Hagen. Seit sechs Wochen sind acht Zweierteams als Müll-Sheriffs in Hagen unterwegs, um wenigstens einige der vielen Müllsünder ermitteln zu können.
„Wir akzeptieren nicht mehr, dass Leute die Brocken einfach unter sich fallen lassen.“ OB Eric O. Schulz hat bei der Vorstellung der ersten Hagener „Waste Watcher“ angekündigt, dass die Vermüllung der Stadt ab sofort konsequent bekämpft werden soll.
Wer angesprochen wird, muss sich ausweisen
Finden die Waste Watcher im Müll keine Hinweise auf den Verursacher, klingeln sie in der Nachbarschaft und fragen, ob jemand etwas beobachtet hat. „Wir brauchen eine möglichst dichte Beweiskette“, sagt Herbert Bleicher, Chef des Hagener Entsorgungsbetriebs (HEB).
In Hohenlimburg begriff ein Bürger, der seinen Coffee-to-go-Becher auf den Gehsteig geworfen hatte, erst auf der Polizeiwache, dass der den Müll-Sheriffs auf Verlangen seinen Ausweis zu zeigen hat. In der Regel seien die angesprochen Bürger aber einsichtig, heißt es.
Schon seit sechs Wochen sind acht Zweierteams von früh bis spät als Müll-Sheriffs im Stadtgebiet unterwegs. Sie informieren, ermahnen und sammeln notwendige Indizien, um Müllsünder ermitteln zu können. In der Folge wurden in bislang 750 Fällen Verwarnungs- oder Bußgelder verhängt. Wer einfach seine Zigarettenkippe wegschnippt, zahlt beispielsweise 30 Euro. Das bekamen schon 200 Raucher zu spüren. Wer bei der wilden Entsorgung von Sperrmüll erwischt wird, muss noch deutlich tiefer in die Tasche greifen.
Erste Erfahrungen gesammelt
Die Waste Watcher wurden erst jetzt der Öffentlichkeit vorgestellt, weil HEB und Stadt gleich mit ersten Erfahrungen aufwarten wollten. Und die sind offenbar positiver als befürchtet. „90 Prozent der Einsätze verlaufen unproblematisch“, sagt Manfred Schmidt, einer der 16 Kräfte in gelben Warnwesten, die in einem orangen Elektrofahrzeug mit kleiner Ladefläche in allen Stadtbezirken herumfahren.
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Malermeister Schmidt war 27 Jahre selbstständig. Jetzt will er dazu beitragen, dass auch seine Kinder noch in einer halbwegs intakten Umwelt aufwachsen. Seinen Kollegen Carsten Baranowsky, ein gelernter Gärtner, treibt die gleiche Motivation an. Er war schon in 1980er Jahren als ehrenamtlicher Landschaftswächter unterwegs. Einzige Frau im Team: Diana Pawelchik, die vorher in einer Waschstraße gearbeitet hat. Ein Teil der Waste Watcher wurde neu eingestellt. Die Zeitverträge laufen über ein oder zwei Jahre, das ganze Projekt ist auf zwei Jahre angelegt.
Schon Juristen und Ärzte erwischt
„Die Stadtsauberkeit ist ein entscheidender Faktor für das Wohfühlgefühl der Bürger“, so Umweltdezernent Thomas Huyeng bei der Pressekonferenz unterhalb der Altenhagener Brücke, also an einem Ort, an dem das Problem sofort ins Auge springt. Dem Vorurteil, für die großflächige Verteilung von Unrat an allen denkbaren öffentlichen Plätzen seien vor allem Zuwanderer verantwortlich, widerspricht Huyeng. „Die große Masse sind Menschen wie Sie und ich“. Man habe schon Juristen und Ärzte erwischt. „Diese Klientel geht quer durch die Gesellschaft“, bestätigt Detlef Liedtke, Bereichsleiter beim HEB.
Manfred Schmidt berichtet beispielsweise von einer Umweltaktivistin, die er und Carsten Baronowsky beim Wegschnippen einer Zigarettenkippe ertappt hätten. Die Frau sei erkennbar betroffen gewesen und habe die Strafe gleich bezahlen wollen. Doch das geht nicht. Die Waste Watcher dürfen nicht gleich vor Ort abkassieren.
Immer Infomaterial dabei
Inzwischen summieren sich die Außenstände an Verwarnungs- und Bußgeldern auf knapp 9000 Euro. Die Stadt geht davon aus, dass ein Großteil der Forderungen auch realisiert werden kann. Die Chancen dafür stehen je besser desto klarer die Indizien sind, die die Waste Watcher liefern. Dafür öffnen diese auch Müllsäcke, um darin nach Hinweisen auf den Verursacher ihres Einsatzes zu fahnden. Von der Krankmeldung bis hin zu Kontoauszügen – vieles kann relevant sein. Finden die Teams mal nichts, klingeln sie in der Nachbarschaft und fragen, ob jemand etwas beobachtet hat. „Wir brauchen eine möglichst dichte Beweiskette“, sagt Herbert Bleicher.
Die Hagener Müll-Sheriffs sind aber auch als Aufklärer unterwegs. Jedes Team hat immer Info-Material in mehreren Landesspachen dabei. Kleinere Ablagerungen beseitigen sie gleich selbst, bei größeren Mengen alarmieren sie die Sonderkolonne der Straßenreinigung oder gleich den großen „Knacker“ der Sperrmüllabfuhr.
Das unkontrollierte Ablagern von Unrat ist in fast allen Großstädten ein Thema. Und es gibt verschiedenste Ansätze, die Verschandelung des öffentlichen Raums zu bekämpfen. Der Kreis der Städte, die explizit „Waste Watcher“ beschäftigen, ist freilich relativ klein: Hamburg, Berlin, Wien – und jetzt eben auch Hagen.