Hagen. . Mark Matzke tritt im Job kürzer und engagiert sich sozial. Das Projekt „MITsprache“ ist bereits an 4 Hagener Grundschulen etablierte.

Ein Kongress für Mitarbeiter in der kirchlichen Jugendarbeit brachte die Wende im Leben von Marc Matzke. Der letzte Redner habe das Leben eines Menschen auf der Erde so zusammengefasst, erinnert er sich: „Alle haben gemeinsam, dass sie auf die Welt kommen und sterben. Dazwischen ist ein Bindestrich. Jeder von uns hat die Wahl, ob er die Zeit dazwischen für sich nutzt oder etwas für andere tut.“ Nach diesen Worten war für Marc Matzke nichts mehr so wie vorher: „Es war der Moment, in dem mir klar wurde: Ja, ich habe die Wahl.“

Das war vor vier Jahren. Bis dahin hatte der Steuerberater in erster Linie an seine Karriere gedacht und wie er mit viel Arbeit möglichst schnell vorankommen könnte. Jetzt sprach er mit Vorgesetzten und Kollegen in der Kanzlei und teilte ihnen mit, dass er kürzer treten wolle. Dass er etwas anderes in seinem Leben machen wolle als zu arbeiten und Geld zu verdienen: „Das hat mich viel Überwindung gekostet, weil ich anders gepolt war und anders wahrgenommen wurde.“

Zu seiner eigenen Überraschung reagierten die Kollegen positiv und gestanden ihm zu, seine Arbeitszeit zu reduzieren. Seitdem sitzt er nur noch an vier Tagen pro Woche in der Kanzlei, am fünften kümmert er sich um „Wortschatz“.

Hilfe wirkt besonders langfristig

So heißt die gemeinnützige Gesellschaft, die Marc Matzke gegründet hat und mit der er an inzwischen vier Hagener Grundschulen das Projekt „MITsprache“ etabliert hat, das eine einzigartige Kombination aus Sprachförderung, Elternarbeit, Lehrerfortbildung und Unterrichtsmaterialien beinhaltet. „Kinder und Bildung sind unsere wichtigste Ressource, sie sollte immer Priorität haben“, sagt er: „Gerade bei kleinen Kindern kann so viel kaputt gehen. Andererseits ist bei ihnen viel Positives zu bewegen.“

Unter den zahlreichen Möglichkeiten, die es gibt, um sich für andere Menschen einzusetzen, hat sich der bekennende Christ, der Mitglied in einer evangelischen Freikirche ist, für die Förderung von Kindern mit mangelnden Deutschkenntnissen entschieden: „Diese Kinder möchte ich dabei unterstützen, in der Schule schneller Zugang zu ihren Mitschülern und dem Unterrichtsgeschehen zu erlangen.“

Etwas bewegen

Grundschüler ständen noch ganz am Anfang ihres Bildungsweges. Defizite, die hier beständen, würden sich negativ auf die gesamte Schullaufbahn auswirken. Umgekehrt entfalteten Hilfe und Unterstützung zu diesem frühen Zeitpunkt eine erhebliche, langfristige Auswirkung: „Die Kinder erhalten bessere Chancen auf einen erfolgreichen Bildungsweg und Teilhabe an unserer Gesellschaft.“

Von Beginn an war klar, dass Marc Matzke mit Idealismus allein nicht weit kommen würde. Er brauchte Hilfe. Und fand sie in der Person von Marie-Luise Borchmann, der ehemaligen Rektorin der Emil-Schumacher-Grundschule in Wehringhausen. Sie erkannte das Potenzial von „MITsprache“ und ließ es zu, dass das Projekt, dass immerhin an Universitäten entwickelt, evaluiert und in Berliner Schulen bereits praktisch zur Anwendung gekommen war, an ihrer Schule installiert wurde.

„Mich hat die Ungleichheit in der Gesellschaft motiviert“, sagt die erfahrene Pädagogin, die mittlerweile pensioniert ist. Für Kinder, die von Haus aus schlechtere Startchancen hätten, biete „MITsprache“ eine ungeahnte Bildungschance: „Ich finde es bemerkenswert, dass es Menschen wie Herrn Matzke gibt, die gesellschaftlich etwas bewegen wollen und dabei nicht ideologisch vorgehen.“

Unterricht in Kleingruppen

Derzeit sind 120 Erst- und Zweitklässler in das Förderprogramm eingebunden. Sie erhalten in Kleingruppen zusätzlich zum Regelunterricht drei- bis viermal pro Woche jeweils eine Schulstunde Sprachunterricht – auf spielerisch Weise, etwa mit Domino- und Memory-Spielen. Das zur Verfügung gestellte Unterrichtsmaterial sei hervorragend, so Pädagogin Borchmann

Neben den Förderstunden in der Schule werden bei „MITsprache“ auch die Eltern in die Sprachförderung einbezogen. Viola Schmidt-Werthmann, hauptberufliche Sozialpädagogin, unternimmt Hausbesuche, bietet Hausaufgabenbetreuung und Bibliotheksführungen an, damit die Eltern wissen, wo sie Bücher ausleihen können, und hat es geschafft, dass zu Informationsveranstaltungen in der Schule 90 Prozent der von ihr betreuten Eltern erscheinen.

Leben verändern

„Ich lade schriftlich und telefonisch dazu ein, und einen Tag vor der Versammlung rufe ich noch einmal an“, berichtet Schmidt-Werthmann: „Viele Eltern müssen erst ihre Scheu überwinden. Dabei ist ihre Einbindung in das Projekt unverzichtbar, denn 60 Prozent der Spracherziehung findet in der Familie statt.“

Wenn Kinder den ersten eigenen Bücherei-Ausweis erhalten und die Eltern beginnen, ihren Kindern regelmäßig vorzulesen, sei das großartig. Eine türkische Mutter, die seit 18 Jahren in Hagen lebt, aber kein Wort Deutsch spricht, konnte sie zur Teilnahme an einem Sprachkursus überreden.

Marc Matzke hat nicht nur sein eigenes Leben verändert. Er verändert auch das Leben anderer Menschen in Hagen. Zum Besseren.