 90 Jahren muss man noch dazulernen. Tim Hüttemeister schreckt das nicht ab, im Gegenteil. Der Lennestädter will vorne stehen, will Musik gestalten. Im Trockenschwimmen geht das nicht. Deshalb probt der Student derzeit mit den Hagener Philharmonikern – bei einem Kooperationsprojekt der Musikhochschule Detmold unter der Leitung von Prof. Florian Ludwig, bei dem der 25-Jährige studiert. Das Ergebnis ist am Samstag in einem Konzert in der Johanniskirche Hagen zu hören.
Wie ist es, mit so erfahrenen Profis zu musizieren? „Es bedeutet Stress, weil man mit Musikern arbeitet, die diese Stücke schon tausendmal gespielt haben“, konstatiert Tim Hüttemeister. „Aber es macht auch Spaß, weil bei den Hagener Philharmonikern eine angenehme Atmosphäre herrscht und man seine Klangvorstellungen verwirklichen kann.“
Im Musikverein angefangen
Ursprünglich kommt Tim Hüttemeister von der Posaune. Das Instrument hat er beim Musikcorps Elspe gespielt, später im Märkischen Jugendsinfonieorchester (MJO). Er singt in mehreren Chören seiner sauerländischen Heimat und ist von der Musikbegeisterung angesteckt worden, mit der die Gesangspädagogin Christa Maria Jürgens und der Dirigent Michael Nathen am Gymnasium Lennestadt regelmäßig Opern- und Musicalaufführungen realisieren. Um die Oper kennenzulernen, fuhr Tim als Schüler mit der Bahn von Lennestadt ins Theater Hagen. „Ich habe schnell gemerkt, dass ich lieber vorne stehen als hinten sitzen möchte“, beschreibt er den Seitenwechsel von der Posaune zum Taktstock.
Gerade die vielfältigen und komplexen Anforderungen des Berufs reizen ihn. Ein Dirigent ist heute Manager und Künstler in einem. Er muss gut Klavier spielen können, er muss sich in Musik- und Zeitgeschichte auskennen, Orchesterpsychologie verstehen und wissen, wie die Politiker ticken, die ihm seine Mittel bewilligen. Er braucht ein gutes Gehör, muss Medienkompetenz erwerben und Mädchen für alles sein. „Für mich war es ein großes Glück, dass man sich im MJO um alles kümmern muss, auch mal mit dem Sprinter das Schlagzeug durch die Gegend fahren. Man schwebt als Dirigent nicht auf Wolke 7, sondern muss die ganzen Vorgänge drumherum lernen. Das finde ich spannend.“
Unverzichtbar ist jedoch, dass die künftigen Maestros musikalisch etwas zu sagen haben. Deshalb reicht Florian Ludwig die gefürchtete Aufnahmeprüfung an der Hochschule alleine nicht aus. „Die Bewerber müssen eigene musikalische Ideen entwickeln können. Das ist für mich das Entscheidende. Ich versuche außerdem, die Ausbildung möglichst breit aufzustellen. In diesem Beruf muss man lernen, eine ungeheure Anzahl von Dingen vorzubereiten. Und man muss auch wissen, wie man mit einem Kulturausschuss umgeht.“
Arbeitsphasen mit Profiorchestern
Die Arbeitsphasen mit Profiorchestern wie den Hagener Philharmonikern sind für Florian Ludwig bedeutender Teil des Studiums. Der Lerneffekt ist enorm. „Da wird man in die Realität geworfen. Die Orchestererfahrung ist für die Studierenden das allerwichtigste.“
Tim Hüttemeister hat an diesem Morgen auf sein Frühstück verzichtet und unterwegs nur eine Scheibe trockenes Brot geknabbert. Die Aufregung ist groß, die Freude noch größer. Hüttemeister dirigiert das Cellokonzert von Edward Elgar, ein wunderschönes Werk mit der hochbegabten jungen Solistin Irena Josifoska. Der Dirigent nutzt seine Chance, winkt oft ab, um Stellen noch einmal durchzugehen. Soloflötistin Annette Kern ergreift das Wort: „Sie müssen uns auch einmal sagen, wenn Sie etwas gut finden.“
Orchester gibt Wissen gerne weiter
Die Rückmeldung aus dem Orchester ist Gold wert, und das Orchester gibt sein Wissen gerne weiter. „Der Elgar ist für Dirigenten nicht einfach, das Stück hat viele Taktwechsel und Ritardandi. Aber er macht das sehr gut“, lobt Soloposaunist Edgar Wehrle. Trompeterin Edeltraud Nörenberg liegt am Herzen, Nachwuchs-Dirigenten zu vermitteln, dass sie mit dem Orchester ein Team bilden. „Ich habe als junge Trompeterin noch mit Angst da gesessen. Der Dirigent ist kein Herrscher über seine Leute. Nur das Zusammenspiel macht gute Musik. Wenn wir nicht tun, was Sie wollen, dann klingt gar nichts.“
Edeltraud Nörenberg spricht damit das sensible Verhältnis zwischen Musikern und Maestro an. Größer als die Angst des Torwarts vor dem Elfmeter ist die Angst des Dirigenten davor, dass das Orchester nicht anfängt, wenn er den Einsatz gibt. Respekt erwirbt sich nur, wer selber respektiert. Florian Ludwig: „Der Dirigent muss ein Orchester packen können. Diese Chemie ist auch Erfahrungssache.“
Für Tim Hüttemeister sind die nächsten Karriereschritte nach dem Studium klar: Möglichst viel dirigieren, und die Welt kennenlernen. Dass dabei der Ton die Musik macht, weiß er. Sein Lehrer Prof. Florian Ludwig bringt es auf den Punkt: „Ein Taktstock klingt nicht.“
Das Konzert beginnt am 8. Juni um 19.30 Uhr in der Johanniskirche Hagen.
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