Hagen. . Die Eltern einer Tochter, die durch einen Arztfehler schwerstbehindert ist, trauten im Berufungsverfahren der Ärztin ihren Ohren nicht.
Wende im Berufungsverfahren einer Ärztin eines Hagener Krankenhauses, die durch die Verabreichung eines falschen Medikaments bei einer schwangeren Patienten einen allergischen Schock auslöste, in dessen Folge das Kind der Patientin schwerstbehindert zur Welt kam. Denn der Verteidiger der leidtragenden Eltern stellte gestern einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Dieter Krause. Quasi im Hinterzimmer soll ein Deal ausgekungelt worden sein, von dem die betroffenen Eltern und ihr Anwalt gar nichts wussten.
Das Amtsgericht hatte die Ärztin im Januar dieses Jahres wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 19.200 Euro verurteilt. Die Klinikärztin hatte die werdende Mutter Tanja Zinkann, damals in der 31. Schwangerschaftswoche, seinerzeit an einen Tropf mit dem Präparat „Gelafundin“ angeschlossen. Die Fruchtwasserproduktion sollte angeregt werden. Doch Zinkann lief rot an, alles brannte, sie konnte nicht atmen. Sie musste sogar reanimiert werden. Mutter und Tochter waren dem Tode nahe.
Im Januar berichtete Zinkann gegenüber der WP, wie sie spürte, dass sich ihr Baby im Bauch zu Tode strampelte. Unterdessen bekam das Kind tatsächlich keinen Sauerstoff. Es kam zur Notgeburt. Und die kleine Lara Viktoria kam als Pflegefall (Stufe 5) zur Welt. Im Grunde völlig bewegungsunfähig. Heute ist sie fünf Jahre alt und auf dem Stand eines Säuglings.
Während die Ärztin im Amtsgerichtsverfahren zunächst darauf verwies, eigentlich am Tag des Vorfalls bereits zwei Stunden im Feierabend gewesen zu sein und sich über ihr eigenes Pflichtbewusstsein ärgerte, sprach sie zu Beginn ihres Berufungsverfahrens eine Entschuldigung an die Eltern aus.
Parallel läuft noch Zivilverfahren
Wegen des Ärztefehlers haben die Zinkanns auch eine Zivilklage eingereicht. Es geht um Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Verlangt wurden 560 000 Euro. Das Krankenhaus hatte zu Jahresbeginn signalisiert, nur 75 Prozent davon zu zahlen. Der Prozess läuft noch.
Während Tanja Zinkann und ihr Mann Thorsten im Berufungsverfahren wegen eines zwischenzeitlichen Hinweises des Richters sogar aus ihrer Sicht noch die Hoffnung hegten, dass der Ärztin ein Vorsatz nachgewiesen werden könne (statt der bisherigen „Fahrlässigkeit“) traf sie gestern der Schock. Das Gericht hatte alle Zeugen und Gutachter ausgeladen und eröffnete die Sitzung damit, dass es ein Rechtsgespräch zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung gegeben habe. Das Strafmaß könne demnach auf 80 bis 100 Tagessätze heruntergeschraubt werden und die Berufung der Ärztin, rechtlich gesprochen, auf die Rechtsfolgen der Berufung beschränkt werden.
Inhaltliche Neubewertung entfällt
Das heißt: Die inhaltliche Neubewertung des Ärztefehlers entfällt. Es geht letztlich nur um die Höhe der Geldstrafe. Rechtsanwalt Markus Bündgens, der die Eltern als Nebenkläger vertritt, zog aus seiner Sicht die Notbremse und stellte einen Befangenheitsantrag gegen den Richter, der angesichts des intransparenten Hinterzimmergesprächs nicht mehr objektiv auf das Verfahren blicken könne.
Der Antrag wird nun vom Gericht geprüft. Sollte Richter Krause für befangen erklärt werden, wird das Berufungsverfahren neu aufgerollt. Wenn nicht, geht es am 9. November vor derselben Kammer weiter.