Hagen. . Die große Krise Anfang der 200er-Jahre, der Rückhalt durch die Mitarbeiter, die Treue zu Hagen. Die Inhaber von Mercedes Jürgens im Interview.

An fünf futuristisch anmutenden Multifunktionswänden können sich Kunden bei Mercedes Jürgens jetzt Neuwagen nach ihren Wünschen zusammenstellen. Es ist eine Art Geschenk, das sich das Autohaus selbst zum 100. Geburtstag gemacht hat. Mit neuer Inneneinrichtung und technischer Innovation wird es gerade zu einem der modernsten der Republik. So modern, dass Vertreter des Herstellers sich bei ihrem Besuch beeindruckt zeigten. Im Besprechungsraum der Inhaber, den Eheleuten Jürgens, aber weht ein Hauch von Tradition. Klassischer Konferenztisch, die Bilder des Gründers und seines Nachfolgers an der Wand, kleine Mercedes-Modelle aus den letzten 100 Jahren in einem Regal. Weil Jürgen Jürgens aus gesundheitlichen Gründen das Sprechen schwer fällt, redet im Interview seine Frau.

Das Inhaber-Ehepaar stellte sich den Fragen der Stadtredaktion.
Das Inhaber-Ehepaar stellte sich den Fragen der Stadtredaktion. © Michael Kleinrensing

Welches war eigentlich ihr erstes Auto?

Dr. Claudia Fular-Jürgens: Ein VW-Käfer. Das war während unseres Studiums in Stuttgart. Irgendwann aber hatte der Onkel meines Mannes, der zu dieser Zeit das Autohaus in Hagen geführt hat, ein Einsehen. Von da an sind wir ein Mercedes T-Modell, einen Kombi, gefahren. Wir haben unsere Surfbretter aufs Dach gepackt und sind damit nach Jugoslawien gereist.

Einen erheblichen Teil der Unternehmensgeschichte haben Sie und ihr Mann ja dann in den letzten Jahren geprägt. Wie viel bedeutet Ihnen da dieses Jubiläum?

Sehr viel. Man spürt die Verantwortung, die Verpflichtung. Im Zuge der Jubiläumsvorbereitung haben wir ja vieles noch einmal aufgearbeitet. Und da gibt es einiges, was einen auch sehr stolz macht.

Die Verantwortung, von der Sie sprechen – bekommt man die quasi als Kind in die Wiege gelegt?

Ich glaube schon. Obwohl mein Mann ja nicht seine Kindheit mit seinem Onkel Karl, der gleichzeitig sein Patenonkel war, verbracht hat. Mein Mann ist in Süddeutschland aufgewachsen, aber der Kontakt war eng. Als der Onkel realisiert hat, dass er keine eigenen Kinder haben würde, wurde der Kontakt noch enger. Als mein Mann dann im Jura-Studium war, wurde der Ruf von Seiten des Onkels und des Unternehmens immer konkreter. Seither ist mein Mann über 36 Jahre im Unternehmen tätig, zuerst gemeinsam mit dem Onkel. Nach dem Tod des Onkels haben mein Mann und ich gemeinsam das Unternehmen übernommen.

Und wenn er nicht gewollt hätte . . . ?

Ach — Widerspruch von unserer Seite gab es da nicht. Aber es gibt diese Anekdote: Als mein Mann und ich zusammenkamen, wurde ich noch vor der Verlobung von der Familie nach Hagen eingeladen. Das hatte Züge eines Castings. Da wurden Fragen gestellt, die mich als junger Mensch, als junge Medizin-Studentin, schon überrascht haben. Das passte so gar nicht in unser Bild. Wir waren jung, wir wollten die Welt entdecken.

 Claudia Fular - Jürgens.
Claudia Fular - Jürgens. © Michael Kleinrensing

Heute bezeichnen Sie die Mitarbeiter als ihre große Familie – was steckt dahinter?

Wir sagen das nicht nur, wir leben das auch. Unsere Mitarbeiter sind unser wertvollstes Kapital. Wir haben ihnen viel zu verdanken. Das ist uns gerade in der Krisenzeit Mitte der 2000er-Jahre bewusst geworden, als unsere Mitarbeiter auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichtet haben und so ihren Teil zum Erhalt des Unternehmens beigetragen haben. Auch deshalb haben wir immer ein offenes Ohr für die Belange unserer Mitarbeiter. Mein Mann und ich sehen uns nicht als Inhaber, die fernab von der Wirklichkeit auf einem Thron sitzen. Wir sind mehrmals in der Woche im Unternehmen, wir halten den Kontakt. Das ist uns wichtig. Das gilt für den Mechaniker in der Werkstatt genauso wie für die Führungskraft, mit der wir strategische Fragen besprechen.

Jürgen Jürgens.
Jürgen Jürgens.

Managementfehler. Der Druck durch Banken hatte zugenommen. Das war auch die Zeit, in der mein Mann erkrankt ist. Aber er hat die unternehmerische Verantwortung übernommen, hat einen großen Teil seines privaten Vermögens eingesetzt, das Risiko übernommen, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern. Ich denke, das haben auch die Mitarbeiter gesehen und auch ihren Beitrag geleistet. Das zusammen war die Basis für den Aufschwung, ein wichtiger Meilenstein für das Unternehmen. Wir sehen das Unternehmen für die Zukunft gut aufgestellt. Wir haben Mitarbeiter, die uns begeistern und ein Produkt, das uns überzeugt und fasziniert. Insofern haben wir Grund genug, voller Stolz zurück und voller Überzeugung in die Zukunft zu sehen.

Der Automarkt ist im Wandel. Smart hat angekündigt, ab dem kommenden Jahr nur noch Elektroautos zu verkaufen. Wie sehen Sie diesen Wandel?

Uns faszinieren neue Techniken. Wir sind begeistert von der Entwicklung und überzeugt davon, dass es eine Änderung, eine Revolution auf diesem Gebiet geben wird. Wir sind häufig in Potsdam oder Berlin unterwegs. Und wenn man sich die Dichte der Ladestationen ansieht, so kann man sich gut vorstellen, dass das im urbanen Gebiet gut funktioniert.

Wie sehen Sie ihre Rolle als Unternehmen in der Stadt Hagen?

Zunächst sind wir der größte Ausbildungsbetrieb in Hagen. Wir engagieren uns in der Region – im kulturellen, im sozialen Bereich, im Sport. Das hängt auch zusammen mit unserer Treue zum Standort. Aus Hagen wegzugehen, war in 100 Jahren nie eine Option. Das Mutterhaus generiert immer noch die höchsten Umsätze in der Gruppe.

Wir haben über die Krise gesprochen – was empfinden Sie denn, wenn Sie elf Jahre später auf das Unternehmen blicken?

Stolz. Wir sind stolz auf die Entwicklung. Stolz auf unsere Mitarbeiter. Stolz auf unsere Visionen. Werte wie Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Fairness sind für uns wichtig. Wir suchen nicht den kurzen, sondern den dauerhaften Erfolg. Denn so eine Krise brauchen wir nicht noch einmal. Aber: Wir würden nie das Unternehmen verkaufen und stehen zu unserer unternehmerischen Verantwortung.

Stichwort Zukunft – wie haben Sie die Nachfolge im Unternehmen geregelt?

Uns ist wichtig, dass das Unternehmen auch dann in dieser Form bestehen bleibt, wenn wir selbst als Inhaber nicht mehr an der Spitze stehen. Leider haben wir ja keine gemeinsamen eigenen Kinder. Von daher haben wir uns für ein Stiftungsmodell entschieden.

Was fahren Sie denn heute für ein Auto?

Aktuell – Sie werden staunen – eine V-Klasse. Wir haben drei Hunde. Die sind alt. Da haben wir die Sitze ausgebaut und Matratzen für die Hunde hineingelegt.