Hagen. . Der aus Anatolien stammende Aramäer Nuri Irak gehört zu den wichtigen Künstlerin in Hagen. Nun sind über 50 seiner Werke in einer Schau zu sehen.
Natürlich nimmt einen „Die Reinigung“ gefangen. Das Selbstporträt zeigt Nuri Irak blutüberströmt, seine Hände ruhen auf einer aramäischen Bibel, er sieht den Betrachter mit leicht zur Seite geneigtem Kopf an. Trotz der gewollten Inszeniertheit – Irak lässt mitunter Jahre verstreichen, ehe er seine Fotos und Fotoserien vollendet – besitzt diese monströse Selbstdarstellung mit dem nackt-blutigen Oberkörper jene suggestive Kraft, die ein Kunstwerk über das Gewöhnliche hinaus erhebt.
Primär sei er ein Mensch, wiegelt Irak bei der Frage nach seiner Herkunft ab, aber danach eben doch ein aramäischer Christ und somit Angehöriger einer ethnischen Minderheit in der Türkei. 25 Jahre habe er gebraucht, bis er mit diesem Thema abgeschlossen habe, und das Blut lässt ahnen, welches Ringen eines aufgewühlten Herzens sich hinter diesem Vierteljahrhundert verbirgt.
Befreiung
Aramäisch soll ja die Sprache von Jesus gewesen sein, inwieweit das heutige Aramäisch allerdings etwas mit dem damaligen Idiom zu tun habe, wisse man nicht, so Irak, wenngleich: „Doch, es sind Parallelen da.“ Und nein, das Blut auf seinem Kopf und Körper stehe keineswegs für die Unterdrückung der Aramäer in der Türkei, wenngleich man es auf diese Weise interpretieren könne, sondern es sei ein reinigendes Symbol: „Eine Art Befreiung.“
Eine Art Befreiung von seinen Hoffnungen und Zweifeln als Christ womöglich. Als Mensch. Eine innere Reinigung. Eine Katharsis. „Mit Katharsis“ ist die gesamte Ausstellung im Osthaus-Museum, die einen Überblick über Iraks schaffen in den vergangenen beiden Jahrzehnten gibt, überschrieben.
Asche und Bitumen
In der Psychologie bezeichnet der Begriff das Ausleben innerer Konflikte durch eruptive Ausbrüche. In diesem Sinne sollte man die 50 Arbeiten des in Südostanatolien geborenen Künstlers auf sich wirken lassen, etwa die abstrakten Landschaftsbilder, die von düsteren Farben strotzen. Erdtöne und gebrochene Farben hat Irak eingesetzt, mit Asche und Bitumen gearbeitet.
Es sind gereifte Arbeiten, die aus dem Reich der Erde schöpfen und gleichsam in den Erdboden hineinsehen. Der Bezug zur Natur sei bei Nuri Irak wichtig und häufig erkennbar, sagt Tayfun Belgin, Leiter des Osthaus-Museums: „Und dort, wo er herstammt, gleißt die Sonne oft so hell, dass alle Farben unter ihren Strahlen verschwinden.“ Und nur noch Braun und Schwarz zurücklassen und eine im wahrsten Sinne dunkle Ahnung geben vom Brodeln in der Seele des Künstlers.
Irak ist älter als er ist
Nuri Irak ist ein sich verausgabender Maler, für den die Suche nach der Umsetzung eines einmal gefundenen Themas einen Kräfte raubenden Prozess bedeutet, doch manchmal, sagt er, seien die Zeiten sehr produktiv: „Dann ist, was ich tue, tief in mir drin und ich muss nicht nachdenken, um zu arbeiten.“
Auch bei der Frage nach seinem Alter gerät Irak nicht ins Stocken, keineswegs. „52, eigentlich 53.“ Wie bitte? Die Erklärung ist einigermaßen drollig: Im Pass von Irak ist als Geburtsdatum der 1. Januar 1966 vermerkt, doch geboren sei er im März 1965, sagte er. Die Kinder, vor allem die Jungen, wurden damals häufig jünger gemacht, weil sie dann später von den staatlichen Behörden, etwa für den Armeedienst, erfasst wurden und länger zu Hause bleiben durften. „Wurde in der Provinz ein Kind geboren, fuhren die Eltern irgendwann in die Stadt und ließen es registrieren, das Geburtsdatum war dem Beamten schnurzpiepegal.“ Einer von Iraks Brüdern wurde auf diese Weise gleich um vier Jahre verjüngt.