Hohenlimburg. . Ernst August Siegmund war von 1968 bis 1983 Lokführer bei der Hohenlimburger Kleinbahn.
Hohenlimburg schreibt den 23. Dezember 1983. Eine Träne läuft Ernst August Siegmund über die Wange. Zum letzten Mal sitzt der Zugführer auf der Lok 3 der Hohenlimburger Kleinbahn (HKB). Genau heute vor 35 Jahren stellte die HKB ihren Betrieb ein.
„Der Zugverkehr lief schon zwei Wochen zuvor nicht mehr“, erinnert sich Ernst August Siegmund (70). Aber an diesem besagten Tag kommen Eisenbahn-Fans aus nah und fern in Scharen nach Hohenlimburg, auch der WDR ist vor Ort. Die vier Dieselloks werden voreinander gespannt und ein Güterwaggon, auf dem auch Menschen mitfahren. „Eine Traube von Menschen hat den Zug umsäumt. Es war wie ein Karnevalszug“, sagt Ernst August Siegmund. Im Schritttempo fährt die Kleinbahn eine Stunde lang Richtung Obernahmer, die noch verbliebenen 15 Bediensteten nehmen Abschied. „Alle haben uns zugewinkt.“
Ausbildung zum Schriftsetzer
Eine weitere Rückblende – Ernst August Siegmund macht nach der Schule eine Ausbildung zum Schriftsetzer, holt dabei die Mittlere Reife nach. Zwei Jahre arbeitet er in diesem Beruf, ehe er in der Zeitung auf eine Annonce stößt: „Hohenlimburger Kleinbahn sucht Zugführer!“ „Ich habe mich schon immer für Eisenbahnen interessiert und habe mich einfach mal gemeldet. Der Verwaltungschef hat sich dann für mich entschieden“, so der heute 70-Jährige. 1968 ist er mit 20 Jahren der jüngste Bedienstete der HKB, der eingestellt wird. Zwei Jahre arbeitet er zunächst als Bahnhofwart, ist für Verplombung, Ölung und Zurückführung der Waggons und für viele Kleinarbeiten zuständig. Dann erst folgt die Ausbildung zum Zugführer.
Der Arbeitstag des Lokführers beginnt am Hohenlimburger Kleinbahnbahnhof immer um 5.30 Uhr. „Zunächst haben wir alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen“, sagt Ernst August Siegmund, Ist alles in Ordnung, tuckern die Züge ab 6 Uhr los. „Über Streckentelefone haben wir uns verständigt.“ Entweder müssen mit Stahl beladene DB-Waggons zu den Firmen Hoesch, Krupp oder Wälzholz gezogen werden oder Leerwagen zu den Betriebshallen. „Leerwagen gingen meistens nach Krupp“, so der 70-Jährige. Fünf Waggons werden dann hinter die Lok gespannt. Mehr gehen nicht. „Vor der Betriebshalle bei Krupp musste die Lok immer umgesetzt werden, um die Wagen in die Halle zu drücken.“ Die bis zu 100 Tonnen schwere Fracht, meistens „Coils“, müssen dann zum DB-Bahnhof gebracht werden.
Die Kleinbahn hat nur an wenigen Stellen eine eigene Trasse, meist führen die Schienen am Straßenrand oder sogar mitten durch den Straßenverkehr. „Besonders die Lenneuferstraße war ein Nadelöhr. Man musste höllisch aufpassen“, sagt Ernst August Siegmund. Er erlebt auch Unfälle mit, „meist war die Unachtsamkeit der Autofahrer die Ursache“.
In den stärksten Zeiten arbeiten bis zu 50 Bedienstete bei der Kleinbahn. In ihrer 83-jährigen Geschichte befördert die HKB 11,8 Millionen Tonnen an Fracht. Im Jahr 1960 liegt die Beförderungsleistung bei 208.000 Tonnen. Aber so bleibt es nicht. In den 1970er Jahren ging der Umschlag gravierend zurück. „Und in den letzten Jahren des Bestehens der Kleinbahn ist es drastisch gesunken“, weiß Ernst August Siegmund. „Ursache waren der zunehmende Lkw-Verkehr sowie die Errichtung eines Umlade-Terminals in Letmathe.“
Bedienstete werden übernommen
1983 fasst der Vorstand der HKB schließlich den Entschluss, die Hohenlimburger Kleinbahn stillzulegen. „Das ging dann alles sehr schnell“, so Ernst August Siegmund. Die verbleibenden 15 Bediensteten werden von der Firma Krupp übernommen, Ernst August Siegmund arbeitet dort zunächst im Eisenbahnbetrieb, macht sich später im Bereich der Garten- und Landschaftspflege selbstständig.
Spuren der Hohenlimburger Kleinbahn gibt es heute kaum noch. Gleisreste der ehemaligen Kleinbahn sind noch vorhanden. Zum Beispiel innerhalb der Einfahrt zum Werkhof, sowie auf dem Gelände des Kaltwalzwerkes Huesecken Wire. Die Lok 3 fährt bei der Sauerländer Kleinbahn in Plettenberg-Herscheid. Hier ist jetzt auch die Lok 2 aus Belgien hinzugekommen, die derzeit restauriert wird. Die Lok 4 steht auf einem Sockel als Denkmal vor der Firma Wälzholz in der Nahmer.