Hagen. . Nach ihrer Vollendung galt die Oper „Tristan und Isolde“ als unspielbar. Bald läuft sie in Hagen. Wie bewältigt das Theater dieses Mammutwerk?
Es ist die Oper aller Opern, die unendliche Melodie, die schönste Musik, die je geschrieben wurde. Anfangs galt das Werk als unspielbar, mehrere geplante Uraufführungen scheiterten. Für den Hagener Intendanten Francis Hüsers ist es gerade deshalb eine Herausforderung, Richard Wagners Drama „Tristan und Isolde“ auf die Bühne zu bringen: „Aber ich gebe zu, das ist schon ein besonderes Projekt für das ganze Haus.“
Allein die schiere Spieldauer von fünf Stunden (inklusive zweier halbstündiger Pausen) wirft die Frage auf, ob ein solches Mammutwerk an einem kleinen Haus wie dem Theater Hagen überhaupt aufgeführt werden kann. Aber davor hat Hüsers keine Scheu: „Wir leben ja nicht mehr im Jahr 1865, als der Tristan hochmodern, ja revolutionär war. Nach 150 Jahren haben wir Theater- und Opernmacher gelernt, mit dem Stoff umzugehen.“
Dennoch habe es skeptische Blicke gegeben, als er die Oper zur Aufführung in Hagen vorschlug: „Aber die Zweifel sind schnell verflogen, jetzt freuen wir uns alle auf den 7. April.“ Denn dann findet die Premiere statt.
Ungeheure Suggestivkraft
Was den Tristan von allen anderen Opern abhebt, ist auch die ungeheure Suggestivkraft der Musik. Schon Richard Wagner selbst hat gewusst, dass sie die Zuhörer zum Wahnsinn treiben kann: „Ich fürchte, die Oper wird verboten. Nur mittelmäßige Aufführungen können mich retten. Vollständig gute müssen die Leute verrückt machen“, schrieb er an seine Geliebte Mathilde Wesendonck. Deren Ehemann war Wagners Finanzier, zum Dank betrog ihn der Komponist mit seiner Frau – typisch Wagner.
Doch die glühenden Anhänger des Tondichters, Wagnerianer genannt, lassen nichts anderes gelten als die Musik ihres Meisters. Und obwohl Hüsers, der Erfahrung mit dem Tristan und ihn bereits in Berlin und Hamburg als Dramaturg betreut hat, sich selbst als intellektuell distanzierten Kunstschaffenden charakterisiert, der ein Werk nüchtern einzuordnen weiß, kann auch er sich der Faszination dieses einmaligen Werks nicht entziehen: „Man muss sich der Sogkraft, die der Tristan entfaltet, überlassen. Wenn ich gefragt werde, wie man eine solch lange Spieldauer überstehen soll, und ich werde das öfter gefragt, dann empfehle ich immer, sich der Kontemplation hinzugeben, den Sog zu spüren und sich ihm auszusetzen.“
Auch finanziell sprengt der Tristan den üblichen Rahmen einer Operninszenierung in Hagen. Damit die Kosten nicht ausufern, wird der Tristan nur fünfmal aufgeführt und außerdem nur an Sonntagen, damit das zahlende Publikum den Besuch der Oper überhaupt in seiner Freizeit unterbringen kann.
Das Honorar der Sänger ist höher als bei anderen Opern, was wiederum mit der Länge der Aufführung zu tun hat, aber auch mit der Tatsache, dass nur gestandene Künstler imstande sind, die beiden Titelpartien zu bewältigen. Der Ungarn Zoltan Nyari (Tristan) ist 48 Jahre alt. „Den Tristan oder die Isolde kann man nicht am Anfang einer Karriere singen“, sagt Hüsers. „Die Sänger bauen sich auf. Sie bilden ihre Stimmen und ihre Gesangstechnik zu diesen Rollen hin. Diese Rollen sind mörderisch.“
Artifizielle Sprache
Soll man sich also wirklich vier Stunden am Stück überwältigen lassen? Von der poetischen, artifiziellen Sprache und den ungeheuer vielen Worten, die doch immer nur das Gleiche sagen? Der Tristan sei ein gefährliches Stück, warnt Hüsers, ein Spiel mit dem Feuer, ein Stück, das um den Liebestod kreise, der die Romantiker fasziniert habe.
D
afür gibt es berühmte Beispiele in der Wirklichkeit. Heinrich von Kleist sei mit seiner Geliebten gemeinsam in den Tod gegangen, die Grünen-Politikerin Petra Kelly und ihr Mann Gerd Bastian ebenso. „Dahinter steckt der Glaube, wenn wir uns gemeinsam umbringen, dann gewinnen wir ein gemeinsames ewiges Leben.“
Sterbend sinkt Isolde im Finale neben dem toten Tristan zu Boden. Wenn der letzte Ton verklingt, sinniert Hüsers, sei es höchste Zeit, die intellektuelle Distanz zurückzugewinnen. „Es ist ein Spiel mit dem Feuer.“