Eilpe. Für Steffen Barth fehlt im Spitzen-Fußball ein ganzheitlicher Behandlungsansatz. Es werde immer nur das Symptom, nie die Ursache bekämpft.

Steffen Barth ist Fan von Borussia Dortmund. Es ist wichtig, das zur Einordnung zu sagen. Denn der erfahrene Physiotherapeut, der zahlreiche Spitzensportler trotz Verletzungen schnell wieder in ihre Wettbewerbe bekommen hat, will nichts kaputt reden und auch nicht als Besserwisser dastehen.

Berufliche oder physiotherapeutische Verbindungen zum BVB hat Barth hingegen nicht. „Aber am Beispiel von Borussia Dortmund fällt für mich auf, dass ein ganzheitlicher physiotherapeutischer Ansatz im Spitzen-Fußball komplett fehlen muss. Da kommt es einem so vor, als würde nur symptomatisch behandelt, aber nicht ursächlich. Es geht nie darum, wie man eine Verletzung überhaupt verhindern kann. Nach dem Motto ,Weg vom Symptom, hin zur Ursache’.“ Kann man so ganz einfach per Ferndiagnose die medizinische Arbeit eines Fußball-Bundesligisten bewerten? Barth unternimmt einen Versuch.

Physiotherapeut Steffen Barth.
Physiotherapeut Steffen Barth.

Die BVB-Stars Paco Alcacer und Raphael Guerreiro fuhren vor zwei Wochen nicht mit zum Spiel des Jahres zwischen dem BVB und Bayern München. Der eine hatte Armbeschwerden, der andere muskulären Probleme. Für Barth ein Unding.

„Wieso sollten diese wichtigen Spieler nicht spielen können? Viele Verletzungen und Störungen oder Einschränkungen in Zellen oder im Gewebe regenerieren mit funktioneller Bewegung. Das ist eine Grundvoraussetzung“, sagt Barth. Mit der richtigen Steuerung, Behandlung und Begleitung könnten Spitzensportler nach Bänderrissen beispielsweise schneller auf das Spielfeld zurück. Nach einer interdisziplinären Behandlung – auch durch Barth – habe Ex-Nationalspieler Christian Pander in Hannover wieder spielen können, während er in seinem Vorgängerverein fünfmal operiert worden war. „Ich fragte mich: Was machen die medizinischen Abteilungen da?“, sagt Barth mit Blick auf die Fußball-Spitzenclubs.

Vernetzt in der Top-Sportszene und im Olympischen Sportbund

Physiotherapeut Barth leitet in Eilpe das Behandlungszentrum Physiomed. Weitere Stützpunkte seines Unternehmens liegen auf Mallorca und in Oberstorf.

Top-Sportler wie Andreas Sander (Ski), Torsten Jansen (Ex-Handball-Bundesligaspieler) oder Christian Pander (Ex-Fußball-Nationalspieler) sind seine Patienten. Barth hat zahlreiche Sportler verschiedener Sportfördergruppen und in Kooperation mit dem Deutschen Olympischen Sportbund behandelt (z.B. Sonthofen/ Oberstdorf).

Was macht Barth anders? „Wesentliches Element meiner Philosophie ist es, auf Medikamente, Spritzen oder schmerzhafte Therapien und mögliche Operationen zu verzichten und durch Kombination verschiedener zellregulierender Behandlungsformen den Regulationsprozess des Körpers, den Stoffwechsel zu forcieren“, sagt Barth, „um Störungen in Frühstadien erkennen und Operationen und Ausfallzeiten zu vermeiden.“

Die bildgebenden Verfahren

In der Welt des Spitzensports arbeite man fast nur noch mit Diagnosen, bildgebenden Verfahren und Ruhigstellung nach Operationen. „Aber was macht es mit einem Sportler, der gesagt bekommt, dass sein Innenband oder sein Kreuzband gerissen ist und er ab jetzt als vorbelasteter Spieler gilt und das direkt im akuten Geschehen auf dem Platz? Es schwächt ihn psychologisch. Und die nächste Verletzung ist eigentlich so gut wie programmiert. Man darf die Aktiven nicht gleich mit der eventuellen Schwere der Diagnose konfrontieren und das gerade in der traumatischen Phase auf dem Spielfeld, sondern muss sofort aufzeigen, wohin der Weg wieder führen kann, mit Unterstützung gezielter therapeutischer Maßnahmen“, so Barth.

Wenn Barth eine Stunde vor einem BVB-Heimspiel auf der Tribüne das Aufwärmen beobachte, dann falle ihm schon aus der Distanz auf, wie unelastisch einige Spieler sich zeigen würden. Der Schlüssel der Leistungsfähigkeit des Körpers liege nicht selten in der Muskelbalance und Koordination. Eines der größten Probleme sei die „Muskeldysbalance“ – auf der einen Seite seien die Muskeln zu schwach ausgebildet und auf der anderen Seite verhärtet und verfilzt. Auf Anfrage der WESTFALENPOST kommentiert Borussia Dortmund die Ausführungen von Steffen Barth nicht.

Für Barth ist klar: Die Muskeln, die verhärtet, die Faszien, die verkürzt sind, sowie die abgeschwächten Muskeln sollten frühzeitig aufgespürt und gezielt physiotherapeutisch behandelt werden.

Ein Team müsse behandeln

„Um das zu erreichen, sollten ein erfahrenes interdisziplinäres Team bestehend aus Ärzten, speziell ausgebildeten Physiotherapeuten sowie wissenschaftlichen Sportlehrern und Ernährungsspezialisten die konservative Behandlung einleiten. Dabei sind die speziell ausgebildeten Physiotherapeuten federführend. Jeder aktive Profi sollte regelmäßig, eher fast wöchentlich präventiv seinen Status, Befund und Therapieplan individuell aufgezeigt bekommen, besonders in Hinsicht auf die Belastung durch die durchgängige Spielzeit.“

Es gebe übrigens Beispiele, wo genau das, was Barth sage, gegeben sei. Christiano Ronaldo, Robert Lewandowski, Thomas Müller. „Wie oft sind die verletzt? Richtig: so gut wie gar nicht“, sagt Barth. Das liege daran, dass diese Sportler sicherlich gezielt auf eine ganzheitliche Behandlung ihrer ohnehin robusten Körper achten.