Hagen. . Sie lassen sich keiner einheitlichen Ideologie zuordnen, doch auf die in Hagen lebenden 20 Reichsbürger hat die Polizei stets ein wachsames Auge.

Sie erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als souveränen Staat an, deklarieren ihr Privatgrundstück als autonomes Staatsgebiet, verweigern Steuerabgaben oder versuchen, Behörden mit Strafanzeigen, Einsprüchen und Dienstaufsichtsbeschwerden in einen Papierkrieg zu verwickeln: die sogenannten Reichsbürger. Rund 20 Personen, die dieser Szene zuzuordnen sind, leben in Hagen und werden vom Staatsschutz beobachtet. „Das heißt, sie erhalten u.a. in unregelmäßigen Abständen Besuch von uns“, so Michael Siemes, Sprecher der Hagener Polizei.

Doch während es anderswo schon zu gewalttätigen Angriffen auf Polizeibeamte gekommen ist, geht von den in Hagen lebenden Reichsbürgern derzeit keine konkrete Gefahr aus. Die meisten von ihnen sind männlich, zahlen brav ihre Steuern. Ins Visier der Polizei geraten sie meist, wenn sie einen kleinen Waffenschein oder ein Ausweispapier beantragen. „Potenzielle Waffenträger überprüfen wir auf Herz und Nieren“, so Siemes.

Keine einheitliche Ideologie

Wenn dabei herauskommt, dass der Antragsteller extremistische Positionen vertritt, wird ihm der Besitz einer Waffe in der Regel verweigert. Umgekehrt genauso: Erfahren die Behörden, dass ein Reichsbürger eine Waffe besitzt, regt die Polizei bei der zuständigen Behörde an, diese Erlaubnis zu entziehen. Von den in Hagen bekannten Personen besitzt denn auch niemand einen kleinen Waffenschein.

Dabei vertreten Reichsbürger nicht einmal eine einheitliche Ideologie. Manche sind rechtsex­trem, andere wenden sich bewusst von Nazis ab und nehmen mit Hinweis auf die Menschenrechte für sich in Anspruch, aus der Bundesrepublik ausgetreten zu sein. Manche erkennen den Personalausweis wegen des Staatsangehörigkeitsvermerks „deutsch“ nicht als gültiges Dokument an und weisen sich mit selbsterstellten Pässen aus. „Das ist zwar nicht mal Urkundenfälschung“, so Siemes“, „wird aber natürlich genausowenig anerkannt wie ein Ausweis vom Knax-Club.“

Im Umgang mit Reichsbürgern, die ihre Arbeit zu blockieren versuchen, greifen die Behörden denn auch auf ihre Geschäftsordnung zurück. „Wir lassen uns auf solche Spielchen erst gar nicht ein“, verdeutlicht Michael Kaub, Sprecher der Stadt Hagen, den Standpunkt der Verwaltung im Rathaus.

Vordrucke und Musterschreiben

Wenn jemand versuche, sich etwa einem Bußgeldverfahren durch einen Wust aus Vordrucken und Musterschreiben zu entziehen, dann gehe die Stadt auf den skurrilen Inhalt dieser Briefe gar nicht ein: „Sondern wir führen einfach das Verfahren weiter.“

Zahl der Reichsbürger in Deutschland steigt an

Im letzten ARD-„Tatort“ aus Dortmund am 20. Januar bekam es das Team von Chefermittler Peter Faber (Jörg Hartmann) mit einem erklärten Staatsfeind zu tun: Reichsbürger Friedemann Keller (Götz Schubert).

Erst im Oktober 2018 vermeldete das Bundesinnenministerium: Die Zahl der Reichsbürger und Selbstverwalter steigt schnell und stetig. Mittlerweile sollen es in Deutschland rund 19.000 sein, die den deutschen Staat ablehnen, das Grundgesetzt nicht anerkennen und zum Teil noch davon überzeugt sind, das Deutsche Reich sei nie untergegangen.

Auch die Justiz ignoriert die Argumentation der Reichsbürger. Wenn jemand nicht zu einem Prozess erscheint, weil er das Gericht nicht anerkennt, dann „wird einfach weiter verhandelt“, berichtet Alexandra Bubenzer, Sprecherin des Amtsgerichts Hagen. In Strafsachen könne in Abwesenheit ein Strafbefehl oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr auf Bewährung ausgesprochen werden, bei schwereren Delikten lasse der Richter den Angeklagten von der Polizei vorführen. „Und auch wenn jemand die Post zurückschickt, stört uns das nicht weiter“, so Richterin Bubenzer.

Rechtsmittelfrist läuft ab Zustellung

Die Rechtsmittelfrist für Urteile, Ladungen und weitere gerichtliche Vorgänge laufe nämlich ab Zustellung: „Und die Zustellungsurkunde der Post dient als Nachweis, dass unser Schreiben angekommen ist.“ Niemand könne sich der Rechtsprechung nach Gesetzeslage entziehen, indem er absurde staatsrechtliche oder politische Behauptungen aufstelle: „Wir wenden stringent die Prozessordnung an.“

Es sind denn auch häufig Trittbrettfahrer und Nachahmer, die sich als Reichsbürger ausgeben, weil sie fälschlicherweise glauben, sich mit deren Verschwörungstheorien aus einem Bußfeld- oder Strafverfahren herauswinden zu können. Diese Taktik sei aber in keinem Fall von Erfolg gekrönt, so Polizeisprecher Siemes: „Und es sollte sich auch jeder gut überlegen, einer Behörde mit fadenscheinigen Gründen auf die Nerven zu fallen.“ Dadurch könne man nämlich unvermutet in den Fokus der Ermittlungsbehörden geraten.

Und am nächsten Tag steht der Staatsschutz vor der Haustür.