Hagen. . Das Hagener Rechenzentrum ist von Hohenlimburg nach Eilpe gezogen. Ein echter Kraftakt, der jedoch problemlos über die Bühne ging.

Der schmucklose Bau ohne Türschilder am Volme-Ufer lässt kaum vermuten, welch brisanter Inhalt sich hinter den abgeschirmten Mauern verbirgt. Aufwändige Blitzableitertechnologie schützt vor Gewitter-Unbilden, ein mächtiges Stahlbeton-Fundament vor tektonischen Überraschungen, ein 800-PS-starker Zwölfzylinder-Dieselmotor vor plötzlichen Stromausfällen und mit ausgeklügeltem Sicherheitscode verriegelte Stahltüren vor ungebetenen Besuchern.

Operation am offenen Hagener EDV-Herzen

Vor drei Wochen wurde zum Finale einer über Jahre ausgeklügelten Umzugsstrategie das Rechenzentrum der Stadt aus Hohenlimburg nach Eilpe verlegt. Quasi eine Operation am offenen Hagener EDV-Herzen.

„Da sind uns schon ein paar Kilo Steine von der Seele gefallen“, macht Betriebsleiter Gerhard Thurau keinen Hehl daraus, dass das gesamte Team des Hagener Betriebes für Informationstechnologie (Habit), das in der heißen Phase mit einer Urlaubssperre belegt wurde, schon arg erleichtert ist. Denn seit der Verlagerung funktioniert die sensible Technik in den deckenhohen Racks störungsfrei.

Vorbereitung läuft seit 2011

Bereits im Jahr 2011, so erzählt Ralf Steffens (Habit-Geschäftsbereichsleiter Technischer Betrieb), seien erste Planungsüberlegungen angestellt worden, die alte Hoesch-Immobilie an der Langenkampstraße aufzugeben.

„Seitdem hat es 240 wichtige Abstimmungstermine in verschiedenen Arbeitsgruppen gegeben“, lässt Thurau ein Vielfaches an kleineren Gesprächsrunden gleich außen vor. Und das alles nur, um das komplette Daten-Gedächtnis der Stadt Hagen in der ersten Oktober-Woche in Hohenlimburg vom Netz zu nehmen, die Rechner auf mit Schutzfolien ummantelte Paletten zu packen, diese auf 7,5-Tonner zu verladen und letztlich am neuen Standort wieder auszupacken und anzuschließen.

© Michael Kleinrensing

Klingt eher wie ein klassischer Umzug – ist es aber nicht, wenn es um die Basis für das gesamte Computer- und Datennetzwerk einer Großstadt im 21. Jahrhundert geht.

Externe Berater haben bei der Konzeption der maßgeschneiderten Immobilie nach den Standards des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnologie zur Seite gestanden, während das Habit-Team sich komplett auf die Verlagerungslogistik konzentriert hat – ein Prozess, bei dem man sich nicht gerne in die Karten gucken lässt.

300 Arbeitsprozesse getestet

Pannen sind hier verboten, mögliche Ausfälle nicht vorgesehen – etwa 360 physikalische und virtuelle Server müssen zuverlässig laufen, wenn in der Stadt das gesamte öffentliche Leben nicht zum Erliegen kommen soll.

300 Arbeitsprozesse wurden nach dem Umzug getestet, um dann aus den Ämtern zu vernehmen: „Wir haben nichts gemerkt.“ Ein schmeichelhafteres Kompliment hätten sich Thurau und sein Team kaum wünschen können.

2,5 Millionen Euro hat die Entwicklung und Realisierung des neuen Hauptrechenzentrums gekostet, hinzu kommt noch eine Million für die dazugehörige Verkabelung. „Das Geld stammt aus den erwirtschafteten Überschüssen der Vorjahre“, legt Thurau großen Wert auf die Feststellung, dass der Etat des Kämmerers dafür nicht extra belastet wurde.

Seitdem laufen die Server und die dazugehörigen Backup-Systeme in einem auf konstant 20 Grad klimatisierten, mit Glasgehäuse ummantelten Raum.

© Michael Kleinrensing

Dieser wurde bewusst im ersten Obergeschoss platziert, um jeglichem Hochwasserrisiko aus dem Weg zu gehen.

96 Batterien im Erdgeschoss halten die Netzspannung konstant, damit auch geringste Schwankungen den empfindlichen Geräten nichts anhaben können. Eine Gaslöschanlage mit 31 Stickstoffflaschen (300 bar Druck) würde jedem Feuer sofort den Garaus machen, ohne die sensiblen Geräte zu zerstören.

Menschen werden hier faktisch nicht mehr gebraucht. Lediglich Rechenzentrumsmanager Jörg Neumann, der die Systeme auch aus der Ferne überwacht, schaut regelmäßig mal vorbei, um in dem Gebäude nach dem Rechten zu sehen.

Störungsfrei an 365 Tagen im Jahr

Über das Eilper Rechenzentrum des Hagener Betriebes für Informationstechnologie (Habit) wird der gesamte Daten-, Telefonie- und E-Mail-Verkehr der Stadt Hagen gesteuert. Zudem werden dort die notwendigen Speicherkapazitäten für die Dokumente vorgehalten.

Von den etwa 100 Millionen Mails pro Jahr werden etwa 95 Prozent direkt als Spam-Nachrichten identifiziert und sofort vernichtet. Die gestaffelte Firewall des Systems wird stündlich aktualisiert und ist somit stets auf Stand.

Die etwa 360 Server und Systeme mit ca. 4000 Endgeräten – Tendenz stetig steigend – laufen faktisch 365 Tage im Jahr rund um die Uhr störungsfrei. Backup-Systeme und redundant vorgehaltene Technik überbrücken die äußerste geringe Restausfallquote.

Lediglich die Hagener Personenstandsdaten, die 112 Jahre aufgehoben werden müssen, lagern in Köln bei einem kommunalen Dienstleister. Für solch eine langfristige Verpflichtung will man in Hagen keine eigenen Strukturen etablieren.

Schimmel in den Kellerräumen

Geradezu paradiesische Zustände im Vergleich zum Altstandort in Hohenlimburg, wo derzeit eine Restcrew noch mit Demontage-Arbeiten beschäftigt ist. Dort herrschten im Hochsommer auch schon einmal 40 Grad, so dass einige Rechner runtergefahren werden mussten, weil die Räumlichkeiten die Installation weiterer Kühlgerätschaften nicht zuließen.

Im feuchten Kellergeschoss breitete sich der Schimmel aus, die Enge ließ keine Erweiterungen mehr zu.

Zudem bestand stets ein Risiko, da die Verbindung zum elf Kilometer entfernten Hagener Rathaus lediglich durch eine einzige astdicke Leitung gewährleistet war. Eine unvorsichtige Aktion eines Baggerführers und die womöglich durchtrennte Datenverbindung hätte nur noch durch eine Richtfunkverbindung aufrecht gehalten werden können.

Deutlich höhere Sicherheit

„Jetzt sind wir mit dem innerstädtischen Datenring verbunden, haben somit eine deutlich höhere Sicherheit und vor allem ganz andere Entfaltungsmöglichkeiten“, betont Steffens. Damit meint er nicht nur, dass sich das aktuelle Speichervolumen von 24 Terabyte absehbar alle zwei Jahre verdoppeln wird, sondern auch, dass in das neue Rechenzentrum bald die Hardware des Wirtschaftsbetriebes Hagen (WBH) und der Verkehrsrechner für die Ampelsteuerungen integriert werden. Auch einige EN-Kommunen wollen künftig die vorbildliche Hagener Sicherheitsstruktur nutzen.

Zumal zurzeit parallel auch noch ein Backup-System in einem anderen städtischen Gebäude eingerichtet wird, um durch redundante Datenspeicherung für alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Denn noch so einen Umzug im laufenden Betrieb, darin sind sich alle Beteiligten einig, möchten sie in ihrem Berufsleben nicht erneut stemmen müssen.