Breckerfeld. . Er ist im Pott geboren und lebt heute noch im Pott – nur an einem anderen Ende. Rainer Placidus ist in Walsum geboren und lebt in Breckerfeld.

Der Blick schweift über das Wasser. Er wandert zu den Bäumen, deren Blätterkleid sich im Herbst zu verfärben beginnt, zu den Wiesen und hinauf in den an diesem Tag so blauen Himmel. Das Ruhrgebiet, ein Traum. Zumindest an dieser Stelle, an seinem südlichsten Zipfel, am Vorstaubecken der Ennepetalsperre.

Hier endet Breckerfeld, hier endet das Revier und hier steht ein Mann, der auch die Kehrseite dieses Ruhrgebiets kennt. Rainer Placidus, geboren am 9. Juli 1939 in Mülheim, aufgewachsen in Walsum, das einst eigenständig war und heute ein Stadtteil Duisburgs ist.

Zentimeter dick Hütten-Staub auf der Fensterbank

Kleinste Kommune im Regionalverband Ruhr

Das Ruhrgebiet gilt mit rund 5,1 Millionen Einwohnern und einer Fläche von 4435 Quadratkilometern als der größte Ballungsraum Deutschlands.

Zusammenhängende Großstädte bilden den Kern des Ruhrgebiets.

Das Ruhrgebiet orientiert sich an den Grenzen des 1920 gegründeten Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk, dem heutigen Regionalverband Ruhr (RVR). Zu diesem zählen die kreisfreien Städte Bochum, Bottrop, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne, Mülheim an der Ruhr und Oberhausen sowie die Kreise Recklinghausen, Unna, Wesel und der Ennepe-Ruhr-Kreis und damit eben auch Breckerfeld.

Die Hansestadt hat sich folglich als kleinste Kommune unter anderem im Kulturhauptstadtjahr „Ruhr 2010“ eingebracht.

„Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie meine Mutter eine Zentimeter dicke Staubschicht täglich von den Fensterbänken gewischt hat“, sagt der 79-Jährige, der mit seiner Vita für die ganze Gegensätzlichkeit der einstigen Industrieregion steht, die an ihren Rändern Paradiese wie dieses hier an der Talsperre in Breckerfeld bereit hält. „Dreck, den uns das Hüttenwerk beschert hat, obwohl es acht Kilometer entfernt lag.“

Ein Werk, das die Familie und die Kindheit geprägt hat, ja sogar das Leben von Rainer Placidus. „1956 habe ich meine Lehre als Betriebsschlosser bei der August-Thyssen-Hütte begonnen“, sagt Placidus, „in Duisburg gab es zu jener Zeit noch vier unterschiedliche Hüttenwerke.“

Aufgewachsen tief im Ruhrgebiet

Industrieanlagen, die Konzernen satte Gewinne, tausenden Menschen Arbeit und den Städten, ihren Straßen und den Bewohnern jede Menge Dreck bescherten.

Es ist ein Ruhrgebiet, im dem Placidus aufwächst, in dem er seine Ausbildung absolviert, in dem er studiert und in dem arbeitet. Aber auch eines, in dem er auf keinen Fall seinen Lebtag bleiben will. „Ich habe mir immer geschworen: Hier werden deine Kinder nicht groß“, sagt Rainer Placidus.

Lotto-Glück in Breckerfeld

In Duisburg nicht, in anderen Winkeln des Ruhrgebiets und seiner Ränder sehr wohl. Placidus arbeitet in Remscheid, bis in die 90er Jahre hinein bei den Stahlwerken Südwestfalen in Hagen. „Dann war Schluss“, sagt jener Mann, der sich im Rentenalter mit Leidenschaft für den Verein „Senioren helfen Senioren“ engagiert. „Mit damals über 50 war es nicht leicht, einen neuen Job zu finden. Da habe ich gehört, dass die Lotto-Gesellschaft jemanden sucht, der einen Laden in Breckerfeld übernimmt.“

Der Stahlwerker Placidus macht sich am 9. April 1992 am Alten Ostring selbstständig und zieht im folgenden Jahr nach Breckerfeld. „Dass die Stadt formal auch zum Ruhrgebiet zählt – das war mir gar nicht klar“, sagt Rainer Placidus, der das Geschäft immer mehr erweitert – um eine Reisebüro, eine Tchibo-Dependance und eine Poststelle.

Der riesige Unterschied im Revier

Placidus, der Mann aus dem Pott, zieht in eine andere Welt, in eine Stadt, die sich so sehr von denen unterscheidet, in denen er bisher gelebt und gearbeitet hat. „Wenn man Duisburg mit Breckerfeld vergleicht – das ist in jeglicher Hinsicht ein riesiger Unterschied“, sagt den Rentner heute. „Ich habe damals schon ein wenig gebraucht, um hier anzukommen. Zwei Alteingesessene, die mich einfach mal mit zum Kegeln genommen haben, haben mir da sehr geholfen.“

Duisburg, tief im Westen – geblieben sind die Erinnerungen. „In Walsum gab es anfangs auch noch Äcker und Felder“, sagt Rainer Placidus, der zuletzt vor drei Jahren bei einer Hafenrundfahrt in jener Stadt war, in der er groß geworden ist, „aber nach und nach ist alles zugebaut worden. In den 50er und 60er Jahren war das eine aufstrebende Stadt. Vor drei Jahren ist die letzte Zeche geschlossen worden.“

Äcker und Felder, die gibt es auch hier, in Breckerfeld. Dazu das Wasser, dass die Ennepe und ihre Zuflüsse in die Talsperre bringen. Rainer Placidus ist gerne draußen. Er mag es, mit dem Rad zu fahren. Er genießt die Spaziergänge in der Natur, die Sonne und die Weite. So wie hier an diesem Tag – ganz im Süden des Ruhrgebiets.

Ennepetalsperre - der südlichste Punkt des Ruhrgebiets

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