Hagen-Mitte. . 110 Töpfe hat Kurt Ulbrich rund um sein Haus mitten in Hagen aufgestellt und bepflanzt. Dort summen und brummen Insekten in einem fort.

Früher stand an dieser Stelle die Elberssche Villa. Heute ist der Platz asphaltiert, doch unterscheidet er sich merklich von der kargen Nüchternheit, die Örtlichkeiten inmitten einer Großstadt in der Regel zu eigen ist.

Eine Rotbuche, ein Ginkgobaum und eine Hängeesche umstehen das Areal, und vor dem Wohnhaus am Fuße des Rembergs, in dem einst das Gesinde der Textilkaufmannsfamilie Elbers untergebracht war, summt und brummt es über einer Blütenpracht. „Das ist meine Bienenmeile“, sagt Kurt Ulbrich (76): „Vom Frühling bis zum Spätsommer blüht es bei mir. Ich erhalte minütlich Besuch von Bienen und anderen Insekten.“

110 Töpfe rund ums Haus

Das Insektensterben ist in aller Munde. Um 80 Prozent soll sich die Zahl der Fluginsekten seit 1990 verringert haben. Als Gründe werden die Monotonisierung unserer Landwirtschaft, der zunehmende Einsatz von Pestiziden und der Verlust von artenreichem Grünland genannt. Frank Munzlinger, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) in Hagen, fügt eine weitere Ursache hinzu, die vor allem die Innenstädte betrifft: „Grünflächen werden viel zu früh gerodet oder geschnitten. Auch bei uns in Hagen. Ein sauber geschnittener Rasen mag zwar gepflegt aussehen, für Insekten bietet er jedoch keinerlei Nahrungsgrundlage.“

Das ist im Garten von Kurt Ulbrich anders. 110 Töpfe hat er rund um sein Haus platziert und bepflanzt. Aber nicht mit Geranien, Primeln, Männertreu oder anderen bevorzugten Zierblumen.

Herzgespann und Johanniskraut

Bei Ulbrich wächst das Herzgespann, eine alte Bauernpflanze, deren Nektar Bienenherzen schneller schlagen lässt. Bei Ulbrich wächst das Johanniskraut, das von vielen Gartenbesitzern als Unkraut verschmäht und gejätet wird. Insekten dagegen bieten die gelben Blüten einen Futterplatz.

Bei Ulbrich wächst die Blaue Wegwarte, die schon am frühen Nachmittag – und wenn die Sonne noch so heiß vom Himmel scheint – ihre Blüten schließt. Auf ihr tummeln sich Bienen und Schwebfliegen. Bei Ulbrich wachsen Stockrosen, Rauke, Kronwicken, an einer Mauer sprießen Spitzwegerich, Schafgarbe, Ringelblumen und Akelei aus den Asphaltritzen. Und überall summt und brummt, schwirrt und fliegt es. Zahlreiche Wildbienenarten, Hummeln, Schmetterlinge und anderes Getier saugen den Nektar aus den Blüten.

Substrat ohne Torf

„Man braucht einfach ein bisschen Mut“, sagt Ulbrich. Mut, vom Altgewohnten abzurücken und es einmal mit naturnah bepflanzten Beeten und Töpfen zu versuchen. Auch wer nur einen Balkon besitze, könne Insekten mit entsprechenden Blumen zum Essen einladen. Die genetisch veränderten Hybridpflanzen aus der Gartenabteilung der Baumärkte seien dazu jedenfalls ungeeignet: „Nur Mut“, wiederholt Ulbrich: „Jeder einzelne von uns ist gefordert, etwas zu tun.“

Am wichtigsten, erklärt der naturverbundene Rentner, sei das Substrat, das er in einem großen Bottich selbst zusammenmischt. Es besteht aus Mutterboden, Komposterde, Sand, Kalk und Blumenerde. Die Verwendung von Torf lehnt Ulrich ab, weil es nur noch wenige Torfgebiete auf der Erde gebe, die es zu erhalten gelte: „Und dann noch, weil Torf zu viel Wasser braucht. 70 Prozent bindet er selbst, da bleiben nur 30 Prozent für die Pflanzen übrig.“

Wenn es mehr Gartenbesitzer vom Schlage eines Kurt Ulbrich gäbe, wäre das Insektensterben vielleicht weniger dramatisch . . .