Hagen-Mitte. . Mit der offenen Pelzwerkstatt setzt „Mode und Pelz Wolff 1782“ auf mehr Transparenz. Kürschnerin Maya Schleuter setzt auf Nachhaltigkeit.

Mit Front-Cooking-Bereichen in Restaurants fing es vor Jahren an, mittlerweile lassen sich auch Kaffeeröster, Schuster und Schreiner während ihrer Arbeit über die Schulter schauen. Und nun auch die Kürschner bei „Mode und Pelz Wolff 1782“.

Thema Pelz bewegt Tierschützer

Im Zuge der Geschäftsmodernisierung ist die Kürschnerei aus der ersten Etage ins Erdgeschoss gezogen. „Wir haben nichts zu verbergen. Jeder kann uns bei unserem Handwerk zusehen. Und uns Fragen – ruhig auch kritische – stellen“, sagt Maya Schleuter. Die Tochter von Jochen und Ute Schleuter, Betreiber von „Wolff 1782“, ist selbst Kürschnerin und weiß, dass das Thema Pelz einige Tierschützer und Umweltaktivisten bewegt.

„Wir gehen mit Kritik offensiv um und erklären Skeptikern, wie wir arbeiten“, unterstreicht die 30-Jährige: „Zuchttiere kommen für uns nicht in Frage.“

Population im Gleichgewicht halten

Heißt: Ausschließlich Felle von Tieren, die erlegt wurden, um die Population im Gleichgewicht zu halten, werden von Maya Schleuter und ihren Kürschner-Kollegen verarbeitet. Typische Plagegeister seien Waschbären, Rotfüchse, Bisams und Marder. „Das Material, also das Fell, ist nicht künstlich, sondern stammt eh aus der Natur“, ergänzt Jochen Schleuter.

In früheren Jahren wurden ­allein 600.000 Rotfuchs-Felle, die als Abfall galten, in der Erde verscharrt. „Es gibt einen Zentralverband, der sich des Themas angenommen hat. Seitdem werden die Felle zentral gesammelt und an Kürschner wie uns, sprich, die dem Verband angeschlossen sind, verkauft. Ein Beispiel für Nachhaltigkeit par excellence“, lobt Jochen Schleuter.

Die Familie Schleuter setzt auf Nachhaltigkeit (von links): Ute Schleuter, Tochter Maya  und Jochen Schleuter.
Die Familie Schleuter setzt auf Nachhaltigkeit (von links): Ute Schleuter, Tochter Maya und Jochen Schleuter. © Michael Kleinrensing


Natürlich sei das Leder beziehungsweise Fell von Wildfang-Tieren nicht ohne Kratzspuren, „die stammen häufig aus Kämpfen in freier Natur“. Die Folge: Die Felle bzw. Fellstücke fallen kleiner aus. Aus zahlreichen Fellen werden dann jene, die eine ähnliche Struktur und Farbe aufweisen, ausgewählt und zu einem Mantel, einer Jacke oder zu einem Innenfutter verarbeitet.

Wertschätzung des natürlichen Materials

Auch die Wertschätzung des natürlichen Materials rückt Maya Schleuter in den Fokus. „Alte Pelze, zum Beispiel Erbstücke, müssen nicht entsorgt werden, sondern können umgearbeitet werden.“

Azubi Simon Böttcher bei der Arbeit.
Azubi Simon Böttcher bei der Arbeit. © Michael Kleinrensing

Der Vintage-Look sei nicht nur in Mode, sondern schone Ressourcen.

30 Handwerksstunden

Der Arbeitsaufwand? „Für ein Kleidungsstück, das wir umarbeiten, kalkulieren wir etwa 30 Handwerksstunden ein. Doch der Aufwand lohnt sich – Pelz ist extrem langlebig. Fell und Faser des Rotfuchses halten sich rund 20 Jahre, ein Nerz hält sogar 50 Jahre, wenn man ihn vor Feuchtigkeit und ­Motten schützt.“

Neben den Wildfang-Fellen arbeitet die junge Kürschnerin mit Fellen, die als Neben- bzw. Abfallprodukt der Lebensmittelindustrie (zum Beispiel Kaninchen und Lamm) entstanden sind.

Nur noch etwa 100 Kürschner in Deutschland

In der 80 Quadratmeter großen Pelzwerkstatt, die ins Erdgeschoss umgezogen ist, arbeiten vier Kürschner, ein Kürschner-Azubi und eine Schneiderin.

Simon Böttcher aus Kassel absolviert derzeit bei „Wolff 1782“ seine Ausbildung zum Kürschner; er ist im dritten Lehrjahr.

Maya Schleuter bildet die achte Kürschnergeneration bei „Wolff 1782“. In Deutschland arbeiten nur noch etwa 100 im Verband organisierte Kürschner.

Nachhaltige Produkte setzen viele Verbraucher mit höheren Kosten gleich. „Nein, Nachhaltigkeit muss nicht teuer sein. Was seinen Preis hat, ist Handarbeit“, räumt Ute Schleuter ein, „und Nachhaltigkeit ist kein Trend mehr, sondern Zeitgeist.“ Auf Mode- und Pelzmessen würde sich ihre Familie speziell nach Labels junger Start-ups umschauen, um diesen Zeitgeist voran zu treiben.

Cooles Projekt

Maya Schleuter, die vor fünf Jahren in den elterlichen Betrieb eingestiegen ist, nickt: „Anfangs hatte ich Bedenken, ob Hagen der richtige Ort für ein solch cooles Projekt ist. Hagen ist eben keine Präsenzuni-Stadt mit vielen aufgeschlossenen, jungen Leuten. Doch mittlerweile sehen wir, dass unsere Kunden unseren Weg mitgehen.“