Hagen. . Hagens neue Ballettchefin Marguerite Donlon spricht im Interview über schöne und schwere Zeiten und die Arbeit im Team.

Unter mehr als 30 Bewerbern hat sich Marguerite Donlon durchgesetzt: Die gebürtige Irin ist ab Sommer neue Ballett-Chefin am Hagener Theater. Sie übernimmt die Stelle von Alfonso Palencia; der Vertrag des gebürtigen Spaniers wurde nicht verlängert. Im Interview spricht sie über Pläne, warum sie nach Hagen ziehen wird und über den Tod ihres geliebten Mannes.

Frau Donlon, derzeit leben Sie noch in Berlin. In Kürze tauschen Sie die Metropole gegen die kleine Großstadt Hagen. Mit wehmütigen Gefühlen?

Marguerite Donlon: Nein, überhaupt nicht. Die Male, an denen ich in Hagen war, hab’ ich die Hagener als freundliche Menschen kennengerlernt. Und im Ruhrpott habe ich ein paar Bekannte. Der Ruhrpott ist ein bisschen wie Berlin – nur ohne ,Berliner Schnauze’. Ich hab’ von 1991 bis 2001 und in den letzten fünf Jahren in Berlin gelebt. Jetzt freue ich mich, zurückzukehren in ein Theater mit Team-Struktur. Außerdem ist Hagen ein ,Multi-Kulti-Melting-Pot’, und das inspiriert.

Sie leben in Berlin mit ihrer elfjährigen Tochter zusammen und planen einen zügigen Umzug nach Hagen?

Ja natürlich, das ist für mich selbstverständlich. Ich sage immer ,Wenn schon, denn schon’. Wenn ich etwas mache, dann mit 100 Prozent Einsatz. Wir haben schon eine stadtnahe Wohnung gefunden und eine geeignete Schule für meine Tochter.

Sie sind gebürtige Irin. Was kennzeichnet einen typischen Iren oder eine typische Irin?

Iren sind in der Regel warm, freundlich und sie genießen das Leben. Und Humor spielt eine wichtige Rolle in Irland. Vielleicht klingt das merkwürdig, aber Humor hat mir in schweren Zeiten geholfen. Mein Mann – die Liebe meines Lebens – ist vor fünf Jahren gestorben. Ohne Zuversicht, Lebenswille und Lebensfreude hätte ich die schwere Zeit kaum durchgestanden.

Intendant Francis  Hüsers (im Bild hinten) hat sich für  Marguerite Donlon als Nachfolgerin von Alfonso Palencia entschieden.
Intendant Francis Hüsers (im Bild hinten) hat sich für Marguerite Donlon als Nachfolgerin von Alfonso Palencia entschieden. © Michael Kleinrensing

Francis Hüsers, Intendant des Hagener Theaters, hat sich laut eigener Aussage auch deshalb für Sie entschieden, da Sie langjährige Erfahrung als Ballettchefin einer großen deutschen Compagnie mitbringen.

Ja, von 2001 bis 2013 war ich Ballettdirektorin und Choreografin am Saarländischen Staatstheater in Saarbrücken. Dort hatte ich die Chance, eine eigene Compagnie zu leiten. Die Arbeit wird oft unterschätzt. Eine erfolgreiche Choreografin muss nicht zwangsläufig auch eine gute Führungskraft sein.

Wie haben Sie die damals für Sie neue Aufgabe gemeistert?

Ich habe mir einen Führungscoach an die Seite geholt, das war eine gute Entscheidung. In Berlin bin ich derzeit einerseits freischaffende Künstlerin, andererseits aber auch selbst Führungscoach. Ich baue Teams auf, tausche mich mit Führungskräften aus und coache zum Beispiel Banker und Investoren in Sachen Teambildung.

Ein Tipp, wie man mit einem Team gut zusammen arbeiten und Erfolge erzielen kann?

Strenge Hierarchien bringen nichts. Wenn ich individuelle Stärken und Talente nutze, bekomme ich von jedem Teammitglied das Beste. Der Teamgedanke ist alles.

Sie sagen, Ballett habe eine universelle Sprache.

Ja, Ballett ist nicht nur jung und lebendig, sondern die Kunstform Tanz ist leicht zu vermitteln. Meine Ballett-Sprache ist breit angelegt. Natürlich ist Tanz mein stärkstes Element, aber ich arbeite auch gern mit anderen Sparten zusammen. Manchmal lasse ich Texte einfließen, oft untermauert Live-Musik den Tanz. Cross-over-Produktionen find’ ich einfach toll.

Erst mit 14 Jahren nimmt sie Ballettunterricht

Marguerite Donlon wurde in Longford, einer mittelgroßen Stadt in der Mitte Irlands, geboren.

Mit zehn Jahren begann sie, kleine Geschichten mit Tanz zu erzählen, mit 14 Jahren nahm sie Ballett-Unterricht (Marguerite Donlon: „Ich war eine Spätzünderin“), mit 16 ging sie nach England, um dort Tanz zu studieren. 1987 trat sie dem ­English National Ballet in London bei.

1990 wurde Marguerite Donlon Solo-Tänzerin an der Deutschen Oper in Berlin. Zeitgleich entdeckte sie für sich die Choreografie.

Seit 2000 feiert die heute 52-jährige Irin als Choreografin Erfolge.

Von 2001 bis 2013 war sie Ballettdirektorin in Saarbrücken. Während dieser Zeit arbeitete sie auch als freie Choreografin für Compagnien und Ballerinen wie Svetlana Zacharovar.

Sie ist Gründerin und Direktorin des „Donlon Dance Collective”.

In Hagen wird sie die Position der Ballettdirektorin ab September besetzen und eine zwölfköpfige Compagnie leiten.

Sie bringen Ihren eigenen Assistenten mit und es wird eine Compagnie-Managerin eingestellt.

Francesco Vecchione – ich kenne ihn aus meiner Saarbrücker Zeit und habe auch in Berlin intensiv mit ihm zusammen gearbeitet – wird nicht nur mein Assistent, sondern er tanzt nach Bedarf auch in der Compagnie mit. Die Stelle, die neu geschaffen wird, ist für mich ein Segen. Besagte Compagnie-Managerin wird sich unter anderem um Projektförderungen kümmern und Gastspiele organisieren. So kann ich mich mehr um das Hagener Ensemble kümmern, Ballett und Tanz auf die Straße bringen und soziale Projekte angehen.

Theater und Tanz für jedermann – können Sie Beispiel nennen?

Wir besuchen Schulen und Ortsteile, außerdem werde ich Choreografie-Workshops für alle Altersklassen anbieten. Und das Projekt ,Zeichentanz’, das in Saarbrücken sehr gut angenommen worden ist, werde ich auch in Hagen einführen.

Sie sagen, ,Zeichentanz’ öffne Türen. Was meinen Sie damit?

Wir laden Gehörlose ins Theater ein. Und während einer regulären Aufführung steht ein Gebärden-Dolmetscher am Rande der Bühne und übersetzt. Tanz ist für Gehörlose die einfachste Kunstform. Tanz öffnet Türen.

Womit wollen Sie ihre Compagnie und das Hagener Ballettpublikum noch überraschen?

Ich werde eine ,I Move HA’ gründen. Gemeinsam mit den Profi-Ballett-Tänzern möchte ich Jugendliche coachen, die zum Beispiel aus den Bereichen Breakdance oder Streetdance stammen. Es geht dabei nicht nur um Spaß, sondern auch um Disziplin. Zweimal pro Woche wird hart trainiert, die ,I Move HA’ wird später auch auftreten. Eine echte Chance für junge Leute aus der Region, die es ernst mit dem Tanzen meinen.